
Die Strategie der FDP in der Ampel war: Rot-Grün zuerst ermöglichen, um dann „das Schlimmste“ von Rot-Grün zu verhindern. Hat nicht funktioniert, konnte nicht funktionieren. Trotzdem macht die FDP genau so weiter – etwa, wenn sie sich dem Kampf gegen illegale Einwanderung verweigert.
Manchmal liegt der große Majestix am Boden. Seine Schildträger haben ihn wieder einmal fallen lassen. Dann seufzt er: „Müde. Manchmal bin ich einfach nur noch müde.“ Wie dem großen Majestix, Veteran der Schlacht von Alesia, geht es manchmal Liberalen, die ihr saures Brot damit verdienen, über die FDP zu schreiben. Sie fühlen sich fallengelassen und seufzen: „Müde. Manchmal bin ich einfach nur noch müde.“
Zum Beispiel am Freitag. Zwölf von 196 Abgeordneten der Union haben nicht mit ihrem Vorsitzenden Friedrich Merz gegen die illegale Einwanderung gestimmt. Deutlich weniger als zehn Prozent. Unter den Verweigerern waren ausgesprochene Merkelianer wie Marco Wanderwitz und seine Lebensgefährtin Yvonne Magwas – eine Klasse von Politikern, die nie auch nur Mittelmaß erreicht hat, von Merkel für deren Parteitreue trotzdem nach oben gespült wurde und die jetzt die Politik unter großem Mimimi verlässt, da ihre Förderin nichts mehr zu sagen hat. Die Lücke, die Magwas und Wanderwitz hinterlassen, ist wohltuender, als sie es selbst je waren.
In der FDP sieht die Bewertung des Freitags anders aus: 67 von 90 Abgeordneten haben nicht gegen die illegale Einwanderung gestimmt. Mehr als ein Viertel der Fraktion war dagegen, hat sich enthalten oder war „krank“. So wie ihr Generalsekretär Marco Buschmann. Der konnte angeblich nicht in den Reichstag zur Abstimmung kommen, so schlecht ging es ihm, aber auf X schrieb er sich die Finger wund – im Tempo einer Zwölfjährigen in ihrer WhatsApp-Freundinnengruppe, nachdem sie sich gerade schockverliebt hat.
Buschmann ist das Gesicht der Misere, in der sich die FDP knapp drei Wochen vor der Wahl befindet. Er war so peinlich, wie es die Partei in drei Jahren Ampel war. Etwa, als er possierlich vor die Kamera der Bild trat und versprach, die Saboteure der Nord-Stream-Pipeline zu jagen. Das Ergebnis ist bekannt: keines. Journalisten haben mehr über den Anschlag auf die deutsche Infrastruktur herausgefunden als der deutsche Staat – zumindest offiziell.
Buschmann war derjenige, der für drei nette Sätze in der Augsburger Allgemeinen bereit war, jede liberale Position an Rot-Grün zu verschenken. Etwa in der absurden Verlängerung der Corona-Maßnahmen. Und mit dem „Selbstbestimmungsgesetz“ hat er als Justizminister selbst ein Werk verfasst, das zu einem Anschlag auf Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat in Deutschland wurde. Dass die Wähler der FDP in der Ampelzeit in Scharen davongelaufen sind, ist zu einem großen Teil Buschmanns Schuld. Ihn machte Parteichef Christian Lindner nach dem Ampel-Aus dann zum Generalsekretär der Partei. Als Zeichen des Aufbruchs. „Müde. Manchmal bin ich einfach nur noch müde.“
Lindner und Buschmann, die Gesichter des Alten, versuchen nun, den Aufbruch ins Neue zu inszenieren. Alles ließe sich ändern, versprechen sie auf Plakaten. Das Personal in der FDP aber offensichtlich nicht. Mit Folgen. Derzeit ziehen durchaus fleißige liberale Wahlkämpfer von Konstanz bis Zittau und von Flensburg bis Aachen durch das Land, um dem Wähler zu versichern, dass die FDP nie wieder so werde, wie sie in den vergangenen drei Jahren war. „Zu wenig, zu spät“, sind die Worte, die den besagten Kämpfern am häufigsten entgegenkommen. Ein Auftritt von Buschmanns Krankenbett wie am Freitag zerstört den Effekt von zehntausend Auftritten an Wahlkampfständen mühelos.
Buschmann hat versucht, dem liberalen Geschehen einen Sinn zu verleihen: Am Mittwoch hat seine Partei noch gegen die illegale Einwanderung gestimmt und versichert, das zwei Tage später wiederholen zu wollen. Am Freitag wollte die FDP den Antrag zuerst von der Tagesordnung nehmen lassen und stimmte dann zu über einem Viertel nicht gegen die illegale Einwanderung. Das ist aber kein Umfallen, das ist auch kein kopfloses Herumlaufen, versichert zumindest Buschmann. Im Prinzip ist das eine Neuauflage der in der Ampel gescheiterten FDP-Strategie: erst Rot-Grün ermöglichen und dann „das Schlimmste“ von Rot-Grün verhindern zu wollen.
Aber was war es denn am Freitag, Marco Buschmann, wenn es kein Umfallen war? Ein Zeichen dafür, dass die FDP die Kraft sei, die es benötige, um die Parteien der „demokratischen Mitte“™ zu vereinen. Diese Vereinigung habe nämlich hinter der Idee gestanden, erst eine Vertagung zu beantragen und dann nicht geschlossen mitzustimmen, schreibt der kranke Mann vom Hans-Dietrich-Genscher-Haus. Gut. Diese Vereinigung hat eben nicht funktioniert. Aber: Details. Mit so Kleinkram wie Saboteure fangen, wenn er die Saboteure jagt, hat sich Buschmann noch nie abgegeben. Oder sich der Freiheit verpflichtet fühlen, wenn er das Selbstbestimmungsgesetz schreibt.
Es verwundert wenig, dass die FDP nach neuem Führungspersonal sucht. Angesichts von Lindner, Buschmann und den Wahlergebnissen stellt sich eher die Frage, warum die Partei das nicht längst getan hat. Mit Lindners Fiasko vom Freitag bahnt sich der Machtwechsel an. Doch es ist keine Linda Teuteberg, die zurückkehrt. Es ist auch nicht der notorische Rechtsblinker und Linksabbieger Wolfgang Kubicki, der mehr zu sagen haben soll. Es sind Politiker, die künftig etwas in der FDP zu sagen haben werden, die ihre Partei wieder zurück zur Anschlussfähigkeit an die Ampel führen wollen.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Konstantin Kuhle (35) hat seine Stimme nicht gegen die illegale Einwanderung abgegeben. Ebenso wenig wie der parlamentarische Geschäftsführer Johannes Vogel (42). Er war der Erste, der Lindner im Deutschlandfunk öffentlich in den Rücken gefallen ist, als dieser für einen Tag „mehr Musk und Milei wagen“ wollte. Kuhle und Vogel wollen weitermachen wie bisher: liberal-konservative Stimmen in eine linke Regierung einbringen, um für diesen Verrat an den Wählern mit fetten Bezügen und Dienstwagen entlohnt zu werden. Die Bild handelt sie als die potenziellen Nachfolger von Lindner und Buschmann.
Lindner und sein Krankenbettkrieger Buschmann führen den Überlebenskampf der FDP. Wie traurig sie das tun, mag Herzblut-Liberale kümmern. Auch das absehbare Ende dieses „Kampfes“. Doch das ist wie mit einer Maus, die ins Terrarium einer Schlange muss. Klar tut einem das irgendwie leid, was mit ihr passiert, aber so ist die Natur halt. Oder wie es der Held von Gergovia, Majestix, sagen würde: „Müde. Manchmal bin ich einfach nur noch müde.“