
Handelskriege sind nur oberflächlich Auseinandersetzungen über Zölle und Warenströme. Tatsächlich geht es um Macht auf den Devisenmärkten – dort, wo geopolitische Konflikte unblutig, aber nicht selten mit verheerenden ökonomischen Folgen für die Verlierer ausgetragen werden. Das wohl prägnanteste Beispiel unserer Zeit: die gezielte Abwertung des chinesischen Yuan.
Hinter dem Mechanismus verbirgt sich mehr als bloße Währungspolitik: Er dient als Ventil für innenpolitische Spannungen, Kapitalfehlallokationen (Kollaps des Immobiliensektors) und Druck auf dem Arbeitsmarkt. Über den künstlich verbilligten Export werden diese Lasten zum Teil ins Ausland verlagert. Zugleich festigt die Kommunistische Partei ihre Macht im Binnenverhältnis. Die systematische Entwertung des Yuan verlangsamt den wirtschaftlichen Aufstieg einer kaufkraftstarken Mittelschicht, was den Wunsch nach politischer Partizipation evozierte. Daher weht der Wind in China.
Ein Blick auf den von US-Präsident Donald Trump entfesselten Handelskonflikt und die Einführung temporärer Zölle zeigt: Im Hintergrund des politischen Theaters bahnt sich eine Neuordnung der globalen Devisenmärkte an – ähnlich dem Plaza-Abkommen von 1985, als die G5-Staaten die Überbewertung des Dollar korrigierten, um Unwuchten im Handelsgeflecht zu beseitigen. Die USA sind nicht länger gewillt, die strukturelle Überbewertung des Dollar hinzunehmen – eine Folge seiner Rolle als Weltreservewährung. Donald Trump hat klargemacht: Die Zeit, in der die amerikanische Industrie zugunsten fremder Standorte ausgeblutet wurde, ist vorbei.
Trumps Zolloffensive zielt längst nicht nur auf China. Zwischen den beiden Supermächten dürfte über kurz oder lang eine Lösung zur Neuordnung der Handelsströme über den Devisenmechanismus gefunden werden, zu groß ist der drohende Schaden, den eine Eskalation nach sich zöge. Trumps eigentliches Augenmerk gilt der Europäischen Union – das hat er mehrfach unmissverständlich betont. „Wir haben ein Defizit von 350 Milliarden US-Dollar (mit der EU). Sie kaufen weder unsere Autos, noch unsere Agrargüter“, so Trump mit Blick auf die transatlantischen Handelsbeziehungen.
Diese leiden zusehends unter den versteckten Handelsbarrieren, Harmonisierungskatalogen und dem Normenprotektionismus der Europäer. Trump spricht offen von einer „harten Nuss“, wenn es darum geht, für faire Handelsbeziehungen mit der Europäischen Union zu sorgen. In diesem Kontext darf nicht übersehen werden, dass 75 Prozent der Zolleinnahmen der EU-Mitgliedstaaten direkt in den Haushalt der Europäischen Kommission von Ursula von der Leyen fließen.
Die EU betreibt, sorgfältig verborgen unter Schlagworten wie dem „Green New Deal“ oder der Mobilitätswende, ein Subventionskraftwerk, das ohne Schwierigkeiten mit dem Interventionsmus Chinas vergleichbar ist. In diese Kategorie müssen wir auch den von europäischen Akteuren vehement verteidigten Protektionismus einordnen. Über die Zeit hat sich in der EU ein Anreizsystem etabliert, das mit aller Macht gegen externen Wettbewerb geschützt wird. Wenn Donald Trump von einer „harten Nuss“ spricht, zielt er genau auf diesen korporatistischen Komplex – das Zusammenspiel von mächtigen Industrieinteressen, zentraler Steuerung aus Brüssel und einer Verteidigung des Binnenmarktes mit einem Wall nicht-tarifärer Barrikaden.
Hinter dem europäischen Schutzwall geraten die Dinge in Bewegung. Nach Jahren der Brexit-Starre raufen sich Brüssel und London zusammen und suchen nun nach Auswegen aus den festgefahrenen Handelsgesprächen. Das 90-tägige Zollmoratorium der USA macht den Beteiligten offenbar Beine – eine Teil-Rückabwicklung des Brexits ist die faktische Konsequenz. Gemeinsam rüstet man sich für den bevorstehenden Verhandlungsmarathon mit Washington, vereint als Protektionistenfront. Doch in Washington hat man längst den passenden Hebel entdeckt, um die Festung EU zu durchbrechen: den Euro-Dollar-Markt und den Kreditmechanismus außerhalb des Fed-Verfügungsrahmens.
Mit dem Ende des LIBOR-Kontrakts, einem früher weltweit maßgeblichen Referenzzinssatz für kurzfristige Interbankkredite am 30. Juni 2023 und der Einführung der amerikanischen Alternative SOFR (Secured Overnight Financing Rate) haben die USA die Kontrolle über die Preisbildung für Dollarkredite vollständig in die eigene Hand genommen. Während der LIBOR-Kredit noch von europäischen Banken dominiert und durch deren Zinspolitik künstlich manipuliert werden konnte, basiert SOFR auf realen, besicherten Repo-Transaktionen im US-Markt – und gilt damit als weitgehend manipulationssicher. Dollarkredit wird in diesem Marktdesign teurer – ein Problem für die Europäer, die sich ökonomisch seit Jahren an den billigen Dollar-Kredit gewöhnt haben.
Die Vereinigten Staaten entziehen sich so gezielt dem Einfluss europäischer Institute, die bislang über niedrige Zinssätze nicht nur ihre eigene Solvenz verteidigten, sondern auch das globale Zinsgefüge verzerrten. Europa hat mit LIBOR ein zentrales Steuerungsinstrument über seine Dollarfinanzierung eingebüßt und steht vor der Herausforderung, sich einem streng marktbasierten Regime anzupassen.
Doch seit Montag ist klar: Die USA werden den Dollar noch anderweitig als scharfes Schwert einsetzen. Offenbar hat die Trump-Regierung im Tandem mit der Federal Reserve die bestehenden Dollar-Swap-Geschäfte mit der Eurozone eingefroren. Dabei handelt es sich um liquiditätssichernde Tauschgeschäfte zwischen Zentralbanken in US-Dollar. Euro-Banken können so nicht mehr kurzfristig auf Dollar-Liquidität zurückgreifen, wenn Knappheiten auftreten. Die EZB forderte von den Banken der Eurozone öffentlich ein Audit ihrer Dollarbestände und die Identifikation drohender Lücken. Hat die EZB damit versehentlich die asymmetrischen Machtverhältnisse zwischen Europa und den Vereinigten Staaten offengelegt? Die EZB wäre im Zweifelsfalle gezwungen, den Gang nach Canossa anzutreten und bei der Fed um Dollarkredit zu bitten (Discount Window).
Ob es sich um ein Kommunikationsmissverständnis oder eine undichte Stelle im Frankfurter EZB-Tower handelte, bleibt offen. Fest steht: Verantwortliche der Europäischen Zentralbank warnten europäische Geschäftsbanken coram publico vor einer drohenden Dollarknappheit. Ein Szenario mit gravierenden Folgen. Rund 17 bis 20 Prozent aller Kredite im Euroraum werden in US-Dollar notiert, der Außenhandel ist in weiten Teilen vom Zugang zur Leitwährung abhängig. Ein Versiegen dieser Quelle könnte Lieferketten zerreißen und den transatlantischen Handel in Teilen zum Erliegen bringen. Eines steht außer Frage: Donald Trump und die USA verfügen mit diesem finanzpolitischen Hebel über ein Druckmittel von erheblicher geopolitischer Sprengkraft.
Betten wir diesen Konflikt in das geopolitische Schachbrett ein, so wird deutlich: Die USA setzen ihre Währungsdominanz zunehmend offensiv ein und verschieben so die Machttektonik der globalen Ökonomie. Vor allem geopolitische Rivalen aus dem BRICS-Lager versuchen, sich aus der Dollar-Umklammerung zu lösen. Doch der Erfolg dieser Bestrebungen ist ungewiss. Das in Peking, Moskau und anderen Hauptstädten der BRICS angestrebte Alternativsystem soll ausgerechnet um den digitalen chinesischen Yuan verankert werden – einem Instrument absoluter staatlicher Kontrolle. Das Misstrauen selbst der engeren Partner Chinas ist greifbar, der Yuan nach wie vor als weltweiter Transaktionsmechanismus irrelevant. Lediglich 2,2 Prozent der weltweiten Devisenreserven werden in der chinesischen Währung gehalten. Noch immer dominiert der US-Dollar die Globalökonomie mit einem Reserveanteil von 57 Prozent. Der Versuch, dieses strukturelle Unbehagen der BRICS-Partner durch einen in Teilen goldgedeckten Abrechnungsmechanismus zu überwinden, bleibt ein währungspolitisches Himmelfahrtskommando.
Währenddessen müssen sich selbst enge Partner der USA mit einer unbequemen Realität arrangieren: Die sogenannten Dollar Swap Lines – also privilegierte Zugänge zur Dollar-Liquidität – bilden einen geopolitischen Faustpfand in den anstehenden Verhandlungen mit den USA. Brüssel täte gut daran, sich dieser Realität bewusst zu werden. Die Zeit des Euro-Protektionismus läuft ab – zum Wohle der europäischen Verbraucher und der eigenen wirtschaftlichen Resilienz.
Thomas Kolbe, Volkswirt und freier Autor, widmet sich schwerpunktmäßig ökonomischen Prozessen und beobachtet geopolitische Ereignisse aus dem Blickwinkel der Kapitalmärkte.