EZB macht Druck beim Kontrollgeld

vor 19 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Unser bestehendes Bankensystem ist technisch nicht mehr auf dem neuesten Stand. Es ist prinzipiell inakzeptabel, dass in Zeiten des Digitalgeldes die Echtzeittransaktion nicht längst Standardprozess im Banking ist. Diesen Malus will nun die Europäische Zentralbank (EZB) aus der Welt schaffen, indem sie den sogenannten „digitalen Euro (CBDC)“ als neuen Zahlungsmechanismus einführt.

Der digitale Euro ist eine von der EZB entwickelte elektronische Variante des Euro, die als zusätzliches Zahlungsmittel neben Bargeld und bestehenden digitalen Lösungen dienen soll. Er unterscheidet sich von Kryptowährungen durch seine staatliche Kontrolle und rechtliche Verankerung. Bankkunden werden dann eine digitale Euro-Wallet, meist über ihre Hausbank, einrichten, in der sie digitale Euros verwalten können. Zahlungen sind dann per Smartphone, Smartwatch oder Computer möglich – sowohl im Geschäft, online als auch direkt von Person zu Person, und das in Echtzeit und in der Regel kostenlos. Soweit die Theorie.

Die Praxis stellt sich, wie so häufig in der Europäischen Union und in der Eurozone, komplexer dar. Die Geschäftsbanken hat man auf seine Seite gebracht, indem man ihnen die Rolle des Gatekeepers und der Wallet-Halter zuweist. Identitätsprüfungen (digitale ID) sowie die Kontrolle der Transfers obliegen dann ihrer Verantwortung. Allerdings werden weder Bürger noch Unternehmen in diesen grundlegenden Wandel einbezogen – ihre Meinung bleibt unerheblich. Statt demokratischer Mitbestimmung setzt man nun offenbar auf eine gezielte Charme-Offensive der EZB, die weniger informieren als vielmehr überzeugen soll.

In eindringlichem Ton rief Lagarde am Montag Europas Institutionen zum Schulterschluss auf – denn die Uhr ticke, so Lagarde: „Das Ziel ist, dass der digitale Euro bis Oktober 2025 einsatzbereit ist.“ Eine Währung, die nicht nur digitales Kleingeld sein soll, sondern Bollwerk gegen geopolitische Abhängigkeiten. Die EZB-Präsidentin macht keinen Hehl daraus: Es geht um nichts weniger als Europas monetäre Souveränität. „Wir werden nicht vorankommen, solange Parlament, Rat und Kommission nicht liefern.“ Der digitale Euro, so Lagarde, soll Bürgern und Unternehmen eine sichere Alternative bieten – vom Großhandel bis zum digitalen Portemonnaie. Ein Projekt, das Europas Zahlungsverkehr neu denken – und seine Wettbewerbsfähigkeit verteidigen soll.

Das ist wohlklingende Polit-Rhetorik in pastellfarbenem Ton – weich gezeichnet, inhaltsarm und letztlich irreführend.

Die Einführung eines digitalen Euro, der volle Transparenz über sämtliche Zahlungsvorgänge gewährt, ist nicht nur ein technisches Großprojekt – es handelt sich um einen tiefen Eingriff in die finanzielle Privatsphäre. Ein solcher Schritt sollte, so möchte man meinen, zumindest demokratisch legitimiert sein. Doch wie so oft in EU-Europa wird der Bürger nicht in den Entscheidungsprozess eingebunden. Der digitale Euro droht ohne jede direkte Legitimation zur Realität zu werden. Es ist das bekannte Verfahren: Entscheidungen fallen über die Köpfe der Menschen hinweg. Niemand wird befragt, ob er künftig ein digitales Geldsystem nutzen möchte, das sich, aller Wahrscheinlichkeit nach, zum einzigen verbleibenden Zugang zum Bankensystem entwickeln wird. Der digitale Euro wäre damit nicht nur ein optionales neues Zahlungsmittel – sondern ein obligatorisches Kontrollinstrument. Die EZB stiege so als Herrin sämtlicher Transaktionen zur mächtigsten Institution Europas auf.

Auf der technischen Seite dürfen wir Chaos erwarten, sollte es der EZB tatsächlich gelingen, dieses Großprojekt an den Start zu bringen. Hackerangriffe dürften von der ersten Minute an zur Realität des digitalen Euro gehören. Wir wissen aus der Vergangenheit, dass im Bereich der Blockchain-Technologie lediglich dezentrale Währungen wie Bitcoin resistent sind und Sicherheit gewähren. Transferplattformen wie beispielsweise Solana oder Ethereum hatten zu häufig Down-Zeiten und waren zu oft Opfer erfolgreicher Hacker-Angriffe, als dass sich dieser Standard durchsetzen würde.

Also steht die Frage im Raum, weshalb man es versucht, und weshalb in solcher Eile. Seinem Wesen nach wäre der digitale Euro programmierbares Geld, was so viel bedeutet wie: Der Zentralkörper EZB entscheidet im Zweifelsfall über die Legitimierung einer jeden Transaktion. Es wäre also ein leichtes, im Notfalle eine Kapitalflucht im Keim zu ersticken und jeden Transfer ins Ausland zu blockieren. Das ist der wahre Grund der Initiative der EZB. Neben der fiskalischen Simplifizierung der Besteuerung der Bürger wäre der digitale Euro die perfekte Kapitalverkehrsschranke.

Christine Lagardes Werbeauftritt bei Maischberger kann die Realität der Eurozone nicht übertünchen. Der Süden Europas steckt in einer tiefen fiskalischen Klemme.

Staatsschulden von 120 Prozent wie im Falle Spaniens, Frankreichs oder gar 140 Prozent wie in Italien und Griechenland werden über kurz oder lang die nächste Schuldenkrise auslösen. Wir haben bereits in den vergangenen Wochen erste Zeichen der heraufziehenden Schuldenkrise an den Anleihenmärkten erlebt. Japan hat große Probleme, seinen immensen Schuldenberg von 260 Prozent am BIP unter Kontrolle zu halten. Am langen Ende werden Anleihenbestände von großen Kapitalsammelstellen abgestoßen, die Zinsen steigen, die Refinanzierungskosten des staatlichen Schuldenbergs erreichen schwindelerregende Höhen.

Den Staaten der Eurozone ist es nicht gelungen, der Schuldendynamik nachhaltig Einhalt zu gebieten. Im Grunde stehen wir heute wieder an jenem kritischen Punkt, an dem wir uns bereits vor fünfzehn Jahren befanden – als das Vertrauen in die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen erodierte und sich binnen kürzester Zeit in schwere Marktturbulenzen übersetzte. Die alten Muster kehren zurück, nur unter neuen Vorzeichen. In Brüssel und im Frankfurter EZB-Tower scheint man nun der Überzeugung zu sein, der Schuldenproblematik mit Zwang und Kontrolle begegnen zu können. Ob sich diese Zwangstechnik tatsächlich als taugliches Mittel erweist, darf bezweifelt werden.

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