Wenn die Evangelische Kirche ihren eigenen Glaubensschatz mit Füßen tritt

vor 16 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Der Bremer Pfarrer Olaf Latzel ist wohl der bekannteste konservative evangelische Pfarrer in Deutschland. Seine Gottesdienste werden auf Youtube regelmäßig angeschaut, manches Mal mit sechsstelligen Aufrufzahlen. Neben seiner Präsensgemeinde in Bremen ist Olaf Latzel somit zu dem Kopf einer „Internetkirche“ geworden, wo Christen sich die Impulse schenken lassen, die sie in ihren Heimatgemeinden nicht bekommen oder die in ihren Heimatgemeinden verachtet und bekämpft werden. Das Internet als neue Form der Kirche in Zeiten, wo die klassichen Kirchen versagen.

Egal wie man theologisch zu ihm steht, Olaf Latzel ist durch ein Gerichtsverfahren ein Fall für den Zustand unserer Gesellschaft und der evangelischen Kirche geworden. 2019 hat sich Latzel in einem Eheseminar in zwei Sätzen abwertend und mit unwürdigen Begriffen über die queere Ideologie geäußert. Die queere Szene hatte zuvor die Kirche Latzels mit Sachbeschädigungen und Propaganda-Schmierereien verunstaltet.

Latzel hat sich mehrfach für seine Aussagen öffentlich entschuldigt. Obwohl seine Äußerungen gegen die queere Ideologie wahrscheinlich in deutschen Moscheen mindestens genauso kritisch geäußert werden, musste sich Latzel vor Gericht wegen „Volksverhetzung“ verteidigen, während derlei predigende Imame unbehelligt bleiben. Das Verfahren endete nach 5 Jahren und mehreren Instanzen 2024 mit einem Vergleich, in dem Latzel sich bereiterklärte, 5.000 Euro Strafe an queere Lobbygruppen zu zahlen, um endlich gerichtlich Ruhe zu haben, um sich wieder ganz seiner seelsorgerlichen Aufgabe widmen zu können.

Doch wer dachte, dass damit die Sache gegessen sei, der irrte. Jetzt hat im Mai 2025 die Kirche noch einen obendrauf gesetzt. Seine eigene Landeskirche hatte sich niemals hinter ihren Pfarrer gestellt. Stattdessen möchte auch sie ihren Pfarrer erziehen. Olaf Latzel erfuhr über die Presse von folgendem Beschluss der Bremer Kirchenleitung = „Kirchenausschuss“.

„Nach sorgfältiger Prüfung aller relevanten Aspekte hat der Kirchenausschuss entschieden, die Bezüge von Pastor Olaf Latzel als Disziplinarmaßnahme um 5 Prozent für die Dauer von 48 Monaten zu kürzen. Diese Maßnahme trägt der Schwere des Verstoßes durch seine Äußerungen Rechnung und soll ihm über vier Jahre hinweg als Erinnerung und Mahnung für sein Fehlverhalten dienen. Die gekürzten Beträge werden Organisationen zur Verfügung gestellt, die als Anlaufstellen für queere Menschen dienen und wichtige Arbeit in diesem Bereich leisten.“

Latzel wird „nach sorgfältiger Prüfung aller relevanten Aspekte“ bei den üppigen Pfarrgehältern die Einbußen von monatlich ca. 350 Euro brutto und vielleicht 175 Euro Netto verkraften können.

Doch die entscheidenden Fragen für mich sind: Wieviel Jahrzehnte sollte ein Mensch nach Ansicht der Kirche für zwei falsche politische Sätze in seinem Leben büßen? Gibt es in der evangelischen Kirche so etwas wie „Vergebung“, wenn ein Mensch seine Worte aufrichtig bereut und er gesellschaftlich bereits zu Genüge dafür bestraft wurde? Nimmt die evangelische Kirche rotgrüne Haltung wichtiger als ihr christliches Kerngeschäft der Vergebung? Glaubt die evangelische Kirche nicht mehr an die evangelische Arzenei der Versöhnung?

Das wäre ein tiefgreifendes kirchliches Armutszeugnis, das weit schwerer wöge als die zwei missratenen Sätze von Olaf Latzel. Das kirchliche Disziplinarverhalten wäre Ausdruck für die religiöse Selbstaufgabe und christliche Irrelevanz der evangelischen Amtskirche.

„Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit.“

(1. Johannes 1,9)

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