
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat auf ihrer jüngsten Sitzung eine weitere Zinssenkung beschlossen. Der sogenannte Einlagensatz, den Banken für bei der EZB geparktes Geld erhalten, wurde um 0,25 Prozentpunkte auf 3 Prozent gesenkt. Der Hauptrefinanzierungssatz, zu dem sich Banken frisches Geld bei der EZB leihen können, wurde ebenfalls gesenkt und liegt nun bei 3,15 Prozent. Damit setzt die Notenbank ihren im Juni 2024 begonnenen Kurs der geldpolitischen Lockerung fort. Damals lag der wichtige Hauptrefinanzierungssatz noch bei 4,5 Prozent.
Die Zinssenkung erfolgt in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld: Die Wirtschaft im Euroraum zeigt anhaltende Schwächen, gleichzeitig liegt die Inflation mit 2,3 Prozent immer noch über dem Inflationsziel von zwei Prozent.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte, dass die Notenbank alles tun werde, um die Inflation nachhaltig zu stabilisieren und gleichzeitig das Wirtschaftswachstum zu fördern.
Die vierte Zinssenkung in diesem Jahr bei weiterhin steigender Inflation wirft die Frage auf, was dies für die Kaufkraft, Immobilien und Exporte bedeutet.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde
Die Zinssenkung hat direkte und indirekte Auswirkungen auf die Kaufkraft der Bevölkerung im Euroraum.
Zunächst wirkt sich der niedrigere Einlagenzins auf die Zinsen aus, die Banken für Tages- und Festgeldkonten anbieten. Für Sparer bedeutet das in der Regel geringere Zinserträge, was den Vermögenserhalt gerade in Zeiten hoher Inflation erschwert. Der Kaufkrafterhalt wird bei niedrigeren Zinsen schwieriger.
Zudem setzt die Zinssenkung den Euro weiter unter Druck. Eine schwächere Währung verteuert Importgüter, von Energie über Technologie bis hin zu Konsumgütern. Das könnte dazu führen, dass die Inflation über die Importpreise angeheizt wird. Vor allem einkommensschwache Haushalte spüren den Preisanstieg bei Lebensmitteln und anderen Gütern des täglichen Bedarfs.
Seit Jahresbeginn hat der Euro gegenüber dem US-Dollar bereits mehr als 5 Prozent an Wert verloren. Wichtige Importgüter wie Öl oder Gas werden in US-Dollar gehandelt. Je schwächer der Euro, desto teurer werden diese Güter. Diese Güter werden in vielen Produktions- und Wirtschaftsprozessen eingesetzt, sodass höhere Kosten für diese Güter das Preisniveau nach oben treiben.
Auch für Deutsche, die gerne Urlaub im außereuropäischen Ausland machen, verteuert ein schwächerer Euro die Reisekosten.
Die Leitzinssenkungen wirken sich auch auf den Immobilienmarkt aus: Sinkende Finanzierungskosten machen Investitionen in Immobilien sowohl für Eigennutzer als auch für institutionelle Anleger attraktiver. Banken geben niedrigere Zinsen häufig in Form von günstigeren Bau- und Immobilienkrediten an Investoren und Bauherren weiter. Dies könnte insbesondere in Gebieten mit hoher Nachfrage nach Wohnraum zu einem Anstieg der Immobilienpreise führen.
Ebenso könnte es dazu beitragen, den Einbruch bei den Baugenehmigungen etwas zu bremsen. Allerdings ist das Zinsniveau nur einer von mehreren Faktoren, die über die Attraktivität von Bauinvestitionen entscheiden. Ebenso wichtig sind die Baupreise, die politischen Rahmenbedingungen und die gesamtwirtschaftliche Entwicklung.
Ein Bereich, der kurzfristig von sinkenden Zinsen profitieren könnte, ist die Exportwirtschaft. Günstigere Finanzierungsmöglichkeiten und ein schwächerer Euro machen europäische Produkte auf dem Weltmarkt günstiger und damit wettbewerbsfähiger. Insbesondere exportstarke Volkswirtschaften wie Deutschland könnten kurzfristig profitieren, da die Nachfrage nach Maschinen, Fahrzeugen und anderen Exportgütern steigen könnte. Die kurzfristig höhere Arbeitsplatzsicherheit in der Exportindustrie wird allerdings mit niedrigeren Reallöhnen erkauft.
Es gibt aber auch Risiken: Viele Unternehmen im Euroraum sind auf importierte Rohstoffe und Vorprodukte angewiesen. Eine Abwertung des Euro kann die Kosten für diese Importe erhöhen und damit die Margen der Unternehmen belasten. Besonders betroffen sind Branchen, die ohnehin unter hohen Energie- und Materialkosten leiden.
Nicht zu unterschätzen ist auch der langfristige Effekt einer schwächeren Währung. Je schwächer die eigene Währung ist, desto geringer ist der Effizienzdruck auf die heimische Wirtschaft. Je stärker die eigene Währung wird, desto besser und effizienter müssen die eigenen Produkte und Dienstleistungen werden, um auf dem Weltmarkt konkurrieren zu können. Dies hat in der Vergangenheit zur industriellen Stärke Deutschlands beigetragen.
Hinzu kommen geopolitische Unsicherheiten wie die mögliche Einführung neuer Handelszölle durch die USA oder andere protektionistische Maßnahmen. Solche Entwicklungen könnten die positiven Effekte des schwächeren Euro auf die Exporte abschwächen. Auch sieht insbesondere der neue US-Präsident Donald Trump in schwächeren Fremdwährungen einen Grund für die Einführung von Zöllen.
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