
Fast hätten wir sie umstandslos loben müssen, die Deutsche Bahn. Die hatte eine der wichtigsten Strecken im Eisenbahnnetz generalsaniert, die Riedbahn von Frankfurt nach Mannheim. Sie führt durch das Hessische Ried und ist mit rund 300 Zügen täglich die wichtigste Schlagader im Nah-, Fern- und Güterverkehr. Die Bahntechnik war in die Jahre gekommen und musste ausgewechselt werden.
Erstmals probierte die Bahn eine Generalsanierung mit einer totalen Streckensperrung anstelle von einem häppchenweisen Umbau bei laufendem Zugverkehr, der wesentlich länger dauert und komplizierter ist. Dazu wurde ab dem 15. Juli der komplette Zugverkehr auf dieser Strecke eingestellt und die Schienenwege von Grund auf saniert. Fest versprochen hatte die Bahn, dass mit dem Fahrplanwechsel ab 15. Dezember der vollständige Zugverkehr mit ICE, S-Bahnen und Güterzügen wieder aufgenommen werde.
Doch jetzt stellte sich heraus: Es können noch nicht alle Züge über die Riedbahn rollen. Die Abnahme der neuen Stellwerkstechnik dauere etwas länger, deshalb können mehrere S-Bahnen nicht fahren, so die Bahn entschuldigend, mehrere Linien würden noch ausfallen. Die letzten könnten erst ab Mitte Januar fahren. Aber sonst würden 95 Prozent der Züge ab Sonntag wie geplant verkehren. Als erster Zug werde in der Nacht zum Sonntag ein Güterzug fahren.
Am Samstag wollen Bahnspitze und der gebeutelte Verkehrsminister Wissing – ehemals FDP – sich in Gernsheim für den im Prinzip pünktlichen Abschluss der Arbeiten feiern und loben. Vielleicht fragt ihn mal jemand, was er für die Verkehrsinfrastruktur Deutschlands und für eine Aufhebung des Verbrennerverbotes in seinen Jahren als Minister getan hat.
Im Rekordtempo nach akribischer Vorbereitung hat die Bahn sämtliche Gleise, Weichen, Signale, Oberleitungen, 20 Bahnhöfe modernisiert sowie die Zugleittechnik vollkommen neu aufgebaut. Ein beeindruckend geglückter Gewaltakt, bei dem 380.000 Tonnen Schotter, 265.000 Schwellen, 150 Weichen, 120 Kilometer Gleise und 140 Kilometer Oberleitungen ausgetauscht wurden. Das in nur fünf Monaten. Gratulation!
Der neue Gedanke dabei: nicht mehr viele Reparaturen an dem schlechten Anlagenzustand vornehmen, sondern radikal alte, anfällige Technik rauswerfen und neue einbauen – zum Beispiel neue Weichen, über die mit höheren Geschwindigkeiten gefahren werden kann und wieder mehr Überholbereiche einbauen. Viele hatte der damalige Bahnvorstand Mehdorn entfernen lassen. Das schränkte die Betriebsmöglichkeiten ein.
Den Ersatzverkehr während der Umbauzeit übernahmen Busse, die die Bahnreisenden transportierten. Nach diesem Muster will die Bahn weitere Strecken generalsanieren, als nächstes ist die Verbindung von Hamburg nach Berlin dran.
Vom Verband der Güterbahnen hieß es am Donnerstag, insgesamt sehe man die Sanierung der Riedbahn als geglückt an. „Es ist absolut inakzeptabel, dass unsere Fahrgäste die Leidtragenden von bürokratischen und organisatorischen Versäumnissen sind, während der Fernverkehr wieder fahren kann“, schimpft der Rhein-Main-Verkehrsverbund aus Mannheim. Dessen S-Bahnen können teilweise erst später verkehren. Es könne nicht sein, dass Minister und Bahnspitze die erfolgreiche Generalsanierung feierten, während in Mannheim Haltepunkte weiterhin nicht angefahren würden.
Doch unter dem Strich darf man feststellen: Es kann doch noch etwas in Deutschland funktionieren. Noch ist nicht Hopfen und Malz verloren.