
Sein Video ging um die Welt. Palästinensische Terroristen der Hamas haben ihn gezwungen, sein eigenes Grab zu schaufeln: Die israelische Geisel Evyatar David (24) ist bis auf die Knochen abgemagert, er erinnert an einen KZ-Überlebenden der Nazi-Zeit. Vor seiner Entführung war er ein sportlicher, fröhlicher Mensch. Jetzt ist sein Gesicht eingefallen, seine Augen vom Leid gezeichnet.
Die israelischen Geiseln erinnern an ausgehungerte KZ-Insassen.
NIUS hat mit seinem Bruder, Ilay David, gesprochen: Wie erträgt eine Familie so viel Leid, was muss jetzt unbedingt geschehen, was erwartet er von Deutschland?
Das ganze Interview mit Ilay David sehen Sie hier:
NIUS: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen. Eine Frage, die mir schwerfällt, aber die ich trotzdem stellen muss: Was waren Ihre Gedanken und Gefühle, als Sie das Video gesehen haben, in dem Ihr Bruder gezwungen wird, sein eigenes Grab zu schaufeln?
Ilay David: Um ehrlich zu sein, konnte ich das Video nicht ansehen. Meine Schwester und mein Vater haben es sich angesehen, sie konnten nicht anders. Sie mussten Evyatar sehen, sie mussten seine Stimme hören. Ich und meine Mutter, wir konnten nicht. Ich weiß, wenn ich dieses Video angesehen hätte, wäre ich zusammengebrochen. Und im Moment muss ich mich ganz auf die Rettung von Evyatars Leben konzentrieren. Denn wir wissen, dass er jetzt in Gefahr ist. Er könnte jeden Moment sterben. Es ist nur noch eine Frage von Tagen, und wir müssen sicherstellen, dass er die richtige Medizin bekommt und das richtige Essen, um zu überleben.
Die Geisel Evyatar David muss im neuen Hamas-Propagandavideo ihr eigenes Grab schaufeln.
NIUS: War das das erste Lebenszeichen seit Langem, das Sie erhalten haben – wenn auch ein sehr düsteres?
Ilay David: Das letzte Lebenszeichen, das wir hatten, war am 22. Februar. Im letzten Februar trafen wir seinen Freund Guy. Beide waren Geiseln, sie wurden beim Nova Musikfestival entführt. Sie mussten mit ansehen, wie andere Geiseln auf der Bühne freigelassen wurden. Sie saßen in einem Van und sahen zu, wie ihre Freunde freigelassen wurden, und dann bettelten sie um ihr Leben vor der Kamera. Wir dachten, das wäre der Höhepunkt der Grausamkeit. Wir dachten, das wäre der Höhepunkt der emotionalen Folter, die Hamas ihren Geiseln antun kann. Aber dann, vorgestern, erreichten wir einen neuen Höhepunkt der Unmenschlichkeit und Grausamkeit. Sie nahmen Evyatar, sie ließen ihn monatelang absichtlich in Gefangenschaft hungern. Auf dem Video sieht man, dass er sich kaum noch bewegen kann, kaum noch sprechen kann. Wir wissen, bei so einem immensen Hunger eine enorme Schmerzbelastung im ganzen Körper auftritt. Er ist am Verhungern, und Hamas benutzt ihn als Spielball in ihrem krankhaften, verdrehten Spiel. Es ist widerwärtig. Es sollten alle Anführer der Welt aufstehen und fordern, dass Evyatar die richtige Behandlung erhält und alle Geiseln nach Hause kommen.
NIUS: Wir kommen gleich noch zur Rolle der Politik, aber zuerst einmal: Mein Eindruck ist, dass viele Menschen im Westen immer noch nicht verstehen, mit wem Sie es da zu tun haben, wer diese Barbaren wirklich sind, was Hamas ist, was sie tun, wie rücksichtslos sie sind. Erzählen Sie es der Welt. Erzählen Sie es Deutschland. Erzählen Sie es allen. Mit wem hat Ihr Bruder es dort zu tun?
Ilay David: Wir haben Berichte gehört, dass er jetzt seit fast einem Jahr unterirdisch festgehalten wird. Die Hälfte der Zeit wurde er bis Juni 2024 oberirdisch festgehalten, dann wurde er in die Tunnel geschickt. Es sind mehr als ein Jahr in diesen dunklen Verliesen unter der Erde. Er wird misshandelt. Wie man in dem Video sehen kann, zu dem Punkt, dass sein menschliches Skelett – wir haben es im Video gesehen – so stark ausgemergelt ist, dass er kaum noch als Mensch zu erkennen ist. Die Terroristen selbst haben genug zu essen, man sieht die dicken Hände der Terroristen, die sich zu Evyatar ausstrecken. Diese Menschen haben genug zu essen. Sie leben gut. Sie haben viel zu essen, viel Wasser. Sie lassen meinen Bruder absichtlich hungern. Sie tun es auch mit anderen Geiseln, und sie tun es mit ihrem eigenen Volk. Sie benutzen all diese Menschenleben – ihr eigenes Volk und die Geiseln – als Schachfiguren in diesem unredlichen Spielen. Sie nutzen es als Propaganda, was krank ist. Hamas ist schlimmer als Al-Qaida. Sie sind schlimmer als der IS. Wir müssen sicherstellen, dass es ein Ende hat.
Evyatar David wird seit über 666 Tagen von den Terroristen der Hamas gefangen gehalten. Seine dünnen, abgemagerten Arme und Statur sind deutlich zu erkennen. Ebenso wie der wohlgenährte Arm seines Folterers, der ihm eine Dose reicht.
NIUS: Erzählen Sie uns von Ihrem Bruder. Erzählen Sie uns aus der Sicht Ihres Bruders, wer er ist, was ihm passiert ist, wie er in deren Hände geraten ist, und was jetzt getan werden muss, um ihn zu retten, um ihm Essen zu geben.
Ilay David: Er ist wirklich die freundlichste Person, die ich kenne. Er ist der beste Sohn für meine Eltern, und ich habe von ihm gelernt, wie man ein guter Sohn ist. Er ist erst 24 Jahre alt und hatte schon ein Ticket, um um die Welt zu reisen. Evyatar liebt Musik, und er ging mit seinen Freunden zum Nova Festival, um Spaß zu haben und zu feiern – es war ein Musikfestival. Er spielt gerne Gitarre, und wir haben jede Woche zusammen Musik gemacht, weil ich Klavier spiele und er Gitarre spielt. Wir lieben es, zusammen zu singen. Es war unsere Tradition, unsere Verbindung. Ich stelle mir diesen Moment vor, wenn er zurückkommt und wir wieder zusammen Musik machen können. Das einzige „Verbrechen“, das er begangen hat, war, am 7. Oktober mit seinen Freunden zu diesem Musikfestival zu gehen. Die Terroristen töteten seine Freunde und nahmen ihn und seinen besten Freund Guy Gilboa. Sie schickten sie direkt in die Gefängnisse von Gaza. Und sie haben es live übertragen. Noch am selben Tag hatten wir bereits Videos von Evyatar und Guy, die gefangen genommen wurden, auf denen sie schreckliche Angst hatten. Es war wieder Teil der Propaganda von Hamas. Jetzt muss die Welt verstehen, dass diese Gräueltaten nur noch schlimmer werden. Diese Gräueltaten begannen am 7. Oktober, aber sie gehen immer noch weiter. Evyatar wird bis an die Grenze des Todes gehungert, genauso wie die anderen. Es ist Teil ihrer Spiele. Sie versuchen, sie zu foltern, uns zu foltern, die ganze Welt zu foltern. Und wir müssen sicherstellen, dass sie die Behandlung bekommen, die sie brauchen.
Das Nova Musikfestival war eines der ersten Ziele in Israel, das am 7. Oktober von den Hamas Terroristen angegriffen wurde.s
NIUS: Gibt es eine Möglichkeit, ihnen diese Behandlung zukommen zu lassen? Ich meine, es scheint fast unmöglich, Hamas zu überzeugen, das Rote Kreuz oder jemand anderen hereinzulassen, um sicherzustellen, dass Ihr Bruder das bekommt, was er braucht, was er in Tagen oder nur in Stunden brauchen könnte. Was kann die Welt tun? Was ist jetzt wichtig zu verstehen und zu tun, damit Ihr Bruder und die anderen Geiseln in den Tunneln die Behandlung bekommen, die sie jetzt brauchen?
Ilay David: Ich denke, die Anführer der Welt sollten wissen, dass sie jetzt den ganzen Druck, den ganzen wirtschaftlichen, diplomatischen, militärischen Druck auf Hamas ausüben müssen, auf ihre Komplizen, auf die Vermittler. Wir müssen alles tun, was in unserer Macht steht. Wir müssen alles tun, um sicherzustellen, dass sie dem Roten Kreuz eine Chance geben, hereinzukommen und den Geiseln Behandlung zukommen zu lassen. Wir müssen sicherstellen, dass Hamas nicht die Kontrolle über die humanitäre Hilfe übernimmt. Wir müssen sicherstellen, dass alles getan wird, was notwendig ist.
NIUS: In Deutschland wird viel über die humanitäre Krise in Gaza gesprochen, aber wenig über die Geiseln. Ich möchte Sie fragen, was ist Ihre direkte Nachricht an den deutschen Bundeskanzler, Friedrich Merz, der vor einigen Wochen gesagt hat, dass er langsam die Geduld mit Israel verliert und nicht mehr versteht, was Israel durch diesen Krieg erreichen will? Was sagen Sie dem deutschen Kanzler Friedrich, wenn Sie sich diese erschreckenden Bilder von Ihrem Bruder ansehen?
Ilay David: Wir haben gesehen, dass Hamas das alles zu verantworten hat. Vor zwei Wochen gab es Verhandlungen zwischen Israel und Hamas, und wir hatten tatsächlich Hoffnung, dass wir eine Vereinbarung erreichen würden, die meinen Bruder und die anderen Geiseln rettet. Aber Hamas trat aus den Verhandlungen aus und startete seine eigene Hungerkampagne. Jetzt verstehen wir, dass Hamas nicht nur sein eigenes Volk hungern lässt, sondern auch meinen Bruder und alle anderen Geiseln. Und genau darüber sollten wir jetzt sprechen. Wir sollten darüber sprechen, wie Hamas die Waffen niederlegen und die Geiseln zurückgeben sollte. Das ist es, worüber wir jetzt sprechen sollten.
NIUS: Sie haben eben die Nahrungsmittelversorgung für die Kämpfer von Hamas erwähnt. Sie scheinen alle gut genährt zu sein. In dem Video von Ihrem Bruder gibt es eine erschreckende Szene, in der man die dicke Hand eines Hamas-Terroristen sehen kann, die eine Art Essen zu Ihrem Bruder hält. Wir wissen nicht, ob Ihr Bruder es essen darf oder nicht. Es ist offensichtliche Folter. Die deutsche Regierung versorgt jetzt Gaza aus der Luft mit Luftabwürfen. Und nach eigenen Schätzungen der deutschen Regierung, fallen 50 bis 100 Prozent dieser Hilfslieferungen in die Hände von Hamas. Ich nehme an, es muss für Sie entsetzlich sein, dass Deutschland die Entführer Ihres Bruders und die Terroristen versorgt, während sie Ihren Bruder verhungern lassen, richtig?
Hilfsgüter-Abwurf durch die Bundeswehr über Gaza
Ilay David: Es ist ein Skandal, dass die Hamas die Kontrolle über die Hilfe übernimmt, die den Menschen zugutekommen sollte. Sie sollte meinem Bruder und den anderen Geiseln zugutekommen. Wir müssen sicherstellen, dass es passiert.
NIUS: Und es gibt noch ein Zitat, das ich Ihnen vorlesen möchte, vom deutschen Außenminister. Ich möchte es Ihnen vorlesen, damit mehr Menschen hier Ihre Sichtweise verstehen, weil Sie gerade Hamas erwähnt haben, die Gaza aushungern. Der deutsche Außenminister und UNRWA behaupten, die Menschen in Gaza sterben aufgrund der israelischen Blockade an Durst und Hunger. Was ist Ihre Antwort darauf, während Ihr Bruder verhungert?
Ilay David: Israel tut alles, was sie kann, um Hilfe nach Gaza zu bringen. Aber Hamas übernimmt die Kontrolle. Hamas setzt eigene Blockaden für die Hilfe. Natürlich will Hamas die Kontrolle über sein Volk behalten, deshalb versucht sie auch, die Hilfe zu kontrollieren. Übrigens, ich habe mich mit dem US-Sonderbeauftragten Steve Witkoff getroffen. Er sagte das gleiche. Er hat das gleiche gesehen. Er war im Gazastreifen und hat gesehen, was dort passiert. Die Hamas ist verantwortlich dafür. Es ist ihre Schuld. Sie benutzen uns alle als Teil ihrer Propagandakampagne. Und natürlich gibt es Wut. Ich kann nicht anders, als wütend zu sein, aber es ist, weil Hamas es so will und sie entscheidet, wer lebt und wer stirbt. Wir müssen jetzt alles tun, um Druck auf sie auszuüben. Das ist der Grund, warum sie aus den Verhandlungen ausgestiegen sind. Deshalb haben sie dieses verdrehte, erschreckende Video veröffentlicht, in dem mein Bruder wie ein menschliches Skelett aussieht. Wir müssen dem ein Ende setzen.
Mitglieder der Al-Qassam Brigarden, dem militärischen Arm der Hamas, be der Übergabe von getöteten israelischen Geiseln.
NIUS: Sie wissen, die Bilder von Ihrem Bruder, der nicht viel mehr als ein Schatten, ein Skelett des Mannes ist, der er vor dem 7. Oktober war, haben für jeden Deutschen eine gewisse Schwere und Bedeutung. Man kann nicht anders, als an Menschen zu denken, die aus Konzentrationslagern befreit wurden, Menschen, die aus unterirdischen Konzentrationslagern befreit wurden wie Mittelbau-Dora. Und die befreiten Menschen, Juden, die aus diesen Lagern befreit wurden, sahen genau so aus. Zwei Tage zuvor gab es hier in Deutschland einen offenen Brief von 200 Schauspielern und Aktivisten an den Kanzler, in dem sie forderten, Sanktionen und Druck nicht auf Hamas, sondern auf Israel auszuüben, um jede Waffenlieferung zu stoppen und den Staat Israel zu isolieren. Können Sie diesen Menschen bitte erzählen, in welcher Situation Sie sich gerade befinden?
Ilay David: Wie Sie gesagt haben, ist das Erste, woran wir alle denken, wenn wir diese Bilder von Evyatar sehen, dass er wie ein Holocaust-Überlebender aussieht. Es sieht aus wie vor 80 Jahren, als die Konzentrationslager befreit wurden. In Hebräisch sagen wir „Nie wieder ist jetzt“. Es ist jetzt, und es schreit, dass wir die Geiseln jetzt retten müssen. Und jetzt ist Hamas der Nazi-Gegner. Das ist es, was jetzt passiert. Hamas ist der Nazi-Gegner und sie sind sogar schlimmer als die Nazis. Sie sind schlimmer als jede andere Organisation, die wir im Nahen Osten oder in Europa gesehen haben. Und ich weiß nicht, ob irgendjemand zuhört, aber ich werde überall schreien, bis die Leute merken und verstehen, wer der wahre Feind hier ist.
NIUS: Wir hören zu. Ich verspreche Ihnen, dass wir zuhören, und wir werden dafür sorgen, dass auch andere, sehr mächtige Menschen hören werden, was Sie sagen. Es ist alles unvorstellbar, was Sie und Ihre Familie durchmachen müssen. Dafür gibt es einfach keine Worte. Ich frage mich, gibt es irgendetwas in diesen Tagen, das Ihnen Hoffnung gibt? Es ist so bemerkenswert, so beeindruckend, wie Sie weiterkämpfen, wie Sie für Ihren Bruder in dieser Situation weiterkämpfen. Was gibt Ihnen Hoffnung?
Ilay David: Zuerst einmal danke. Am 7. Oktober, am selben Tag der Katastrophe, waren wir alle, meine Schwester, meine Eltern und ich, gebrochen. Wir waren in tausend Stücke zerschlagen, als wir sahen, wie er entführt wurde. Aber wir verstanden, dass er lebt, und wenn er lebt, können wir ihn noch retten. Und wir haben beschlossen, niemals aufzugeben, genauso wie er kämpft, weil er leben möchte. Wir haben kein Recht aufzugeben. Und wissen Sie was? Selbst in diesem Video, das Hamas kürzlich veröffentlicht hat, als man sieht, wie er so dünn ist, kaum noch in der Lage sich zu bewegen oder zu sprechen, ich weiß, dass er nicht aufgibt. Ich weiß, dass er immer noch daran glaubt, nach Hause zu kommen, um wieder Musik zu spielen, um seine Eltern zu umarmen, um seine kleine Schwester zu umarmen und seine Träume zu verwirklichen. Das hält ihn am Leben. Und wenn er überlebt und nicht die Hoffnung verloren hat, dürfen wir es auch nicht.
NIUS: Vielen Dank. Wir beten alle für den Tag, an dem er sicher und lebendig nach Hause kommt. Vielen Dank für das Gespräch.
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