
Das werteorientierte US-Frauenmagazin Evie treibt Linke zur Weißglut. Die Debatte ist nun auch in Deutschland angekommen: SZ, Spiegel und taz zerreißen die „Cosmopolitan für Konservative“. Die Triggerpunkte: Die Zeitschrift schreibt positiv über das Patriarchat, feiert das Frau-sein, verkauft ein „Rohmilch-Magd-Kleid“ und macht Reportagen über bekannte „tradwife“-Influencerinnen. NIUS traf Chefredakteurin Brittany Hugoboom zum Gespräch.
Brittany Hugoboom ist keine „tradwife“. Die 33-Jährige modelte für internationale Firmen wie Adidas, Apple oder Bebe, 2023 war sie Cover-Model der vietnamesischen Ausgabe des internationalen Modemagazins Harper's Bazaar. 2017 heiratete die Texanerin ihre Jugendliebe Gabriel Hugoboom. Gemeinsam betreiben sie das Evie-Magazin, das laut der Chefredakteurin 100 Millionen Aufrufe im Monat hat. Die Zeitschrift ist ein Onlinemedium, einmal im Jahr erscheint zusätzlich eine gedruckte Ausgabe. Ihr zweites Unternehmen ist „28“, eine Fitness- und Ernährungs-App für Frauen, die auf dem 28-tägigen Menstruationszyklus basiert und empfiehlt, mit hormoneller Verhütung aufzuhören. Ein Investor des Unternehmens ist Tech-Milliardär Peter Thiel.
Mit der Mutter zweier kleiner Töchter sollte man sich besser nicht anlegen: Hugoboom besitzt den schwarzen Gürtel in Taekwondo und erkämpfte sich den Bronze-Titel in der Kampfsportart bei den Olympischen Jugendspielen. Die Evie-Gründerin ist eine gefragte Interview-Partnerin. Das Magazin erlangte internationale Bekanntheit vor allem durch eine Reportage in der New York Times.
Hugoboom gründete „Evie“ 2019 – als Alternative zu gängigen feministischen Publikationen.
NIUS: Frau Hugoboom, Sie sind Chefredakteurin von Evie. Können Sie das Magazin in drei Sätzen beschreiben?Hugoboom: Es ist ein Magazin für Frauen, die Romantik lieben. Ich habe es mal als „konservatives Cosmo“ (Abkürzung für „Cosmopolitan Magazin“, Anm. d. Red.) beschrieben. Aber eigentlich ist es für Frauen, die Wahrheit, Schönheit und Romantik lieben.NIUS: Es gibt schon sehr viele Frauenzeitschriften am Markt. Warum haben Sie sich 2019 dazu entschieden, Evie zu gründen?
Hugoboom: Damals, in den 2010er-Jahren – ich weiß nicht, wie es in Deutschland war –, aber in den USA war das die Zeit, in der sehr linke Publikationen aufkamen, wie Jezebel, Refinery29, Vice. Die waren sehr feindlich eingestellt gegenüber Frauen, die konservativere, christliche Werte hatten. Für diese Frauen gab es einfach kein Medium. Viele von ihnen lieben Popkultur, Musik, Fernsehen – aber sie hatten den Eindruck, ihre Werte wurden von den Frauenzeitschriften gehasst. Deshalb haben wir Evie gestartet, weil es so ein Magazin nicht gab. Bis heute gibt es eigentlich nichts Vergleichbares.
NIUS: Sie hatten also den Eindruck, es gibt so viele linke Frauenmagazine – und da wollten Sie ein eher konservatives gründen?
Hugoboom: Ja. Ich würde gar nicht sagen, dass ich ein hyper-politisches Magazin gründen wollte, sondern eher eins, das konservative Werte nicht hasst. Viele andere Magazine haben Polygamie gepusht, Männerhass verbreitet – es war alles sehr einseitig. Wir dachten: Frauen sind doch interessanter als das. Evie hat einen großen Einfluss auf die US-amerikanische Kultur, mittlerweile sogar weltweit, was sehr cool ist.
NIUS: Welche Werte vertritt das Magazin genau?
Hugoboom: Tugenden wie Mut, Liebe, Opferbereitschaft, Selbstlosigkeit. Andere Magazine pushen Polygamie oder erklären, wie man den Partner betrügt, ohne erwischt zu werden. Wir dagegen wollten etwas für Frauen machen, die einfach gute Frauen sein wollen und die Romantik und Liebe lieben.
Evie verkörpert auch die Sehnsucht nach stabilen Beziehungen und einer anhaltenden Ehe.
NIUS: Welche Zielgruppe spricht Evie an?
Hugoboom: Unsere Zielgruppe sind Frauen zwischen 18 und 34. Die meisten Leserinnen, die ich treffe, sind in ihren Zwanzigern. Ich habe das Gefühl, es sind immer die hübschesten Frauen, die ich je gesehen habe (lacht laut) – und sie sind immer so nett und glücklich. Jedes Mal, wenn ich eine Evie-Leserin im echten Leben treffe, ist es diese wunderschöne, fröhliche, lebensfrohe Frau. Eine Journalistin fragte mich, ob ich damit sage, dass andere Frauen nicht so seien (lacht wieder) – das sage ich nicht. Aber ich war echt erstaunt, wie hübsch und nett Evie-Girls sind. Es sind die Frauen, die alle Männer daten wollen. Wenn du eine Evie-Leserin datest, dann hast du Glück im Leben.
NIUS: Auf der Evie-Website liest man das Motto: „Feiere Deine Weiblichkeit!“ oder auch „Das Evie Magazin ist die Zukunft der Weiblichkeit!“. Wie würdest du Weiblichkeit definieren?
Hugoboom: Ich denke, Weiblichkeit ist die Nutzung der einzigartigen Kräfte, die nur eine Frau hat. Wenn man sich die mächtigsten Frauen in der Geschichte ansieht oder auch in Filmen – Frauen wie Kleopatra oder Marilyn Monroe – jede mächtige Frau war sehr feminin und hat ihre Weiblichkeit genutzt, um erfolgreich zu sein. Im Westen herrscht ein sehr individualistisches Denken. Das ist sehr maskulin: „Mach dein Ding.“ Das ist zwar toll für Innovation, aber das Yin, von Yin und Yang, geht verloren, also Schönheit, Charme, Mühelosigkeit. Frauen können stundenlang ins Einkaufszentrum gehen oder sich einen Iced Coffee holen und sind dadurch einfach glücklich. Sie sehen ein Baby und freuen sich sofort. Dieses Finden von Freude in kleinen Dingen – ich glaube, das können Männer so nicht.
Eine Frau zu sein ist etwas Besonderes. Uns wurde aber lange gesagt, wir sollen das unterdrücken: „Zieh kein Kleid an, das ist schwach“, „Rede wie ein Mann, um voranzukommen“, „Sei streitbar“. Aber ich denke, die wahre Stärke der Frau liegt in ihrer Weiblichkeit.
NIUS: Können Sie Weiblichkeit noch etwas genauer beschreiben?
Hugoboom: Schönheit, Charme, Anmut, Sanftmut. Ich finde, auch ein Sinn für Staunen gehört dazu. Man sieht das oft in Filmen wie zum Beispiel in dem Disney-Pixar-Film „Oben“. Da gibt es diesen ernsten, verschlossenen Mann und daneben die abenteuerlustige, süße, fröhliche Frau. Es gibt eine Schönheit und Freude, die nur Frauen haben.
In den Jahren der Corona-Pandemie etablierte sich der Hashtag #tradwife. Damit ist eine Frau gemeint, die nicht arbeiten gehen möchte, um sich ganz Kindern, Ehemann und Haushalt widmen zu können. Die sozialen Medien sind geflutet mit Profilen von Frauen, die Kochtipps geben, ihre Wohnungseinrichtung herzeigen und davon erzählen, wie glücklich sie sind, keinem Büro-Job nachgehen zu müssen. Viele Zeitungsartikel berichten sehr kritisch über diesen Trend. Frauen machten sich dadurch abhängig vom Mann und seien im Alter armutsgefährdet. Oft heißt es überdies, „tradwifes“ wollen die antifeministischen 1950er Jahre wieder auferstehen lassen und propagieren ein rechtsradikales Weltbild.
NIUS: Wie steht Ihr Magazin zum Feminismus?
Hugoboom: Wir sind nicht feministisch. Ich finde, Feminismus ist heute irgendwie lahm. Es ist nicht mehr populär, es ist eher cringe. Also nein, wir sind keine Feministinnen.
NIUS: Reden wir über die Kritik am Evie-Magazin. Linke Medien kritisieren, dass Ihr Magazin antifeministisch sei. Ist Evie antifeministisch?
Hugoboom: Ja, aber wir sind pro Frauen, pro Weiblichkeit. Wir sind nur gegen dieses männerhassende, unglückliche, feministische Ding. Sie werfen uns immer vor: „Evie meint, Frauen sollen nicht arbeiten gehen.“ Aber das habe ich nie gesagt. Ich bin sehr für Arbeit, wie sie vor der industriellen Revolution war. Da hat man für das Wohl der Familie, den Familiennamen und das Familienerbe gearbeitet. Linke sagen, wir wollen, dass alles so ist wie in den 1950er Jahren. Ich weiß nicht, warum sie so besessen von den 1950ern sind. Da war es so: Die Frau blieb zuhause, der Mann ging ins Büro. Vor der industriellen Revolution aber haben Mann und Frau zusammengearbeitet. Das ist nicht „traditionell“ im Sinne der 1950er. Ganz ehrlich: Ich will gar nicht, dass mein Mann den ganzen Tag weg ist. Ich bin gerne in seiner Nähe.
Für das Magazin arbeitet Brittany mit ihrem Mann Gabriel zusammen.
NIUS: Sie und Ihr Mann bauen gemeinsam ein Business auf und arbeiten zusammen, oder?
Hugoboom: Ja, genau. Ich habe vielen meiner Freundinnen geholfen, aus Schulden herauszukommen – indem ich ihnen den Aktienmarkt und Krypto nähergebracht habe. Ich liebe es, wenn Frauen auch Geld verdienen. Ich denke nur, wenn man kleine Kinder hat, sollte man versuchen, so viel wie möglich bei ihnen zu sein. Deshalb habe ich mich in letzter Zeit auch beruflich zurückgenommen. Ich habe eine anderthalb- und eine dreieinhalbjährige Tochter und verbringe gerne Zeit mit ihnen. Gerade am Anfang ist es so wichtig, dass sie ihre Mutter haben.
NIUS: Aber was ist mit der ersten Welle des Feminismus im späten 19. Jahrhundert, als Frauen für grundlegende Rechte kämpften – etwa das Recht zu arbeiten, zu studieren oder zu wählen?
Hugoboom: Das sagen Leute oft. Aber im alten Ägypten, zum Beispiel, oder auch laut dem Kirchenrecht des 13. Jahrhunderts besaßen Frauen Eigentumsrechte und konnten arbeiten gehen. Auch im antiken Sparta besaßen Frauen viel Land. Viele tun so, als hätten Frauen bis zum Feminismus gar keine Rechte. Ich finde, das ist unfair und löscht Jahrtausende von Geschichte aus, in denen Frauen Großartiges geleistet haben. Auch Autorinnen wie Jane Austen oder Emily Dickinson – sie alle haben geschrieben, sie haben gearbeitet. Es war also nicht plötzlich etwas völlig Neues, nur wegen des aufkommenden Feminismus. Aber man stellt es gerne so dar.
NIUS: Glauben Sie, dass Frauen, wenn sie ehrlich zu sich selbst wären, eigentlich gerne zuhause bei den Kindern bleiben, ein liebevolles Zuhause schaffen und für die Familie sorgen würden?
Hugoboom: Ich glaube, viele Frauen würden das, ja. Aber jede Frau ist unterschiedlich. Ich arbeite gerne Teilzeit, meine Schwester gerne Vollzeit. Die einzigen Frauen, die wirklich nicht arbeiten müssen, sind Trophy Wives (Bezeichnung für eine attraktive Ehefrau eines wohlhabenden Mannes, Anm. d. Red.) – gut für sie! Das ist nicht der Normalfall, aber ich gönne es ihnen. Muttersein ist übrigens auch Arbeit – und keine leichte. Millennials und Gen Z haben es allerdings schwer: In jeder Großstadt – ob New York, London oder wahrscheinlich auch Berlin – müssen heute beide Eltern arbeiten, um Kinder großzuziehen. Das ist traurig. Schon in den letzten zehn Jahren sind die Kosten enorm gestiegen. Deshalb habe ich da viel Mitgefühl. Viele Frauen würden gerne Zuhause bleiben, können aber nicht. Andere wiederum arbeiten wirklich gerne – das ist auch toll.
NIUS: Als Chefredakteurin beschäftigen Sie sich viel mit Trends, Popkultur und Frauenthemen. Wie ticken junge Frauen heute? Was wollen Gen Z- und Millennial-Frauen?
Hugoboom: Gen Z und Millennials sind sehr unterschiedlich. Die Millennials über 35 stehen nicht alle auf „aspirational beauty“ (zu Deutsch ungefähr: „Schönheitsideale“), während Gen Z das liebt.
NIUS: Was ist mit „aspirational beauty“ gemeint?
Hugoboom: Das sind Frauen, die einfach unfassbar schön sind – so wie die Supermodels der 80er und 90er Jahre. Manche Ältere mögen das nicht wegen der Schönheitsideale. Aber Gen X und Gen Z stehen total darauf, während Millennials eher „relatable content“ (heißt übersetzt etwa: „alltägliche Inhalte“) mögen. Ich glaube, das hängt auch damit zusammen, dass Millennials in den frühen 2000ern aufgewachsen sind, die Zeit, als viele Medien Britney Spears und andere Stars als „fett“ oder „nicht in Form“ bezeichneten. Das hat sie geprägt.
NIUS: Fällt Ihnen sonst noch etwas auf? Welche Sehnsüchte haben junge Frauen heute?
Hugoboom: Viele Leserinnen schreiben mir, dass sie wegen Evie glücklicher sind, eine bessere Beziehung zu ihrem Ehemann haben, einen tollen Freund gefunden haben, mehr auf ihre Schönheit und Tugend achten. Junge Frauen wollen an die Ehe glauben, an Romantik. Die letzten Jahrzehnte haben kaum gute Vorbilder dafür geliefert, deshalb hatten viele einen eher düsteren Blick. Ich hoffe, dass Evie sie inspiriert: Ja, man kann eine schöne Ehe und ein schönes Leben haben. Wir romantisieren alles, und ich glaube, das ist gesund. Letztendlich sehnt sich jeder Mensch nach Liebe, Romantik und Schönheit. Unser Motto war von Anfang an: „Suche Wahrheit, finde Schönheit.“ Die beiden US-Influencerinnen Nara Smith und Hannah Nelemann kann man als „Königinnen der tradwifes“ bezeichnen. Das 23-jährige Model Nara Smith erwartet gerade ihr viertes Kind und wurde einem großen Publikum bekannt durch ihre ästhetischen Koch-Videos, die sie auf Instagram postet. Gekleidet in Designer-Roben, schneidet sie Tomaten, zerschlägt Eier und mischt Gewürze, begleitet von zarter Musik und Smiths sanfter Erklär-Stimme.
Die 35-jährige Ex-Balletttänzerin Hannah Nelemann lebt mit ihrem Mann Daniel und den acht gemeinsamen Kindern auf ihrer „Ballerina Farm“ in Utah, wo sie von Viehzucht, Verkauf von Fleisch- und Milchprodukten und einem Online-Shop leben. 2023 wurde die Mormonin zur „Mrs. America“ gekürt. Viele Kinder, Ehemann, Kochen, Erfolg: Stoff genug, um Linke damit auf die Palme zu bringen.
NIUS: Warum haben linke Medien so einen Hass und eine derartige Wut auf „Tradwives“? Oder konkreter: Warum fühlen sie sich so getriggert von erfolgreichen jungen Frauen wie Hannah Neeleman oder Nara Smith, die beruflich erfolgreich, aber gleichzeitig Hausfrauen sind, verheiratet und viele Kinder haben?
Hugoboom: Das müssten Sie sie fragen, ich weiß es wirklich nicht. Nara Smith ist wunderschön. Ihr Mann ist ein männliches Supermodel. Sie trägt immer teure Kleidung. Sie ist definitiv eine Art „Trophy-Tradwife“. Hannah ist eine sehr starke Frau. Sie ist nicht dieses Opfer, als das sie dargestellt wird. Ich glaube, Menschen sind im Allgemeinen leider negativer geworden. Sie wollen das Gute nicht sehen. Sie wollen glauben, dass niemand wirklich glücklich ist – weil sie selbst nicht glücklich sind.
Wenn sie dann eine Frau sehen, die tatsächlich glücklich ist, viele Kinder hat und wahrscheinlich gutes Geld verdient, heißt es sofort: „Ja, aber ihr Schwiegervater David Neeleman hat doch JetBlue gegründet.“ (JetBlue ist eine US-amerikanische Fluggesellschaft, Anm. d. Red.) Aber er hat ihnen nichts von diesem Geld gegeben. Er hatte selbst zehn Kinder. Hannah und ihr Mann haben das alles selbst aufgebaut. Das ist sehr schwer. Weil es so schwer ist, wollen die Leute glauben, es gäbe eine Abkürzung. Aber in diesem Fall gab es keine. Hannah war Balletttänzerin, und Tänzer sind disziplinierte Menschen. Sie und ihr Mann hatten große Träume für ihre Familie – und sie setzen das um und sind erfolgreich.
Ich verstehe nicht, warum die Leute da so negativ sind. Man sollte das feiern. Ich glaube, die Menschen wären glücklicher, wenn sie die Talente anderer mehr anerkennen würden. Viele sind nur frustriert, weil andere Fähigkeiten haben, die sie selbst nicht besitzen.
NIUS: Also glauben Sie, es ist Neid im Spiel?
Hugoboom: Ja, sehr viel Neid. Wenn es einen nicht aufregen würde, würde man einfach weiterscrollen. Aber die Tatsache, dass die Leute immer noch über unsere Cover-Reportage über Hannah Neeleman und ihre „Ballerina Farm“ reden – wir haben diese Story letztes Jahr fotografiert, und die Leute regen sich immer noch über das Cover-Bild auf, auf dem sie im weißen Kleid die Kuh melkt.
Das Cover, das den „American Dream“ zum Thema hat, sorgte für großes Aufsehen – weil es mit klassischen Bekleidungsstilen spielt.
NIUS: Warum ist Evie allgemein so ein Dorn im Auge linker Journalistinnen – auch in Deutschland?
Hugoboom: Ich glaube ehrlich gesagt, dass sie uns insgeheim mögen. Manche Journalistinnen, die vorher über mich geschimpft haben, haben mir später Nachrichten geschickt wie: „Hey, wir lieben dein Kleid“ oder „Wir fanden den Artikel ‚Warum ich glücklicher bin, wenn ich schlank bin‘ toll.“ Das ist wirklich lustig. Manchmal treffe ich Journalistinnen in Los Angeles oder New York. Die sind alle schlank, trinken ihre Detox-Säfte, geraten in Panik, wenn sie zwei Kilo zunehmen. Aber dann schreiben sie Artikel, in denen steht: „Brittany Hugoboom ist gegen Fettleibigkeit“ und in denen sie Body Positivity verteidigen – dabei entspricht das gar nicht ihrer persönlichen Meinung. Oder sie schreiben: „Brittany ist so polarisierend“, obwohl sie selbst genauso denken. Ich glaube, es geht oft nur um Klicks.
NIUS: Würden Sie sich selbst als „Tradwife“ bezeichnen?
Hugoboom: Nein. Ich glaube nicht, dass man eine „Tradwife“ sein kann, wenn man auf Social Media präsent ist – das widerspricht sich. Aber ich weiß, dass viele Medien das Label nutzen, weil es Klicks bringt. Hannah Neeleman und Nara Smith haben beide gesagt, dass sie keine „Tradwives“ sind, aber trotzdem werden sie so bezeichnet. Ich glaube, weil es gerade viele Klicks bringt.
NIUS: Warum muss man Frauen eigentlich immer etikettieren – entweder als „Tradwife“ oder als „Feministin“? Warum kann eine Frau nicht einfach nur eine Frau sein?
Hugoboom: Fragen Sie das die Feministinnen. Das ist eine wirklich gute Frage.
Als wir 2019 mit Evie starteten, hatten wir Artikel darüber, wie man in Aktien investieren kann. Aber Frauen klickten da nicht drauf – also habe ich es gelassen, obwohl ich Themen wie Aktien und Investieren liebe. Die meisten Frauen interessieren sich nicht dafür. 2020, während Covid19, tauchte der Begriff „Tradwife“ dann auf. In Los Angeles war Lockdown, alles war geschlossen – Kirchen, Pilates-Studios, Restaurants. Viele waren zuhause und dachten: „Ich lerne jetzt Brot backen“. Auf Instagram sah man plötzlich das Bild vom schönen Leben auf dem Land mit Familie. Und so kam dieser Hype auf.
Für viele war Covid19 eine traurige Zeit. Für mich persönlich auch: Mein Onkel starb an Krebs, meine Cousine bei einem Autounfall. Der Fahrer, der sie rammte, hatte durch die Corona-Maßnahmen seinen Job verloren und schrieb auf Facebook, dass er sich umbringen wolle, und raste in ihr Auto. Sie starb sofort. Niemand durfte zu ihrer Beerdigung kommen wegen der Maßnahmen. Ein Jahr später hieß es dann: „Alles gut, die Corona-Maßnahmen waren doch nicht so schlimm.“ Dabei ist mein Onkel allein im Krankenhaus gestorben, meine Cousine wurde ohne Verabschiedung beerdigt. Aber die Medien schrieben, Evie übertreibe bei der Corona-Berichterstattung. Das war eine seltsame, traurige Zeit – und in dieser Phase entstand der ganze „Tradwife“-Begriff.
NIUS: Haben Sie Frauen in Ihrem Leben, die für Sie Vorbilder sind?
Hugoboom: Meine Mutter ist für mich ein großes Vorbild. Mein Vater hatte vor einem Jahr einen schweren Autounfall – er lag drei Wochen im Koma. Meine Mutter war rund um die Uhr an seiner Seite. Sie verließ ihn nicht einmal, um zu duschen oder einen Kaffee zu holen. Sie saß einfach da, hielt seine Hand. Das war unglaublich bewegend und hat mir gezeigt, wie stark Liebe sein kann.
NIUS: Ein Vorwurf von links lautet, Evie verherrliche das Patriarchat. In Europa hat der Begriff, auch unter konservativen Frauen, eine negative Bedeutung. Man versteht darunter landläufig eine Welt, die von Männern dominiert wird, in der Männer Frauen kontrollieren, Frauen nichts zu sagen haben, keine Freiheiten besitzen und Hausfrauen sein müssen. Ich habe Evie-Artikel über das Patriarchat gelesen und festgestellt, dass der Begriff hier eine völlig andere, positive Bedeutung hat. Können Sie erklären, was Evie unter „Patriarchat“ versteht?
Hugoboom: Kennen Sie Camille Paglia?
NIUS: Nein.
Hugoboom: Sie ist eine fantastische Denkerin. Sie ist eine lesbische Atheistin, aber sie hat ein großartiges Verständnis von Geschlechtern, vom Männlichen und Weiblichen. Sie sagt zum Beispiel: Ohne das Patriarchat hätten wir keine Straßen. Wir hätten keine Gebäude, keine Supermärkte – unsere Fähigkeit, einfach in ein Geschäft zu gehen und alles zu bekommen, beruhe darauf, dass Männer all das gebaut haben. Sehr oft tun Männer das auch, weil sie Frauen lieben. Ich glaube, Frauen sind eine treibende Kraft in der Gesellschaft.
Aber Männer auch. In New York sehe ich all die Männer auf den Baustellen, die an Hochhäusern arbeiten – das möchte ich nicht machen. Da denke ich: Gott sei Dank, dass Männer das tun. In unserer Gesellschaft existiert eine gewisse Undankbarkeit für das, was Männer geschaffen haben. Das Patriarchat wird dargestellt, als sei es etwas Böses: Männer kontrollieren alles und Frauen haben nichts zu sagen. Männer, die sich so verhalten, sind entartete Männer – kein tugendhafter Mann verhält sich so. Es ist eine sehr merkwürdige Verteufelung. Camille Paglia kann das allerdings viel besser erklären als ich.
NIUS: Laut Evie ist das Patriarchat also eine Welt, in der Männer Verantwortung übernehmen, Tugend zeigen und sich kümmern? Kann man das so sagen?
Hugoboom: Genau. Ich bin dankbar für das, was Männer aufgebaut haben, und ich bin dankbar für Männer, die uns vor dem Bösen und schlechten Menschen beschützen. Ich bin einfach dankbar für gute Männer.
NIUS: Wir müssen über Evies „Rohmilch-Magd-Kleid“ sprechen, weil es so viel mediale Aufregung darüber gab.
Hugoboom: Es gibt eigentlich über alles, was wir machen, Aufregung. Die Washington Post hatte vor ein paar Wochen sogar eine Titelstory über uns: „Ist das Blumenkleid politisch?“ – und es ging um unser Rohmilch-Magd-Kleid. Die Antibabypille ist politisch, weil Evie darüber geschrieben hat. Sommerkleider sind politisch, weil Evie eins verkauft. Alles, was Evie macht, ist politisch. Das ist einfach absurd.
Konservativ – und doch sexy: Das „Evie“-Magazin will klassische Klischees durchbrechen.
NIUS: Diese Art von Sommerkleid, das oft als „Milchmagd-Kleid“ bezeichnet wird, ist eigentlich ziemlich „in“ gerade und man findet es in fast jedem Bekleidungsgeschäft. Können Sie mir kurz erzählen, wie Evie überhaupt auf die Idee kam, ein Kleid zu verkaufen?
Hugoboom: Wir haben schon 2024 ein Kleid entworfen. Wir nannten es das „perfekte Sonnenkleid“. Es ging sofort viral und war innerhalb von 48 Stunden ausverkauft. Und dann dachten wir: Statt einfach nur „Milchmagd-Kleid“, nennen wir das neue Kleid „Rohmilch-Magd-Kleid“. Wir sprachen ohnehin schon seit Jahren über Rohmilch. Für das erste Kleid hatten wir ein indisches und ein lateinamerikanisches Model. Für das „Rohmilch-Magd-Kleid“ dachte ich: Diesmal passt eine blonde Frau besser zur Ästhetik. Es war wieder ausverkauft – und verkaufte sich dreimal so oft wie das „Sonnenkleid“. Ein Riesenerfolg.
Einige Leute waren wütend, weil ich zugegeben habe: Es ist ein Kleid, das Männer gerne ansehen und Frauen gerne tragen. So etwas darf man angeblich nicht sagen. Frauen sollen sich ja nicht für Männer schön anziehen.
Kritiker nennen das „raw milkmaid dress“ eine typisch völkische Bekleidung.
NIUS: In einem kürzlich erschienenen Artikel der Süddeutschen Zeitung wurde das Evie-Magazin als rassistisch bezeichnet. Als Grund werden die Farbnamen des „Rohmilch-Magd-Kleids“ genannt: Man kann es in den Farben „Sugarfield Floral“ und „Cotton Candy Floral“ bestellen.
Hugoboom: Ich hatte noch nie gehört, dass „Cotton Candy“ (zu Deutsch: Zuckerwatte) rassistisch sein soll. Ist das in Deutschland so?
NIUS: Nein.
Hugoboom: Ich habe so gelacht darüber, und zwei meiner Brautjungfern auch. Die beiden sind Schwarz – nicht, dass das eine Rolle spielt, aber es war einfach lustig. Ich habe mexikanische Wurzeln, und einige Leute meinen: „Du bist nicht weiß“, andere sagen wieder: „Du bist weiß.“ Es ist einfach völlig durcheinander. Jedenfalls: Es gibt Millionen anderer Kleider in der Farbe „Zuckerwatte“, und die hat noch nie jemand rassistisch genannt. Aber wenn Evie ein Kleid so nennt, ist es plötzlich problematisch.
NIUS: Ich habe gelesen, dass ihr das Kleid mit dem Spruch: „Warnung: Wenn Du dieses Kleid trägst, könntest Du verhaftet werden wegen zu hohem Sexy-Faktor“ beworben habt. Stimmt das?
Hugoboom: Ja.
Hausarbeiten, Ehepflichten, aber auch Literatur und Kultur stehen im Fokus des Frauenbildes von Brittany Hugoboom.
NIUS: Was mir beim Durchsehen eurer Artikel aufgefallen ist: Für ein konservatives Magazin ist Evie alles andere als prüde. Wie passt das zusammen? Auf der einen Seite vertritt das Magazin konservative Werte, wie etwa bis zur Ehe mit Sex zu warten. Auf der anderen Seite verkauft ihr ein sehr freizügiges Kleid und gebt Sex-Tipps.
Hugoboom: An einer Freundin von mir sieht das Kleid überhaupt nicht so sexy aus. Sie sieht zwar umwerfend aus, aber es wirkt nicht verrucht. Ich glaube, es lag einfach an unserem Model, das sehr üppig ist. Grundsätzlich stehen wir für „aspirational beauty“ – also für ein Schönheitsideal, das Frauen inspiriert. Evie ist kein katholisches Magazin, aber ich bin katholisch.
Ich finde, dass der Katholizismus eine große Schönheit hat – man denke nur an die Sixtinische Kapelle. In den USA gibt es zudem so viele verschiedene konservative Strömungen: Amische, Quäker, Puritaner, Baptisten, „Trad-Katholiken“, Libertäre und viele mehr. Manche sagen: „So ein Kleid würde ich nie in die Kirche anziehen.“ Manche fanden es zu tief ausgeschnitten für die Kirche. Aber es ist ja kein Kirchenkleid, sondern ein Brunch-Kleid.
Und wenn du nach Miami gehst: Die Stadt ist stark von Brasilien beeinflusst. Dort ist die Kultur sehr sexy, aber gleichzeitig sehr katholisch.
NIUS: Einigen Kommentaren unter euren Instagram-Posts oder Reddit-Einträgen ist zu entnehmen, dass es manchen Leuten vor den Kopf stößt. Sie denken, konservativ und zugleich sexy sein passt nicht zusammen.
Hugoboom: Unsere Fotoshootings sind nie vulgär, aber sie setzen auf Schönheit. Es gibt insgesamt vielleicht zehn Artikel mit Sex-Tipps auf Evie. Aber genau diese paar Artikel greifen die Kritiker immer wieder heraus – dabei haben wir Tausende andere Beiträge. Es ist wirklich witzig, dass sie sich ausgerechnet daran festbeißen.
NIUS: Wie finanziert sich Evie? Über Abos oder habt ihr Investoren?
Hugoboom: Wir haben ein paar kleine Investoren. Aber größtenteils ist es selbstfinanziert. Wir verdienen Geld mit Abonnements, Werbung und Social Media. Das sind im Moment die Hauptquellen.
NIUS: Tech-Milliardär Peter Thiel ist ein Investor eures zweiten Unternehmens, einer zyklusbasierten Fitness- und Wellness-App für Frauen. Investiert er auch in Evie?
Hugoboom: Nein.
NIUS: Was plant Evie in der Zukunft?Hugoboom: Film, Fernsehen, mehr Produkte, wahrscheinlich mehr Kleider, Podcasts. Außerdem planen wir eine Sparte für fiktionale Bücher. Die sollen dann als Grundlage für Filme und Serien dienen – so ähnlich wie Reese Witherspoons Medienunternehmen Hello Sunshine.
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