
Die evangelische Kirche hat ein Schaufenster, mit dem sie sich und ihre wichtigsten Anliegen der Öffentlichkeit präsentiert. Das Schaufenster ist der Abschlussgottesdienst des Kirchentags. Einer der wenigen Gottesdienste, der noch ein bisschen über die kirchlichen Grenzen hinaus von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Dieses Schaufenster ist eine Chance, sich werbewirksam der Öffentlichkeit vorzustellen.
Die Schaufenster-Dekorateure kommen seit Jahrzehnten aus dem gesichert rot-grün-extremen Spektrum. Das ist der evangelischen Kirchen zentral wichtig. Blau ist pfui. Rot-grün ist hui. Von daher stehen die alles dominierenden Farben im Schaufenster bereits von vornherein fest. Und Klima-Weltuntergangs-Apokalyptik ist garantiert. Interessant sind alle zwei Jahre lediglich die jeweiligen Feinheiten und Akzente.
2025 in Hannover ist die Schaufensterpredigerin aus den USA eingeflogen worden. Damit ist von vornherein klar: Es wird um Hass und Hetze gegen die Trump-Regierung gehen. Und die lassen auch nicht lange auf sich warten. Die Predigerin hetzt gegen J. D. Vance und seinen „erbärmlichen kleinen Rassismus“. Natürlich unter dem Beifall der Zuhörer. Die rot-grüne Kirchentagsblase weiß, wer die Guten und die Bösen sind.
Was hat der Mann mit dem „erbärmlichen kleinen Rassismus“ gesagt, dass die Schaufensterpredigerin sich so über ihn in Rage redet? J. D. Vance hat von einer „Ordnung der Liebe“ gesprochen: „Du liebst deine Familie, dann liebst du deinen Nachbarn, dann liebst du deine Gemeinschaft, und dann liebst du deine Mitbürger in einem Land.“ Und erst dann könne man sich um den Rest der Welt kümmern.
Die Predigerin brandmarkt das als „kleinkarierte Liebe“, die „Mauern und Gräben“ ziehe. Diese Liebe sei so „klein und eng, bis sie von Ausgrenzung und Feindschaft nicht mehr zu unterscheiden ist“.
Jetzt bin ich aber verwirrt.
Die Schaufensterpredigerin liebt die ganze Menschheit. Alle Menschen seien gleich und müssten gleich geliebt werden. Die Frage, ob die Kräfte dafür reichen, stellt sie nicht. Jede Differenzierung ist „kleinkarierte Liebe“. Die Predigerin beruft sich auf Papst Franziskus, der auch für die universale Liebe eingestanden sei. Franziskus hatte allerdings keine eigene Familie gegründet; zudem schien ihm sein Vatikanstaat wichtiger zu sein als manche Flüchtlinge, denn ansonsten hätte er ja den Vatikanstaat lukrativ verkauft, um Flüchtlingen optimal helfen zu können. De facto hatte Franziskus also auch eine „Ordnung der Liebe“. Gott sei Dank!
J. D. Vance sieht dagegen den einzelnen und konkreten Menschen. Dieser konkrete Mensch ist in bestimmten Bezügen eingebettet, denen er ethisch verantwortlich und verpflichtet ist. Und dabei sind die Ressourcen limitiert. Die meisten Menschen haben nicht genug Geld, um fremde Menschen wie ihre eigenen Kinder verwöhnen zu können. Auch die Kirchen können nur relativ wenig Geld in die Entwicklungshilfe geben, weil sie die Versorgungskasse der verbeamteten und beihilfeberechtigten Pfarrer über Wasser halten müssen. Und auch Deutschlands Sozialkassen reichen leider nicht aus für all die Not auf dieser Welt. Der Kuchen ist begrenzt.
„Wer die Menschheit kennt, der hat noch lange nicht die leiseste Ahnung von einem einzelnen Menschen“, sagt „Der brave Soldat Schwejk“ (Roman von Jaroslav Hasek). Die Schaufensterpredigerin kennt die Menschheit. Und sie versucht mit der Liebe Gottes das halbwahre Narrativ von der Menschheitsfamilie als einzigwahr und gottgewollt aufzubauschen. Dabei merkt sie nicht, dass dabei der einzelne Mensch in seinen konkreten sozialen Einbindungen und Begrenzungen unter die Räder kommt. Die Schaufensterpredigt hat eine realitätsferne, abgehobene und darin inhumane Schlagseite.
Könnte es also sein, dass in dem US-Vizepräsidenten mit seinem „erbärmlichen kleinen Rassismus“ mehr christlicher Glaube drin ist als in dem Schaufenster der evangelischen Kirche?