
„Top Gun: Maverick“-Regisseur Joseph Kosinski verlegt sich von der Luft auf den Asphalt – und bringt Brad Pitt als gealterten, aber unerschütterlich coolen Rennfahrer zurück auf die Leinwand. Ein Film, der stilistisch auch gut in die 90er gepasst hätte – testosterongetränkt, klassisch erzählt, und ganz bewusst old school.
Nach dem sensationellen Erfolg von „Top Gun“ in den 80ern wollte man in Hollywood gern einen ähnlichen Blockbuster aus der Retorte zaubern – und kam nach „Cocktail“ („Top Gun“ hinter der Theke) auf die Idee, es doch mal mit Autorennen zu versuchen. So entstand „Days of Thunder“ („Top Gun“ auf Rädern), inszeniert vom legendären Tony Scott, geschrieben vom ebensolchen Drehbuchautor Robert Towne („Chinatown)“.
Sonny Hayes (Brad Pitt) soll zu neuen Erfolgen fahren.
Immerhin bescherte der Film Tom Cruise seine zweite Ehefrau, Nicole Kidman, aber im Getriebe des Rennfahrerfilms knirschte es, wenn man bösen Zungen glauben schenken mag, deutlich mehr als im heimischen Ehebett des kurz darauf getrauten und später geschiedenen Paares.
Nun ist „F1“ in den Kinos, ein Rennfahrerfilm aus der Feder und Regie des „Top Gun: Maverick“-Regisseurs Joseph Kosinski, der einem uns nicht unbekannten Schema folgt. Weil ein junger Rennfahrer es in der Elite des Rennsports nicht so packt, holt sich sein Teamchef einen alten Rivalen, um Leben in sein vom Bankrott bedrohtes Rennteam zu bringen. Und was für einen. Sonny Hayes (Brad Pitt) ist ein Säufer, ein Glücksspieler und er lebt in seinem Minibus. Aber er kann Auto fahren – und gewinnt mal recht problemlos ein Rennen wie Daytona. Sein junger Teamkollege (Damson Idris) zeigt enormes Talent, ist aber zu sehr mit sich und seinen PR-Terminen beschäftigt, um dieses zu nutzen.
Was den Filmemachern hoch anzurechnen ist – hier wird mal endlich nicht schwarz gegen weiß ausgespielt, sondern alt gegen jung.
Damson Idris spielt in „F1“ den aufstrebenden Joshua Pearce. Im Foto links ist Kerry Condon als Teammitglied Kate zu sehen.
Vom Abgrund zu neuen Rennerfolgen
Die sind großartig, was auch notwendig ist, da es ganze neun von ihnen gibt – wobei einige etwas abgekürzt werden. Sie sind spektakulär, spannend und auf der Höhe der jetzt schon an der Obergrenze grätschenden Technologie der Computeranimation und des physisch Filmbaren.
Natürlich fehlen bei einem Film über Autorennen ebendiese nicht.
Vorwissen sollte aber da sein. Wer sich fragt, warum man hier ständig Reifen wechselt, da der TÜV doch erst in zwei Jahren ist oder nach EU-Willen bald jährlich, ist im falschen Film. Hier ist viel Technik mit im Spiel, aber gut erklärt und – dank Lewis Hamilton – so realistisch wie nur möglich. Und klar, alles entscheidet sich erst im letzten Rennen, aber das ist kein Spoiler, sondern ein Hollywood-Klischee.
Die Dialoge sind solide, eine Liebesszene kurz, aber charmant und mit einem Augenzwinkern angebahnt. Auch die klassischen Bösewichte aus der Welt des großen Geldes dürfen nicht fehlen – Investoren, die trotz Finanzmacht zusehen müssen, wie die wahren Helden den Ausgang der Story auf dem Asphalt entscheiden.
Brad Pitt als Rennfahrer-Legende
Rennfahr-Fans sind hier eindeutig im Vorteil. Hier wird gerast, hier raucht das Gummi auf dem Asphalt, hier geht es um den Sieg – mano a mano. Es gibt aber auch einige sehr gute Frauencharaktere, die wir in den 80ern und 90ern nicht so gefunden hätten. Kluge Ingenieurinnen, toughe Boxenfrauen, liebende Mütter. Alles passt.
Ein Kinobesuch ist inzwischen ein ziemlich teurer Zeitvertreib und wir sollten nicht vergessen, warum das Kino erfunden wurde. Um die Massen von der Trägheit und Trübheit ihres alltäglichen Lebens abzulenken. Und das erfüllt „F1“. Wir können schon lange nicht mehr immer so schnell fahren, wie wir möchten – und dürfen es bald vielleicht auch nicht mehr, selbst wenn die Fahrbahn frei ist. Dann gönnen wir uns den Spaß doch einfach im Kino.
Hollywood wird nicht zu Unrecht als Traumfabrik bezeichnet. Wer von Geschwindigkeit träumt, bekommt sie hier im Überfluss.
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