Felix Lobrecht und „Frauen100“: Wie die linksradikale Revolution ihre Kinder frisst

vor 7 Tagen

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Bildquelle: NiUS

Egal wie woke du bist, für irgendwen bist du nicht woke genug – und wirst irgendwann selbst gecancelt. Diese Gewissheit, im Englischen bekannt unter dem Ausspruch „You can't be woke enough“, wird nun zur bitteren Realität für einen deutschen Comedian und eine progressive Initiative: Gemeint sind Felix Lobrecht und „Frauen 100“, die beide im Mittelpunkt von Shitstorms auf der Plattform Instagram stehen. Doch was war passiert?

Felix Lobrecht, Berliner Comedian, der durch seinen Podcast „Gemischtes Hack“ und Bühnenprogramme wie „All you can eat“ bekannt wurde, sagte in dem Apple Music-Podcast „HYPED ZEITGEIST“ von Aria Nejati, dass es für ihn ein „KO-Kriterium“ für eine Partnerin sei, wenn sie keine deutsche Muttersprachlerin sei. Er würde er sich „total hilflos“ fühlen. Für Lobrecht schien das eine harmlose, persönliche Vorliebe zu sein, er verweist zudem auf seinen Bruder, der „zum Beispiel mit einer Türkin verheiratet“ sei, „die erst seit zehn Jahren in Deutschland ist“. Die sprechen halt so einen „Türkisch-Deutsch-Englisch-Mix“, er würde sich in solcher Konstellation „beschnitten fühlen“.

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In der Gesprächsrunde, der neben dem Host Nejati und Lobrecht auch der Gangsterrapper Koljah Goldstein und die mexikanisch-deutsche Autorin Valentina Vapaux angehören, scheint die Aussage nicht sonderlich kontrovers aufgenommen zu werden. Goldstein berichtet, dass er in seiner Beziehung gar kein Deutsch spreche; Vapaux verweist zwischenzeitlich auf eine „Sprachlosigkeit“, die sie kenne, aber eigentlich als schön empfinde.

Doch der Clip löste einen Shitstorm aus, insbesondere von woken und progressiven Usern, die darin Diskriminierung und Rassismus sahen. Der Vorwurf lautet, dass seine Sprache nicht zufällig sei, sondern bewusste „dog whistles“ enthalte – subtile Signale, die sexistische, ableistische und rassifizierende Inhalte transportieren, speziell vor dem Hintergrund seiner medial dokumentierten Geschichte. Die schwarze Frau Peggy Adamu, die unter anderem für Sony Music arbeitet, empörte sich direkt, dass sie es problematisch empfinde, dass Lobrecht überhaupt eine Plattform geboten werde. „Gerade im Zusammenspiel mit seiner medial dokumentierten Geschichte – u.a. sexistische, ableistische und rassifizierende Aussagen – wirken bestimmte Formulierungen wie bewusste dog whistle.“ Plattformen mit dieser Reichweite, aber Adamu, hätten eine „Verantwortung“.

Die Userin „Goldietthebossy“ teilte hingegen mit: „Direkt unfollow“. Die Userin Rubibu hingegen schrieb: „Diese Präferenz zu haben und sie öffentlich zu äußern sind leider zwei unterschiedliche Dinge. Hier sagt ein privilegierter weißer Mann, dass Menschen, die ihm in seiner Muttersprache (zero Effort für ihn) nicht VOLLSTÄNDIG entgegenkommen (100% effort des Partners) keine vollwertigen Partner für ihn sind. Was nehmen migrantische Menschen hier raus mit, außer einer Reproduktion der Sprach- und Herkunftsdiskriminierung im Alltag und auf dem Arbeitsmarkt??“

Lobrecht, der aus Berlin Neukölln stammt und seine Kindheit in „Sonne und Beton“ literarisch verarbeitet hat, hat in der Vergangenheit mehrere Shitstorms erlebt, etwa wegen Witzen, die als sexistisch kritisiert wurden. Kritiker werfen ihm vor, Misogynie und Rassismus zu reproduzieren. Das behauptete in der Vergangenheit etwa das radikal-rabiate Feministinnenkollektiv „Feminist Shelf Control“ nach der Ausstrahlung seines Programms in der ARD-Mediathek. Das Kollektiv war auch für das Absägen des designierten „titel thesen temperamente“-Moderators Thilo Mischke verantwortlich, weil dieser in Vergangenheit ein misogynes Buch geschrieben habe.

Doch inzwischen regt sich auch Widerstand unter dem Post. Selbst der Moderator des Podcasts, Aria Nejati, positionierte sich – und verteidigte Lobrecht. „Ich muss mal was dazu sagen. Es ist crazy, Felix hier auch nur ansatzweise Rassismus vorzuwerfen“, so Nejati. Auch zahlreiche andere Kommentatoren zeigen sich fassungslos ob der konstruierten Vorwürfe.

Es ist nicht der einzige Vorfall, der sich aktuell auf Instagram abspielt und scheinbar fortschrittliche Akteure mit einem Shitstorm überzieht. Der zweite Vorfall betrifft „Frauen 100“. Gegründet als Plattform für Austausch, Debatten und Vernetzung, bringt es „Thoughtleaderinnen“ aus Wirtschaft, Politik, Medien und Sport zusammen. Bekannt ist „Frauen100“ für feministische Diskurse, etwa bei Events wie dem Women's Dinner zur Munich Security Conference, in Kooperation mit dem Centre for Feminist Foreign Policy.  In den letzten Jahren waren prominente Gäste zu Gast, darunter Nobelpreisträgerinnen wie Jody Williams und Maria Ressa, Führungskräfte von Human Rights Watch und Amnesty International, sowie Politikerinnen wie Sawsan Chebli. Zahlreiche der Betroffenen von vermeintlichen „Me Too“-Fällen vernetzten sich auf den jährlichen Treffen.

Doch in diesem Jahr wagte sich „Frauen100“, zwei CDU-Politikerinnen einzuladen: Julia Klöckner, Bundestagspräsidentin und ehemalige Landwirtschaftsministerin, sowie Karin Prien, die neue Familienministerin. Der Instagram-Post, der das Speaker-Line-up ankündigte – inklusive Rita Süssmuth und Lea-Sophie Cramer – sorgte für einen massiven Shitstorm.

Antirassistische, queerfeministische und progressive Creatorinnen warfen den Organisatoren vor, konservative Figuren eine Bühne zu geben, die nicht mit feministischen Werten übereinstimmen. Klöckner, die in der Vergangenheit Shitstorms um Themen wie die Regenbogenflagge oder AfD-Wähler erlebte, wurde als „B2 Bomber“ bezeichnet – eine Anspielung auf militärische Symbolik und ihre Politik. Mehrere User bezeichnen Prien und Klöckner als „rechtsextrem“ und „rechtsradikal“.

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Unter den Post dominieren Vorwürfe. Der queere Creator „Ajosha“ schrieb: „L.O.L. Nächstes Jahr Alice Weidel?“. Die ZDF-Moderatorin Dunja Hayali fragte direkt: „Ihr sagt, ihr wollt Dialog und Diskurs. Deshalb meine Frage: Welche Journalistin interviewt denn die 2 B2 Bomber?“ Die feministische Influencerin „Maryam.FYI“ teilte hingegen mit: „Wow. Ich bin vor über einem Jahr sehr gerne unbezahlt bei euch aufgetreten und habe ein iranisches Lied gesungen in Solidarität mit den iranischen Frauen, weil ich mich gefreut habe, dass in so einem elitären Rahmen hier in Deutschland darüber gesprochen wird.“ Jetzt aber solchen Personen „eine Bühne zu bieten“, von denen die eine keine Feministin ist, indem sie queere Menschen unsichtbar halten will und von denen die andere dafür sorgt, „dass mehr Hass und Rassismus in Deutschland sich breit machen kann, ist wirklich wider jeder Verantwortung“.

Die Publizistin Tara-Louise Wittwer hingegen schrieb: „Bühne geben für Diskurs mit Menschen, die andere Menschen kategorisieren in „wertvoll“ und „weniger wertvoll“ und coole Kriegs-Gebäcke backen ist einfach nicht der demokratische Flex, den ihr geplant habt.“ Immerhin zeigte sich Deutschlands feministische Afrokampfffrau „Quattromilf“ aka Jasmina Kuhnke wenig überrascht, sie hätte entsprechende Vorbehalte schon länger gehabt: „Ich muss gestehen, dass mich die plötzliche Empörung verwirrt: Die Veranstaltung hat doch nie für etwas anderes, als das, was jetzt auch wieder abgebildet und geladen wird, gestanden? Hat doch vorher auch niemanden gejuckt und alle sind hin?“

„Frauen100“ reagierte auf den Shitstorm mit zwei Klärungsposts. Sie betonten, ein überparteiliches Netzwerk zu sein: „FRAUEN100 ist ein überparteiliches Netzwerk. Wir schaffen Räume für Austausch, Repräsentanz und Debatte – über Branchen, Positionen und Parteigrenzen hinweg. Denn echte Veränderung entsteht nur im Dialog.“ Sie wiesen Hass ab: „Unsere Veranstaltungen und Plattformen sind kein Ort für parteipolitische Positionierung – und ebenso wenig für Hass oder persönliche Angriffe. Wer wirklich etwas bewegen will, ist eingeladen, sich konstruktiv einzubringen – statt von außen zu verurteilen.“ Das Gegenteil sei der Fall, wenn man Räume schließe. Dennoch wirkt die Reaktion wie ein Einknicken vor dem Mob, den es mitunter groß gemacht hat.

Die Initiative sah sich zu einem Statement gezwungen.

Derweil zerlegte Nina Kirsch in ihrem neuesten YouTube-Video „Feuilleton des Boulevards“ das Netzwerk „Frauen100“ als einen Hort der Selbstinszenierung, der unter dem Deckmantel des Feminismus elitär und oberflächlich wirkt. Sie beschreibt es als eine Veranstaltung, bei der Tickets „sehr teuer“ sind und Teilnehmerinnen in „Designerblusen, Designerpumps, Designertaschen vor der Fotowand“ posieren, was sie als „elitärer Zynismus im Designer Businesskostüm“ brandmarkt. Kirsch kritisiert, dass es hier weniger um „tatsächliche Gleichberechtigung“ gehe, sondern um „Imagepflege in Pumps“, und kontrastiert dies mit ehrlicheren Influencerinnen, die ihre Events nicht als feministische Mission tarnen.

Der aktuelle Shitstorm, so Kirsch, entzündete sich an der Einladung von CDU-Politikerinnen Karin Prien und Julia Klöckner, die als „Feindbild“ und „Personifizierung des Bösen“ gelten, während frühere Gäste mit fragwürdigen Hintergründen keinen Aufschrei auslösten. Etwa Nura, die „mutmaßlich Samra falsch beschuldigt hat“ und dadurch zu Reichweite kam; Shelby Lynn, die sich einem „Ermittlungsverfahren ausgesetzt sieht“ wegen möglicher Falschvorwürfe gegen Rammstein, oder Enissa Amani, die durch „massive vulgäre Ausbrüche“ und „Antisemitismus gegenüber Israel“ auffällt.

„Bei all diesen Akteuren gab es keinen Shitstorm“, bemerkt Kirsch pointiert, doch bei den CDU-Frauen entlädt sich der Unmut, der zu Stornierungen von Flügen und Hotels führt. Frauen100, so Kirsch, biete „keinen Raum für echte Vielfalt“, sondern sei „eine Bühne für politische Selbstinszenierung unter feministischer Tarnung“.

Am Ende entpuppt sich der Shitstorm für Kirsch als selbstzerstörerisch: „Die Revolution frisst ihre Kinder und das natürlich von innen.“ Das sei der „Bubble der Hypermoralischen“ aber gänzlich egal, um echte Vielfalt gehe es eben schon lange nicht mehr.

Auch bei NIUS: Autorin Esther Bockwyt: „Wokeness trägt oft ausgeprägte narzisstische Züge in sich“

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