
Vor gar nicht allzu langer Zeit gab es mal eine Diskussion zwischen mir und einer sozialdemokratischen Politikerin. Unter anderem ging es um die Besteuerung von Flügen. Grundsätzlich müsste man Fliegen teurer machen, so die vehemente Meinung meiner Gesprächspartnerin. Denn Fliegen sei ja schließlich extrem klimaschädlich. Und außerdem würden diese ganzen Billig-Airlines die eigenen Mitarbeiter ausbeuten und das gehe natürlich überhaupt nicht. Und dann kam das große ABER. Die eigene Oma meiner geschätzten Gesprächspartnerin, die müsse natürlich weiterhin in den Urlaub fliegen können. Und das natürlich auch vom heimischen Flughafen. Denn schließlich habe sie ihr ganzes Leben lang hart gearbeitet und jetzt als Rentnerin habe sie es schlicht und einfach verdient, auch mit kleinem Gehalt mehrmals im Jahr in die Sonne fliegen zu können.
Es tut mir sehr leid für die liebe Oma. Aber die Politik der Regierungsparteien, zu der auch ihre Enkelin gehört, sorgt jetzt dafür, dass diese Urlaubsflüge nicht mehr stattfinden.
Bereits im Mai 2024 erhöhte die Ampelregierung die Steuern auf den Flugverkehr deutlich. Da Flugpläne immer mit langen Vorlaufzeiten organisiert werden, sind die Folgen der Steuererhöhung erst jetzt zu spüren. Die Steuer muss von den Fluggesellschaften gezahlt werden. Sie können diese Kosten aber direkt über höhere Ticketpreise an die Kunden weitergeben. Die Ticketsteuer ist auf mehr als 15,50 Euro pro Fluggast für Kurzstreckenflüge gestiegen. Für Langstreckenflüge liegt die Steuer sogar bei mehr als 70 Euro pro Fluggast.
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Das sind Steigerungen der Kosten, die noch zu den ohnehin gestiegenen Kosten für beispielsweise Treibstoff, höhere Personalkosten und höhere Flughafengebühren hinzukommen. Kein Wunder also, dass es vor allen Dingen für sogenannte Billig-Airlines jetzt nicht nur knapp wird, sondern sich Flugverbindungen schlicht und einfach nicht mehr lohnen. Welches Unternehmen will mit seinem Angebot schon sehenden Auges Verluste einfliegen?
Nehmen wir einfach mal einen Standard-Flieger wie den Airbus A320. Da passen im Durchschnitt 150 Passagiere hinein. Eine Ticketsteuer von 15,50 Euro bedeutet nun Mehrkosten von 2325 Euro – nur für diese Steuer für eine Kurzstrecke. Diese Kurzstrecken werden mehrmals am Tag geflogen. Bedeutet also mindestens 10.000 Euro Kosten pro Tag für einen Flieger alleine für die Ticketsteuer. Rechnen wir das gleiche einmal exemplarisch für einen großen Flieger und für eine Langstrecke durch, dann sind wir schon in ganz anderen Dimensionen. In einen Airbus A380 passen 850 Passagiere. Für Langstrecken liegt die Ticketsteuer bei rund 70 Euro. Das macht dann Mehrkosten nur für die Ticketsteuer von rund 60.000 Euro pro Flug.
Um diese Zahlen einmal in Relation zu setzen: Eine Flugbegleiterin bei einer Billig-Airline verdient im Schnitt 2300 bis 2400 Euro im Monat. Also ungefähr genauso viel wie die Ticketsteuer pro Flug die Fluggesellschaft kostet. Die Ticketpreise sind von den Fluggesellschaften sehr knapp kalkuliert. Das bedeutet, die Gewinnmarge ist extrem gering. Vor allen Dingen natürlich bei Kurzstrecken und bei Billig-Airlines. Wenn sich jetzt also die Kosten durch eine Steuererhöhung nach oben schrauben, dann ist die Gewinnmarge weg und die Flüge lohnen sich nicht mehr. Die Folgen sind, dass Flugverbindungen gestrichen werden.
Wieso wird Ticketsteuer überhaupt erhoben? Zumindest aus Sicht der Politik ist der Grund banal. Die Staatskasse braucht Einnahmen! Um die Haushaltslöcher im Bundeshaushalt zu füllen, hat die Ampel beschlossen, die Ticketsteuer zu erhöhen. Denn da kommt so einiges zusammen. Die faktische Erhöhung der Ticketpreise soll für Mehreinnahmen von etwa 580 Millionen Euro pro Jahr sorgen, sodass die gesamten Einnahmen der Luftverkehrssteuer bei 1,5 Milliarden Euro liegen.
Laut Moring wird sich der Luftverkehr durch die höheren Steuern noch mehr auf die deutschen Drehkreuze in München und Frankfurt fokussieren, wenn man nicht sogar komplett deutsche Flughäfen meidet.
Hinzu kommt der Klimaschutz. Denn Fliegen ist aus Sicht der Mächtigen nicht nur klimaschädlich, sondern auch moralisch höchst verwerflich. Deswegen müssen wir uns schämen. Und zahlen. Das wird von Ökonomen und auch in der Politik gerne die Internalisierung von Kosten genannt. Das bedeutet, der Schaden für die Umwelt, der durch das Fliegen verursacht wird, wird geschätzt, in einer Eurosumme ausgedrückt und dann eben als Abgabe oder Steuer auf das schädliche Verhalten erhoben.
Im Fall der Flugsteuer gibt es hier nur zwei klitzekleine Probleme. Erstens: Die Kosten sind bereits internalisiert. Denn der Flugverkehr unterliegt schon seit 2012 dem Emissionshandel. Das bedeutet, Fluggesellschaften müssen Zertifikate kaufen, die ihnen sozusagen das Recht verleihen, CO2 zu emittieren. Der Anteil des Flugverkehrs am weltweiten CO2 Ausstoß beträgt lediglich drei Prozent.
Wir dürften also bezweifeln, ob das Einstellen von einigen Flugverbindungen wirklich ein echter Beitrag zur Klimarettung ist. Zudem sind die meisten Fluggesellschaften dabei, für ihre zukünftigen Flotten den Antrieb auf Wasserstoff umzustellen. Damit werden sie klimaneutral fliegen. Die Ticketsteuer wird deswegen natürlich garantiert nicht wieder aufgehoben werden. Denn wie jetzt ziemlich klar ist, geht es gar nicht um Klimaschutz, sondern um Steuererhöhungen und Mehreinnahmen für die Staatskasse. Ironie der Geschichte: Die Partei in der Regierung, die sich zumindest öffentlich immer vehement gegen Steuererhöhungen ausspricht, steht gerade in den Umfragen bei dem gleichen Prozentwert wie die Fluggesellschaften beim globalen CO2 Ausstoß. Nämlich drei Prozent.
Die Kosten- und die Leidtragenden sind klar zu benennen: Es sind die inländischen, deutschen Fluggesellschaften, deren Heimatbasen nun mal Flughäfen in Deutschland sind. Ausländische Fluggesellschaften müssen zwar auch in Deutschland die Ticketsteuer zahlen, aber sie können natürlich einen Großteil ihrer Flüge auch über Flughäfen außerhalb Deutschlands abwickeln. Auch die deutschen Flughäfen gehören zu den Leidtragenden.
Und damit sind auch sämtliche Zulieferer und Dienstleister dieser Flughäfen gleich mit betroffen. Geschäftsreisende haben natürlich auch mehr Kosten zu stemmen. Am Ende laufen die höheren Reisekosten aber eben auch in den Kalkulationen von allen möglichen Unternehmen auf. Und das ist nicht unbedingt vorteilhaft.
Und es trifft natürlich diejenigen, die in ihren wohlverdienten Urlaub fliegen wollen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Familien – in beiden Fällen vor allen Dingen die mit geringem Einkommen – und genauso auch die Opas und Omas, die sich bei ihren meist mickrigen Renten, bald eben nicht mehr den Flug in den Urlaub leisten können. Zum Glück muss ich das nicht der Oma erklären, sondern das ist die Aufgabe meiner sozialdemokratischen Gesprächspartnerin.
* Prof. Dr. Andreas Moring ist Wirtschaftsprofessor an der International School of Management ISM in Hamburg.