
Auf der Plattform X (Twitter) verbreitet Steffen Seibert, seit 2022 deutscher Botschafter in Israel, eine Propaganda-Story über „drei erfrorene Babys“ in Gaza. Das sorgt in Jerusalem für Unmut – auch, weil es nicht der erste Fettnapf ist, in den Seibert tritt.
So skrupellos wie die Kriegsführung der Hamas und anderer Terrorgruppen in den palästinensischen Gebieten (Terror verbreiten, beim israelischen Gegenschlag sofort in die Opferrolle wechseln) ist die Propaganda, die seit Jahrzehnten als „Pallywood“ berüchtigt ist: Lügengeschichten über israelische Gräueltaten werden in die Welt gesetzt, „Augenzeugen“ berichten unter Tränen, für die Kameras werden dramatische Bilder inszeniert, oft mehr schlecht als recht.
Um die Parole „Kindermörder Israel“ zu befeuern, werden auch schon mal Puppen eingesetzt; geht es um „Opfer“-Zahlen, wird jeder Terrorist zum unschuldigen Zivilisten oder gleich zur Frau oder zum Kind. Bei unkritischen Geistern mit judenfeindlicher Schlagseite fällt die plumpe Propaganda jedoch auf fruchtbaren Boden.
Nun ist auch der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, darauf hereingefallen. Auf Englisch setzte Seibert am 2. Weihnachtstag folgenden Post ab: „Wenn uns Berichte über drei erfrorene Babys in Gaza nicht bewegen, dann verstehen wir weder die Geburt in einer Krippe in Bethlehem noch das Licht von Chanukka. Sie sollten uns dazu bewegen, ein Ende des Krieges und des Hamas-Terrors, Wintervorräte für die Gaza-Bewohner und die vollständige Freilassung der Geiseln zu fordern.“
Wobei die „Berichte“ bestenfalls unbestätigte Gerüchte sein dürften, was Seibert nach allerlei leidigen Erfahrungen mit dem palästinensischen Gesundheitsministerium (von der Hamas kontrolliert) eigentlich hätte wissen und entsprechend einordnen müssen. Pure Propaganda über den Beschuss von Krankenhäusern wurde auch von medizinischem Personal verbreitet, das von der Nutzung des Klinikgeländes als Hamas-Hauptquartier und Geiselversteck wusste.
Seibert bekräftigte mit seinem Post allerdings die Linie des Auswärtigen Amtes (AA), das betont maßregelnd auftritt, was die israelische Politik und militärisches Vorgehen betrifft, schließlich dient die Erzählung von den „drei erfrorenen Babys“ dazu, die Dringlichkeit eines Kriegsendes zu untermauern, das de facto aber die Vernichtung der Hamas verhindern würde.
Hinweise von X-Usern auf die zweistelligen Temperaturen im Gazastreifen, die Daunenjacke des Vaters und die Unmöglichkeit, sich als Säugling ohne Zähne in die Zunge zu beißen, gaben Seibert dann aber doch zu denken, und er legte am Abend nach: „Zu meinem letzten Beitrag: Ich weiß nicht genau, was passiert ist (und behaupte das auch nicht), aber ich kann mir vorstellen, dass ein schwaches Neugeborenes dort an Unterkühlung sterben könnte (9-10 Grad nachts in einem Zelt, der Boden kalt, Wind draußen). Das haben Ärzte in Gaza auch gesagt und ich glaube nicht, dass sie alle lügen.“
Seibert weiß es nicht genau, kann sich aber was vorstellen. Das ist, wenn man die Lunte an ein diplomatisches Pulverfass gelegt hat, mehr als dürftig. Entsprechend reagierte ein Sprecher des Außenministeriums, Oren Marmorstein: Er warf Seibert vor, sich nicht auf verifizierte Fakten, sondern Annahmen gestützt zu haben: „Es wurde bereits so oft bewiesen, dass Ärzte in Gaza Hamas-Propaganda statt Fakten veröffentlichen“, schrieb Marmorstein auf der Plattform X.
Ist das Baby tot? Und wenn ja, warum? Was tat der Vater? Mysterien Pallywoods.
Dass Seibert nicht glaubt, dass die Ärzte lügen, spricht auch eher für eine gewisse Naivität angesichts der Zustände vor Ort. Schließlich sind bereits genügend Ärzte als Lügner und sogar als Geiselnehmer oder aktive Mitglieder der Hamas in Erscheinung getreten. Selbst für anständige Ärzte dürfte es darüber hinaus unmöglich sein, sich dem Einfluss der Hamas zu entziehen oder sich gar von ihr zu distanzieren – was tödliche Folgen hätte. Schon für einen Journalisten wäre es mehr als fahrlässig, sich auf Aussagen wie die über „drei erfrorene Babys“ zu verlassen, ein Botschafter muss sich im Zweifelsfall auf die Zunge beißen (er könnte das), zumal ihm klar sein muss, welche Gruppen das einmal mehr radikal und hochemotional für ihre Zwecke nutzen werden. Die Mechanismen von „Pallywood“ dürften jedem aufmerksamen Beobachter bekannt sein.Oder haben wir es im Fall Seibert nicht mit Naivität, sondern Vorsatz zu tun? Vergessen wir nicht, dass er für elf Jahre (2010-2021) treue Dienste als Sprecher der Bundesregierung und Chef des Presse- und Informationsamts von der damaligen Bundeskanzlerin Merkel mit dem Botschafterposten in Tel Aviv belohnt worden war. Als Regierungssprecher verbreitete er unter anderem 2018 in der Bundespressekonferenz die Mär von „Zusammenrottungen, Hetzjagden auf Menschen anderen Aussehens, anderer Herkunft“ in Chemnitz.
Steffen Seibert verbreitete als Regierungssprecher selbst unbelegte Behauptungen.
Eine diplomatische Ausbildung besaß Seibert, der gelernter Journalist ist und vor allem als Moderator der „heute“-Nachrichten (2003 bis 2010) im ZDF bekannt wurde, im Gegensatz zu seiner Vorgängerin Susanne Wasum-Rainer, die ihre Arbeit geräuschlos erledigt hatte, nicht. Er kam aber nach seinem Amtsantritt im Juli 2022 zunächst in der israelischen Öffentlichkeit ganz gut an, zumal er sich bemühte, die Landessprache zu erlernen. Er zeigte auch durchaus Empathie für die Opfer, als am 7. Oktober 2023 tausende palästinensische Terroristen nach Israel eindrangen, dort ein unvorstellbares Massaker anrichteten und 250 Menschen in den Gazastreifen verschleppten.
Allerdings setzte sich der undiplomatisch auftretende Botschafter politisch immer wieder in die Nesseln, der jüngste Vorfall ist nicht der erste. Im Dezember 2022 hatte Seibert zusammen mit dem deutschen Gesandten in Ramallah, Oliver Owcza, die anti-israelische NGO „Ir Amim“ gepriesen, die Israel als „Apartheidstaat“ diffamiert. Ende Mai 2023 wurde Seibert ins Außenministerium in Jerusalem vorgeladen, nachdem er am Gedenktag für gefallene israelische Soldaten an einem „Alternativen Gedenktag“ teilgenommen hatte, der von linken NGOs organisiert wird und israelische Soldaten mit Terroristen gleichsetzt.
Im Herbst desselben Jahres tauchte ein Foto auf, das Seibert mit dem Linksradikalen Guy Hirschfeld vom „International Solidarity Movement“ zeigt. Dann mischte er sich noch in der Auseinandersetzung um die von der Regierung in Jerusalem geplante Justizreform in die israelische Innenpolitik ein, was zu einer weiteren Verstimmung führte.
Auch Annalena Baerbock trug schon ihren Teil zur Verstimmung zwischen Berlin und Jerusalem bei.
Seiberts Posts bei X fügen sich leider in das Bild ein, das das Auswärtige Amt im aktuellen Konflikt Israels mit seinen Todfeinden abgibt. Auch die Stellungnahmen des AA strotzen vor Vorverurteilungen und Belehrungen. Und schließlich trifft sich ja auch Außenministerin Annalena Baerbock gern und häufig mit ausgewiesenen „Israelkritikern“ (NIUS berichtete), wobei sie sich bis heute weigert, die Namen der Teilnehmer ihres bekannt gewordenen Dinners zu nennen. Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu würde sie gar verhaften lassen, wenn er deutschen Boden beträte.
Für die deutsch-israelischen Beziehungen bedeutet all das nichts Gutes.
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