
Drei Jahre lang arbeitete der Südwestrundfunk (SWR) an einem ambitionierten Projekt: dem Computerspiel Green Guardians VR. In der virtuellen Welt kämpft man gegen Mega-Korporationen und Desinformation – in einem Szenario, das von „ungebremstem Klimawandel“ geprägt ist. Fünf Monate nach Veröffentlichung ist von einem Erfolg allerdings wenig zu sehen: Kaum jemand spielt das Spiel, und schon zum Launch waren die Nutzerzahlen mehr als überschaubar.
In Green Guardians VR, so die ARD, „reisen bis zu vier Gamer in die Zukunft und schlüpfen in Roboter-Avatare, die von einem Mega-Konzern in eine vermeintlich perfekte Zukunft geschickt werden. Dort entlarven sie eine groß angelegte Desinformationskampagne und helfen, das Klima zu retten.“
Der SWR selbst beschreibt das Spiel als Verbindung von „Gaming und Journalismus“. Tim Philipp, Projektleiter im Innovationslab des SWR, spricht von einem Vorhaben, das sich „zwischen anspruchsvollen Game-Inhalten, also Interaktion, und den Inhalten, die dort erzählt werden“ bewege.
Schauen Sie hier den Trailer:
Das Spiel ist kostenlos auf der Plattform Steam verfügbar. Auf der Webseite der Entwickler heißt es, Green Guardians VR sei „dank Rundfunkbeitrag werbefrei und ohne zusätzliche Kosten“. Dass damit jeder Gebührenzahler bereits unfreiwillig für das Spiel bezahlt hat, bleibt unerwähnt. Auf Anfrage von NIUS zu den Produktionskosten erklärte eine SWR-Sprecherin, man könne „aus Rücksicht auf Vertragspartner keine Angaben machen“.
Ein Blick auf die Statistikseite SteamDB zeigt jedoch: Seit der Veröffentlichung im Oktober 2024 spielten maximal drei Nutzer gleichzeitig. In den meisten Monaten wurde das Spiel überhaupt nur von einer einzelnen Person gestartet. Es reichte also nicht einmal für eine vollständige „Vierer-Lobby“. Laut SteamDB und Steam haben maximal neun Spieler eine verzeichnete Spielzeit in dem Klimaspiel. Im Verhältnis zur dreijährigen Entwicklungszeit ergibt sich damit: drei Spieler auf Steam pro Jahr Entwicklungsarbeit.
Gefragt, ob man mit diesen Zahlen zufrieden sei, erklärt eine Sprecherin: „Das Ziel des Experiments war zu keiner Zeit Reichweite. Stattdessen stand im Fokus, über die verschiedenen Distributionswege valides Nutzerfeedback zu generieren.“
Laut SWR bestand das Projektkernteam „nicht dauerhaft, sondern projektbezogen und mithin phasenweise“ aus fünf internen und externen Personen. Ergänzt wurde das Team „punktuell durch interne und externe Fachexperten und Werkstudenten“. Damit arbeiteten mehr Menschen am Spiel, als es letztlich spielten.
Quelle: SteamDB
Auch bei den Bewertungen auf Steam zeigt sich das ernüchternde Bild: Mit sieben positiven und fünf negativen Rezensionen wird das Spiel als „ausgeglichen“ gelistet. Neben technischen Problemen beklagen Nutzer vor allem die politische Ausrichtung. „Einfach nur mies. Tonmischung, Grafik, ätzende Propaganda. Verschleuderte Gebührengelder“, lautet eine der negativen Stimmen.
Quelle: SteamDB
Die eingesetzten Influencer konnten offenbar auch keine Begeisterung entfachen. „Für die Rolle des Vice President von E.V.I.L. wurde der bekannte Influencer und Youtuber LeFloid gewonnen. Itzjanina, bekannt von RocketBeans, hackt sich als Rebellin Alena ins Firmennetzwerk, um euch zu helfen“, heißt es auf der Steam-Shopseite.
Auf die Frage, ob dieses Projekt eine sinnvolle Investition von Rundfunkbeiträgen darstellt, antwortet der SWR: „Diese Art von Experimenten liefern dem SWR wertvolle Erkenntnisse, wie und ob unser Auftrag auf Basis neuer Technologien und Plattformen erfüllt werden kann. Schließlich sieht auch der Medienstaatsvertrag explizit die Teilhabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an neuen technischen Möglichkeiten vor.“
Weitere Spiele seien bereits in Planung, teilt der SWR mit.
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