
Nachdem das Verwaltungsgericht Greifswald die Maßnahmen gegen die Schülerin Loretta B. für rechtswidrig erklärt hatte, verteidigte Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister, Christian Pegel, das Vorgehen. Am Mittwoch reagierte der SPD-Politiker in einer von der AfD einberufenen Aktuellen Stunde mit dem Titel „Keine staatlichen Übergriffe in unseren Schulen“ im Landtag auf die Vorwürfe gegen die Landesregierung, ein derartiges Vorgehen zu billigen.
Pegel gab zunächst zu verstehen, er würde die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts selbstverständlich akzeptieren. An der Vorgehensweise der Polizei sollte sich künftig dennoch nichts ändern: Denn die Streifenbeamten seien dauerhaft im Einsatz und hätten wenig Kontrolle über die eigenen Kapazitäten.
Es sei daher gut, dass Beamte und Schulleiter in Deutschland selbstständig handeln dürften, hielt Pegel fest. Er äußerte die „Bitte“ an die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern: „Machen Sie bitte weiter so“ und „jawohl, wir werden dann auch in Einzelfällen Gerichtsentscheidungen kriegen“. Er stellte sich hinter die Beamten und derartige Maßnahmen, die in seinen Augen vertretbar seien.
Denn die tatsächlich gerichtlich überprüften Polizeimaßnahmen seien im „kleinsten Promillebereich“. Deshalb sei „Nichthandeln der Polizei keine Alternative“. Es sei, so habe das Gericht entschieden, außerdem nicht gesetzeswidrig, dass die Polizei in eine Schule fährt und dort in Abwesenheit der Eltern mit einer Schülerin spricht, betonte Pegel.
Tatsächlich hatte das Gericht lediglich die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes infrage gestellt und erklärt, es habe andere Möglichkeiten gegeben. „Das Gespräch der Polizisten mit Loretta hätte auch zu Hause oder auf der Polizeiwache stattfinden können. Es ist nicht notwendig gewesen, sie vor aller Augen aus dem Unterricht zu holen und damit eine Stigmatisierungswirkung hervorzurufen“, begründete das Gericht seine Entscheidung, den Einsatz für rechtswidrig zu erklären (mehr dazu hier).
Pegel erklärte, er sei als „begeisterter Jurist“ der Meinung, dass man bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung möglicherweise auch zu einem anderen Schluss hätte kommen können. Der AfD machte er den Vorwurf, den Fall für die eigenen „perfiden Zwecke und Methoden“ zu nutzen. Dahingehend „verkauft“ die Partei die betroffene Familie, so Pegel, für die „Kampagnenstrategie“ der Partei.
Außerdem warf er der AfD vor, sich mit den betreffenden Polizeibeamten diejenigen als „Opfer“ auszusuchen, „die jeden Tag für uns einstehen“. Das sei „unanständig“ und „schäbig“. Hätte die Polizei einen Schüler für eine Abschiebung aus dem Unterricht entfernt, wäre die Reaktion der Partei vermutlich anders ausgefallen, mutmaßte der Innenminister überdies.
Er dankte den Einsatzkräften sowie dem Lehrpersonal in Mecklenburg-Vorpommern für ihre Arbeit und betonte die Wichtigkeit der Schule als Ort der Entwicklung, an dem Schüler zu meinungsvielfältigen Bürgern heranwachsen sollten.
Der Fall der damals 16-jährigen Loretta B. hatte im Frühjahr 2024 bundesweit für Aufregung gesorgt, nachdem die Polizei die Schülerin im Richard-Wossidlo-Gymnasium in Ribnitz-Damgarten aus dem Unterricht geholt und eine Gefährderansprache durchgeführt hatte. Der Direktor hatte die Beamten gerufen, weil Loretta B. mit dem Teilen von Videos angeblich extremistische Inhalte verbreitet haben könnte. Es ging um Sätze wie „In Deutschland wird Deutsch gesprochen“ und „Heimat, Freiheit, Tradition, Multikulti Endstation“.