Faeser-Meme und Fall Bendels sorgen international für Aufsehen

vor 14 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Die Affäre um das Urteil gegen den Chefredakteur des Deutschland-Kurier, David Bendels, dem die Verbreitung eines satirischen Memes vorgeworfen wird, schlägt nun auch international Wellen. Vor allem in Portugal, Spanien, Brasilien, den USA und dem Vereinigten Königreich, auch in den Niederlanden wird das Geschehen berichtet und kommentiert.

Die Kritik trägt quasi die Würze des Atlantiks: Ehemalige Seemächte und ihre nun eigenständigen Kolonien werfen einen Blick auf ein mitteleuropäisches Land, das heute eher verwaltet als politisch geführt wird. Politischer Streit über Grundsätzliches? Weitgehend Fehlanzeige. Die Neufassung des Paragraphen 188 StGB, die mehr als nur von ferne an den Tatbestand der Majestätsbeleidigung erinnert, bedeutet, dass Politiker im Grunde gar nicht mehr kritisiert werden können oder zumindest nicht sollen. Wie stark das Recht eines Politikers auf einen schadlosen Ruf reicht, entscheidet jeweils ein Gericht.

Bendels wurde vom Amtsgericht Bamberg zu sieben Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 210 Tagessätzen verurteilt, nachdem seine Zeitung ein bearbeitetes Bild von Nancy Faeser via X verbreitet hatte. Die veränderte Botschaft des Bildes lautet: „Ich hasse die Meinungsfreiheit!“ Das Urteil kann auch für Bendels’ Zeitung direkte Folgen haben. Es wirkt wie ein schleichender Maulkorb für Redaktion und Mitarbeiter. Ihnen allen wird so Vorsicht im Umgang mit den Regierenden nahegelegt.

Der politische Streit soll freilich nicht allein den Deutschen ausgetrieben werden. Dieselben Tendenzen finden sich nicht weniger an den freiheitsliebenden Küsten des Atlantiks. Und daher rührt im Grunde das internationale Interesse an diesem Fall. Sérgio Tavares, Betreiber einer portugiesischen Website, sagt gegenüber dem Deutschland-Kurier, er sei sehr traurig über die Nachricht, weil er die Freiheit liebe: „In einigen Ländern wird versucht, uns die Redefreiheit zu nehmen. Wir haben gesehen, was in Deutschland passiert, aber auch in Großbritannien während der Proteste. Wir haben Brasilien gesehen und viele andere Länder.“ Immer wieder gehe es darum, die sozialen Medien zu „regulieren“, um die freie Rede zum Verstummen zu bringen.

Gleichzeitig sieht Tavares eine globale Bewegung von Menschen, die gegen diese Entwicklung ankämpfen. Hier denkt der ungebundene Journalist vor allem an konservative Bewegungen und Parteien der politischen Rechten. „Heute geht es um ein Meme, einen Witz, morgen vielleicht um etwas Ernsteres.“ Die Partei der Mächtigen könne anscheinend alles sagen, etwa dass Bolsonaro ein „Putschist“ ist oder dass Regierungskritiker „Extremisten“ seien. Den Kritikern sind dagegen keine Begriffe für die Mächtigen erlaubt. Der Kampf um Begriffe ist ein Kampf um die Deutungshoheit. Trotzdem ist Tavares am Ende optimistisch, dass die Dinge sich bald bessern werden.

Der brasilianische Journalist Max Cardoso ist entsetzt, dass es in Deutschland tatsächlich ein Gesetz gibt, dass die Kritik an Politikern unter Strafe stellt. Schnell kommen Cardoso und die interviewende Journalistin überein, dass der dystopische Roman „1984“ ein Modell für Tendenzen unserer Gegenwart zu sein scheint. Es gebe eine Tendenz hin zu einer Gehorsamserwartung gegenüber dem Staat, die Bürger sollen zu Robotern degradiert werden. Sogar der Ausdruck von

Ärger über die eigene Regierung soll nicht mehr möglich sein. Man erinnert sich an die Schlacht zwischen einem Bundesrichter und Elon Musk, dem vorgeworfen wurde, „Fake-News“ eines Oppositionspolitikers unzensiert auf X stehen zu lassen. Der Richter ließ die Plattform zeitweise abstellen.

Die Entscheidung, ob eine bestimmte Nachricht eine Verfälschung ist oder nicht, ist dabei oft subjektiv und kaum allgemeingültig zu treffen. Stärker noch gehen die Meinungen auseinander, wo man sich der Karikatur und also der Kunst annähert. Das Faeser-Meme ist eine Art Karikatur. Sein Fehler soll darin bestehen, dass es zu realistisch ist. Die Photomontage stelle eine bewusst unwahre und verächtlich machende Tatsachenbehauptung dar, hat eine Gerichtssprecherin das Urteil erläutert. Das Publikum könne nicht unterscheiden, ob es sich um ein echtes Faeser-Meme oder dessen Abwandlung handele.

In Großbritannien verfolgt man das Geschehen mit umso größerer Aufmerksamkeit, als auch die Regierung von Keir Starmer schon seit einiger Zeit einen erbitterten Feldzug gegen die freie Rede in den sozialen Medien führt. Dabei werden oft unverhältnismäßige Strafen gegen unbescholtene Bürger verhängt, die der Premier ausdrücklich gefordert hat. Immer wieder wird über Hausbesuche durch uniformierte Beamte aus nichtigem Anlass berichtet.

Der Nachrichtensender mit konservativem Profil GB News schreibt über die Causa Bendels, es sei das „härteste Urteil, das jemals in der Bundesrepublik Deutschland gegen einen Journalisten wegen eines ‚Rededelikts‘ verhängt wurde“, wohlgemerkt in erster Instanz. Auch der Direktor der Free Speech Union und Tory-Peer Lord Young wird hier zitiert: „Die Ironie ist wirklich tot. Ermordet vom ‚liberalen‘ Autoritarismus.“ Ironie bedeutet Spott. Man kann, man darf die Mächtigen nicht mehr verspotten, wenn sie keine Ironie mehr verstehen.

Immer wieder wird auch auf den Fall jenes deutschen Rentners hingewiesen, der wegen seines Schwachkopf-Memes über Robert Habeck Besuch von der Polizei bekam. Allein Habeck und Baerbock haben bekanntlich tausende Klagen wegen übler Nachrede eingereicht, oder wie es Zoltán Kottász in The European Conservative schreibt: „aufgrund von vermeintlichen Online-Beleidigungen“. Denn all das ist so subjektiv, und früher standen Politiker über so etwas – manche müssen das noch heute praktizieren, etwa wenn sie „Nazischlampe“ genannt werden. Und natürlich hat Faeser die These des satirischen Bildchens mit ihrer Klage im Grunde bewiesen.

In einer Online-Diskussion auf Reddit meint ein Nutzer: „Wie kann das deutsche Volk es wagen, Memes von seinen Politikern zu machen, laut denen sie sich wie Tyrannen verhalten? Um zu beweisen, dass sie keine Tyrannen sind, werfen sie jeden ins Gefängnis, der sie einen Tyrannen nennt.“ Auch die Londoner Daily Mail berichtet und weist darauf hin, dass sogar der Ex-Maoist Alan Posener (heute Kolumnist der Zeit) das Meme „geschmacklos und provozierend“ fand, aber kein strafbares Vergehen darin erkennen konnte. Auch die Grüne Ricarda Lang hat ja auf X Protest eingelegt, dem Urteil fehle jede Verhältnismäßigkeit.

Die US-Seite Breitbart zitiert eine Analyse des Fines and Fees Justice Center (FFJC), das feststellte, dass Geldstrafen zwischen 31 und 90 Tagessätzen in Deutschland die Mehrheit der Fälle bilden. Eine Strafe von über 90 Tagessätzen bedeutet außerdem, dass Bendels fortan als straffällig geworden gälte. Solange sie nicht zurückgenommen wird, stellt die Strafe daher einen effektiven „Maulkorb“ gegen Journalisten in Deutschland dar. Natürlich meint auch Breitbart, dass die Kritik, die JD Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz an europäischen Regierungen übte, nun umso gerechtfertigter erscheint.

Breitbart zitiert auch einen Tweet, den Björn Höcke bewusst auf Englisch absetzte: „Deutsche Politiker, die für die Deindustrialisierung unseres Landes und die Spaltung seiner Bürger verantwortlich sind“, hätten Deutschland „zur Lachnummer der Welt gemacht“. Immer wieder griffen sie „die Meinungsfreiheit an und beenden unsere rechtsstaatliche Demokratie“.

Der emeritierte Verfassungsrechtler Jos Teunissen aus den Niederlanden kommentiert die Nachricht auf X so: „Dies ist eine Reaktion auf Satire, die in Diktaturen üblich ist, nicht aber in einem demokratischen Rechtsstaat.“ Teunissen weist darauf hin, dass es unter Nancy Faeser zahllose „Aktionstage gegen Hassrede“ gegeben habe, bei denen „die Polizei Verdächtige von ‚Hasspostings‘ zu Hause aufsucht und gegebenenfalls deren Wohnung (insbesondere ihr Smartphone, Laptop, PC) gegen ihren Willen durchsucht“. Das entspricht durchaus der Realität in diesem Deutschland, und für Nancy Faeser ist das „genau das harte Vorgehen, das wir brauchen“.

Auch auf die neuerdings ausgreifende Gesetzgebung zu diesem Thema weist der emeritierte Rechtsprofessor hin und nennt den Begriff „Hasskriminalität“ eine „DDR-Wortschöpfung“. Sorge sei auch dafür getragen worden, dass „Inhalte, die mittels Informations- oder Kommunikationstechnik übertragen werden“, also Social Media, unter die neugeschaffene oder ausgeweitete Gesetzgebung fallen.

Die spanische Nachrichtenseite EDATV.NEWS https://edatv.news/politica/periodista-aleman-condenado-por-publicar-meme-x-mofandose-ministro schreibt: „Der Fall reiht sich in andere Vorfälle in Deutschland ein, etwa die Verfolgung eines Rentners wegen der Beleidigung eines Ministers in einem Meme. All das zeigt die Tendenz, Politiker gegenüber dem Recht auf öffentliche Kritik zu schützen. In einem Kontext zunehmender Polarisierung könnte das Schicksal von Bendels die Zukunft der Meinungsfreiheit in Europa bestimmen.“

Die Online-Zeitung La República erinnert wiederum an die Kritik des US-Vizepräsidenten JD Vance, der „die deutschen Sprachgesetze“ „Orwellsch“ bezeichnete – auch mit Bezug auf das Interview deutscher Staatsanwälte mit der US-TV-Sendung 60 Minutes. Im Zuge „einer Welle koordinierter Polizeirazzien in Deutschland“ (die schon genannten Aktionstage) seien „mehr als 50 Personen wegen der Verbreitung von Hassreden im Internet festgenommen“ worden.

Die Nachrichtenseite Hispanidad verweist auf das grundsätzlich ähnliche politische Personal in Spanien. Dem sozialistischen Ministerpräsident Pedro Sánchez wird durchaus zugetraut, es seinen deutschen Parteigenossen gleichzutun. Die liberal-konservative Tageszeitung La Gaceta zieht in ihrem Bericht das Fazit: „Politiker, die in einer echten Demokratie die legitimsten Adressaten öffentlicher Kritik sein sollten, sind in Deutschland etwas Besonderes und wichtiger als das gemeine Volk.“

Dass sich Politiker und Minister mit genehmen Gerichtsurteilen gegen Kritik oder beißenden Spott zur Wehr setzen, kann in der Tat als Tiefpunkt der bundesrepublikanischen, sogar der deutschen Geschichte überhaupt gelten. Übrigens fand schon Karl Marx, das Gothaer Programm von 1875 der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands, der späteren SPD, sei „durch und durch vom Untertanenglauben der Lassalleschen Sekte an den Staat verpestet“. Nichts hat sich also verändert in dieser SPD.

Tatsächlich stammt das Gesetz, nach dem Bendels nun verurteilt wurde, aus der Regierungszeit Angela Merkels. 2021 brachte Schwarz-Rot unter Merkel den Paragraphen 188 des Strafgesetzbuches in eine neue Form, die deutlich an den Paragraphen gegen Majestätsbeleidigung aus der Kaiserzeit erinnert: Im Zuge der Corona-Maßnahmen ging es den Regierenden darum, ‚Rededelikte‘ schärfer zu verfolgen. So darf nun „das öffentliche Wirken“ einer „Person des öffentlichen Lebens“ nicht „erheblich“ erschwert werden, was eine ins Lächerliche ausgeweitete Bestimmung für ein Strafgesetzbuch ist. Gilt es eigentlich auch für Fernsehsternchen, die eine Regierungsgala moderieren?

Im Koalitionsvertrag der neuen, geschrumpften schwarz-roten Koalition geht das Bullshit-Bingo weiter: Nun soll auch die „Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen“ nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt sein, wo es bisher ja nur gegen das üble Paar „Hass und Hetze“ gehen sollte (2023 soll es rund 8.000 Fälle von Hasspostings bundesweit gegeben haben). Die „staatsferne Medienaufsicht“ solle „unter Wahrung der Meinungsfreiheit … gegen Informationsmanipulation sowie Hass und Hetze vorgehen“. Die Medienanstalten bekämen demnach erweiterte Befugnisse, damit es keine übereifrigen Amtsrichter mehr braucht, um eine gewisse Unterdrückung der freien Meinungsäußerung durchzusetzen.

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