Nigel Farage: Wir werden 1,2 Millionen Illegale abschieben

vor 5 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

In England ist mal wieder Wahlkampf, und es geht auch um etwas: Über 1600 Stadtbezirke und einige Bürgermeisterposten wird am heutigen Donnerstag, dem 1. Mai, entschieden. Vor allem aber hat sich die politische Stimmung seit den letzten Parlamentswahlen vollkommen gedreht, und dieser Zustand verfestigt sich gerade zunehmend. In aktuellen Umfragen kommen Labour und Tories zusammen nur noch auf knapp 45 Prozent der Stimmen und streiten sich um Platz zwei und drei. Reform hat auf bis zu 25 Prozent zugelegt.

Reform UK hat also gute Chancen, auch bei den Lokalwahlen etwas zu gewinnen. Es gilt das für Britannien normale First-past-the-post-System, das man auch als „The winner takes it all“ beschreiben kann. Nigel Farage, der mit einiger Unruhe in seiner Partei zu kämpfen hatte, versucht nun auch rhetorisch wieder in die Offensive zu kommen. Der Abgeordnete Rupert Lowe machte mit einigen Reden auf sich aufmerksam, in denen er die Tonart deutlich verschärfte. Die Zuwanderung wurde so wieder zum zentralen Thema von Reform UK, und Lösungen in Gestalt von massiven Abschiebungen kamen ins Blickfeld.

Lowe wurde im März aus der bis dahin fünfköpfigen Fraktion ausgeschlossen, nachdem er Farage mehrfach kritisiert hatte. Kurz darauf wurde Lowes private Schusswaffensammlung beschlagnahmt. Ihm wurden außerdem Belästigungen von Frauen wie Männern in seinem Team vorgeworfen. Solche Anwürfe sind schnell in die Welt gesetzt und bleiben gewöhnlich irgendwo kleben, selbst wenn die Ermittlungen sie nicht bestätigen. Gegenüber dem zweiten Mann in der Partei, Zia Yusuf, soll er Drohungen ausgesprochen haben, was Lowe abstreitet. Der von Elon Musk als Reform-Chef Vorgeschlagene ist so in kürzester Zeit zum Outlaw seiner einstigen Partei geworden. Aber Lowe verfolgt Farage auch als Gespenst von außerhalb der Parteiränge.

Bei einer Rede in Dover erläuterte nun Parteichef Nigel Farage seinen Vier-Punkte-Plan, um die britische Migrationskrise zu beenden und Abschiebungen in größerem Ausmaß zu ermöglichen. „Ich weiß, dass wir ein gewaltiges Problem haben“, erklärt Farage. „Denn schätzungsweise halten sich 1,2 Millionen Personen widerrechtlich hier auf.“ Hunderttausende abzuschieben, gibt Farage zu, das werde kein leichter Job, sondern „eine höllische Schlacht“. Der (tiefe) Staatsapparat werde sich wehren und solche Vorhaben an jeder möglichen Stelle bekämpfen.

Bei einer Reform-Regierung in Westminster soll es einen eigenen Staatssekretär für Abschiebungen („Minister for Deportations“) geben. Der „Minister“ soll eine eigene Abteilung im Innenministerium leiten. Denn sogar dort, im Home Office, vermutet Farage Mitarbeiter und Beamte, die einen Fortschritt im Sinne von Reform UK torpedieren könnten. Die geplanten Abschiebeabkommen mit verschiedenen Ländern könnten laut Farage kostspielig werden, wären aber immer noch billiger als die Belassung der Asylanten in Großbritannien. Der Economist schreibt in einem Artikel mit großformatigem Farage-Portrait (man sieht darauf jede sonnengebräunte Falte), Farage sei der „Mann, den Britannien nicht mehr ignorieren kann“. Durch das nun herrschende Drei-Parteien-System werden demnach kleine Schwankungen wichtiger. Zwei Prozent mehr, und eine andere Partei gewinnt den Wahlkreis, Stadtrat oder Bürgermeisterposten. Der Economist hält Farage ausgerechnet zugute, dass er Elon Musks Spende letztlich abgelehnt hat, anstatt sich mit Tommy Robinson zu solidarisieren. Er sei aber auch eine Gefahr, weil er die Zuwanderung auf Null reduzieren und die Steuern drastisch senken wolle.

Die Zahl der ankommenden Bootsmigranten konnte Labour allerdings nicht verringern, im Gegenteil. Waren es im letzten Jahr rund 37.000, so kamen in diesem Jahr schon 10.000. Das Home Office ist erneut auf der Suche nach neuen Unterkünften, will nun Wohnungen anmieten, wie der Telegraph berichtet. Beide Zahlen sind freilich kein Vergleich mit deutschen Zahlen. Doch in Großbritannien sieht man schon diese Zahlen als belastend an. Und natürlich zieht jede Einreise weitere nach sich (Kettenmigration), zudem aber auch Verbrechen.

Daneben und darüber hinaus soll es laut Farage keinen fliegenden Wechsel mehr von Reise- und Studentenvisa hin zu Asylanträgen geben. Dieser Möglichkeit will der Politiker ein „absolutes Ende“ setzen. Auch alle ausländischen Straftäter sollen abgeschoben werden.

Und auch wer einst nach Großbritannien kam und dort die Staatsbürgerschaft erhielt, entgeht keineswegs Aufmerksamkeit des Reform-Anführers. Farage will diese Verleihung der Staatsbürgerschaft als einen „bindenden Vertrag“ verstehen, so wie es in Australien und in anderen Ländern schon sei. Wer sein Versprechen nicht einhält und das Gesetz bricht, so muss man das wohl verstehen, der verlöre die britische Staatsbürgerschaft und müsste das Land verlassen.

Was er fordert, sei eigentlich gar nicht radikal, sondern eher der Kurs der Vernunft, „common sense“ und das, was die meisten Länder auf der Welt tun. „Wenn Sie dort leben wollen, müssen Sie eine Anzahl von Kriterien erfüllen. Und dieses Land wird eine Wahl treffen, ob Sie die richtige Person sind oder nicht.“

Doch Rupert Lowe macht noch immer Front gegen die „schwache“ Positionierung seiner ehemaligen Partei, die darauf anscheinend mit einer Löschung seiner Kommentare reagiert. Man müsse nicht allein jene abschieben, die das Land neu betreten, beharrt Lowe. Vielmehr brauche es echte „Massenabschiebungen“ auch von Personen, die schon länger im Lande sind, aber „ihren Teil der Abmachung nicht eingehalten haben“.

Farage hat dieses Element nun im Grunde aufgenommen. Doch das reicht Lowe anscheinend nicht. Er beharrt darauf, die Parteispitze vor sich herzutreiben. Gleichzeitig tauchen auch Spins auf, die Farage als zu weich gegenüber dem Islam zeichnen, der mit Zia Yusuf – so die Unterstellung – einen Platz an der Parteispitze habe. Der Multimillionär Yusuf hat Reform Hunderttausende Pfund gespendet, bevor er eine wichtige Rolle in der Partei übernahm. Er bezeichnet sich selbst als „britischen muslimischen Patrioten“, und genau das sei auch die große Mehrheit der Muslime im UK. Farage war zuletzt mit der Einschätzung aufgefallen, dass seine Partei nicht ohne die muslimischen Stimmen gewinnen könne, was bei einem Bevölkerungsanteil von sechs Prozent eher unwahrscheinlich ist. Aber es gibt Regionen mit höheren Konzentrationen.

Farage und Lowe sind geschiedene Leute, Lowe wünscht sich Farage nicht als Premierminister. Aber dennoch hat ihr Streit etwas Fruchtbares. Dennoch gibt es nun für viele einstige Wähler auch ein Argument gegen Reform UK, ähnlich wie im Fall von Marine Le Pen, der auch von manchen (eher unberechtigt) eine zu große Flexibilität im Umgang mit dem Islam nachgesagt wurde. Noch überwiegen anscheinend die Kräfte, die Reform UK zusammenhalten, zu denen vor allem der sich ankündigende Wahlerfolg gehört.

Von Beobachtern wird nach den Zuwächsen für Reform auch eine Stärkung der Grünen nicht mehr ausgeschlossen. Sie und die Lib Dems stehen allerdings bei zehn und 15 Prozent eher abseits beim Rennen um Sitze.

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