
Heute vor fünf Jahren war plötzlich alles anders. In der Frühlingssonne, wo sonst Menschenmassen nach Monaten der Dunkelheit die Sonnenstrahlen suchen, war es menschenleer. Berlin war Geisterstadt, der Alexanderplatz Chernobyl. Es war Endzeitstimmung: Zwischen Menschen, die in Todesangst mit Handschuhen und Gasmasken zum Supermarkt gingen, Durchhalteparolen der Regierung und der Lust daran, das erste Mal ohne schlechtes Gewissen nur noch auf der Couch zu liegen und als Mensch zu verkommen.
Auf den ersten folgte der zweite Lockdown, folgte der umso brachialere Terror des Impfzwangs, und als Corona sich zwischen Panikern und den Gewinnern dieser Krise langsam aber sicher nicht mehr als Drohkulisse eignete, folgte der Ukraine-Krieg, die Gas- und Inflationskrise, schließlich Potsdam und der Kampf gegen die AfD und nun wegen Trump der vermeintliche Endkampf Europas.
Seit fünf Jahren kennt die Politik nur noch ein Argument: den alles aushebelnden Ausnahmezustand. Alles wird zum Notstand, alles ist Notstand. Gesetze und Rechte finden so viele Ausnahmen, dass man sich fragen muss, wie weit sie noch existieren. Die Notstandsrhetorik erfasst zunehmend alle Parteien.
„Wir waren Helden“, verkündete die Bundesregierung in einem Spot, der in der Zukunft spielt, als Rentner wie Kriegsveteranen auf ihre Corona-Jahre zurückblicken. Nur schlecht als Ironie getarnt, traf man das Gefühl, stolz darauf zu sein, für die Gemeinschaft sich selbst und sein Leben aufzugeben – endlich auch erzählen zu können wie Opa vom Krieg. Es ging um das Gefühl, etwas Außergewöhnliches zu erleben. Die Panik und ihre Orchestrierung fungierten gesellschaftlich als Vernichter und Zersetzer, und Corona als Entschuldigung für jeden, für alles, was er in seinem Leben nicht zustande brachte. Die Folge war gesellschaftliche Depression – die sich auch klinisch fast epidemisch durch die Bevölkerung fraß. Generationen von Kindern und Jugendlichen wurden geschädigt, Alte starben einsam, die Menschen zogen sich zurück auf sich selbst und ihre Angst.
Der Impfzwang war dann nur noch Ausdruck von Sozialzwang und Massenwahn, als Mittel, diejenigen aus der Gesellschaft auszuschließen, die bei dieser Angststörung nicht mitmachen wollten – und deswegen durch ihr Leben all jene beschämten, die ihres aufgegeben hatten. Das durfte nicht mehr sein. Man jagte Abweichler, wie sich in den unfassbaren Vorgängen um Michael Ballweg zeigte. Wegen nichts und wieder nichts kam der Querdenken-Gründer neun Monate in Haft, dabei hat die Staatsanwaltschaft so wenig Argumente, dass das Gericht schon die Einstellung des Verfahrens vorgeschlagen hatte. Doch das war egal, im Notstand gibt es kein Pardon, nur den Feind.
Die Gesellschaft ist durch Corona krank geworden, sie hat sich nicht erholt. Über der Politik steht eine diffuse Grundangst, ein unterbewusster Stress wie Schlafstörungen, die im unheimlichen Gefühl des irgendwie drohenden Weltuntergangs gipfeln. Rationale, abwägende Politik und eine realistische Einschätzung auch schwerer Fragen sind unmöglich geworden. Trump zieht nicht Ressourcen zurück, weil er sie nicht mehr in Europa verwenden kann – er führt uns in den Weltkrieg. Es braucht Billionen von Schulden, um weiterzuleben – ob es das morgen gibt, das weiß man ja sowieso nicht.
Der Ausnahmezustand ist der Tod der Demokratie, weil er jede Vernunft ausschalten kann. Auch Friedrich Merz macht mit ihr weiter Politik, weil sie für Politiker so angenehm kritische Argumente aus dem Weg räumt. Heilung kann nur die Aufarbeitung bringen – nicht die andauernde Verdrängung. Es braucht Aufarbeitung der Menschen gegen sich selbst, der Gesellschaft gegen die Regierung, der Wissenschaft gegen diejenigen, die unter ihrer falschen Fahne zu Propheten des Armageddons wurden, der Journalisten gegen jene Schreiber, die sich zu Verkündern der Regierungspolitik machten. Die Gesellschaft braucht Therapie – und Normalität in jeder Hinsicht ist das wichtigste politische Ziel.