
Eine totalitäre Ideologie erkennt man unter anderem daran, dass sie ihren Gegnern keinen Rückzugsraum lässt und sie überall hin verfolgt. Deshalb ist der Satz „Das Private ist politisch“ totalitär, er war es schon immer.
Wirtschaft findet in der Wirtschaft statt. Politik wird im politischen Raum gemacht. Das Private aber ist privat, und in jeder auch nur halbwegs freiheitlichen Gesellschaft muss das so sein.
Die Juden bei uns (und ihre nicht-jüdischen Sympathisanten, von denen ich einer bin) erleben gerade die Verwandlung Deutschlands: von einem leidlich freien Land in ein totalitäres.
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Shon Weissman kann unbestritten sehr gut stürmen. Der 29-Jährige hat knapp drei Dutzend Spiele für die israelische Nationalmannschaft bestritten, er war in Spanien und Italien ein gefürchteter Angreifer. Das schafft beileibe nicht jeder.
So einen kann Fortuna Düsseldorf gut gebrauchen. Der Traditionsverein vom Rhein dümpelt seit vielen Jahren in der Zweitklassigkeit. Ab und zu steigen die Fortunen in die Erste Bundesliga auf – um dann meist sofort wieder abzusteigen. Fahrstuhlmannschaft nennt man das. Graue Maus.
In der gerade begonnenen Zweitliga-Saison soll ein neuer Anlauf zum Aufstieg gemacht werden – und zwar mit Shon Weissman. Der Verein wollte den Spieler unbedingt haben und war sich mit ihm auch schon längst einig. Am vergangenen Montag absolvierte der Stürmer erfolgreich den üblichen Medizin-Check, am Dienstag sollte er seinen Vertrag unterschreiben und vorgestellt werden. Eine Formsache.
Doch dann griff der lange Arm des Islam nach Fortuna Düsseldorf.
Sogenannte „Fans“ organisierten einen Shitstorm gegen den Juden Weissman. Denn der Israeli hatte – direkt nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 und erkennbar unter dem Eindruck der Bluttat – in Sozialen Medien Posts hinterlegt, in denen gnadenlose Vergeltung für die bestialisch ermordeten Opfer der Terroristen gefordert wurde.
Als er sich beruhigt hatte, löschte Weissman die Kommentare. Aber er gab anderen Posts ein „Daumen hoch“:
– „Welchen logischen Grund gibt es, dass noch keine 200 Tonnen Bomben auf Gaza abgeworfen wurden?“ – „Ganz Gaza unterstützt den Terrorismus. Ganz Gaza ist tot.“ – „Es gibt keine Unschuldigen, wir müssen sie nicht warnen, bevor man sie bombardiert. Löscht Gaza einfach aus.“
Das ist grob – allerdings auch nicht gröber als das, was man jedes Wochenende in den Fankurven der deutschen Stadien so zu hören bekommt. Und es unterscheidet sich auch nicht von den Aufrufen zur Tilgung Israels von der Landkarte, von denen unsere Sozialen Medien überschwemmt werden – und an denen sich zum Beispiel der FAZ-Redakteur Patrick Bahners mit unnachahmlicher Dialektik beteiligt:
Aber Shon Weissman ist Jude, und für Juden gelten in Deutschland inzwischen wieder andere Maßstäbe.
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Nun hätte Fortuna Düsseldorf verantwortlich und vernünftig reagieren und den Protest einiger „Fans“ ertragen können. Man hätte sich schützend vor seinen Wunschspieler stellen und sich als respektabler Arbeitgeber profilieren können.
Aber man entschied sich anders.
Der Verein hatte es einst auf einen Konflikt mit den Fans ankommen lassen, als es um die umstrittenen „Montagsspiele“ ging. Der Verein hatte sich mit den Fans angelegt, als es darum ging, Pyrotechnik aus den Stadien zu verbannen. Aber wenn es um die Verteidigung eines israelischen Fußballers gegen erkennbar moslemisch gesteuerte Anfeindungen geht, duckt sich die Fortuna schnell weg.
Vor einem Jahr, als es noch nichts kostete, machte der Club gerne Werbung für seine angeblich doch ach so fremdenfreundliche Gesinnung:
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„Fortuna Düsseldorf ist jetzt gesichert arisch“, lautet nun ein Kommentar zu der erbärmlichen Dokumentation von Feigheit. Das Ganze hat natürlich Folgen.
Zum einen wird die Trennung zwischen dem privaten und dem beruflichen Leben weiter ausgehebelt. Das ist Absicht: Von einschlägigen Kreisen gebrandmarkte Meinungen sollen nicht mehr geäußert werden können, ohne dass man Angst vor beruflichen Konsequenzen haben müsste.
Das ist, siehe oben, totalitär. Und es ist so gewollt.
Zum anderen wird mit jedem Tag offenkundiger, dass nicht nur deutsche Politiker, sondern auch deutsche Wirtschaftskapitäne – wie der Vorstand von Fortuna Düsseldorf – den aufrechten Gang gegen einen schäbigen Opportunismus eingetauscht haben.
Drittens wird klar, dass Juden in Deutschland kaum noch Fürsprecher haben – auch nicht bei denen, die von Amts wegen auf ihrer Seite stehen sollten. Wolfgang Rolshoven ist Antisemitismusbeauftragter der Stadt Düsseldorf und sagt allen Ernstes: „Ich persönlich glaube aber nicht, dass es antisemitische Gründe gibt.“ Besser hätte das auch der Pressesprecher des Vereins nicht formulieren können.
Deutlicher wird da, immerhin, die Jüdische Gemeinde Düsseldorf. Sie spricht, völlig zurecht, von einer „Anti-Israel-Kampagne gegen den israelischen Fußballer Shon Weissman“. Fortuna Düsseldorf werfe dem Spieler vor, das Löschen seiner Posts sei unglaubwürdig gewesen. „Doch gerade angesichts des fortdauernden Traumas und der tiefen Erschütterung, die viele Israelis bis heute begleiten, erscheint diese Argumentation wenig sensibel.“
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Das ist erstaunlich deutlich. Der Zentralrat der Juden in Deutschland dürfte gar nicht glücklich darüber sein, dass die Düsseldorfer Filiale zum Klartext übergegangen ist.
Denn der Zentralrat unter seinem Präsidenten Josef Schuster verfolgt eine verstörende Politik. Die Organisation, die so wichtig für die Verteidigung des jüdischen Lebens in Deutschland wäre, scheint in den 1980er-Jahren stehengeblieben zu sein. Damals konnte man die deutsche Rechte an ihren Rändern – vor allem bei der NPD und den „Republikanern“ – tatsächlich als antisemitisch bezeichnen. Doch die Entwicklung spätestens seit 1990 hat der Zentralrat verschlafen. Seitdem ist der Judenhass in Deutschland immer mehr von rechts nach links gewandert. Heute darf man gesichert davon ausgehen, dass es bei der „Linken“, bei den Grünen und in der SPD (womöglich auch in der CDU) jeweils deutlich mehr Judenhasser und Israelfeinde gibt als in der AfD.
Doch der Zentralrat stellt sich weiter ausgerechnet an die Seite derer, die immer mehr Antisemiten ins Land schaufeln und mittlerweile völlig unverblümt gemeinsame Sache mit ihnen machen. Die Vorsitzende der Grünen Jugend, Jette Nietzard, bezeichnet das palästinensische Massaker an Israelis vom 7. Oktober 2023 als „militärische Operation“.
Nun gut, sowas passiert, wenn man ungebildete und wohlstandsverwahrloste Kinder Politik machen lässt. Aber man stelle sich kurz vor, der Vorsitzende der „Jungen Alternative“ hätte die Reichspogromnacht eine „Militäroperation“ genannt: Es hätte, völlig zurecht, einen öffentlichen Aufschrei gegeben. Und der Zentralrat der Juden wäre ganz sicher nicht stumm geblieben.
Zu Jette Nietzard kam vom Zentralrat nur ohrenbetäubendes Schweigen.
Auch zur neuen Statistik der antisemitischen Straftaten in Deutschland fallen Josef Schuster, nur völlig aus der Zeit gefallene Sätze ein:
„Neben den Straftaten aus dem rechtsextremen Spektrum – einem Milieu, das längst nicht mehr am Rand unserer Gesellschaft steht, sondern über seinen parlamentarischen Arm salonfähig geworden ist –, nimmt der islamistisch motivierte Antisemitismus immer weiter zu.“
Der Mann weiß ganz genau, dass die mit Abstand meisten Gewalttaten gegen Juden von Moslems und von linken „Aktivisten“ begangen werden. Aber er sagt das nicht – wohl, um es sich mit der linken Blase in Berlin nicht zu verscherzen. Damit zeigt Schuster ähnlich viel Rückgrat wie der Vorstand von Fortuna Düsseldorf. Und er macht so weiter:
„Diese Radikalisierung darf nicht zur neuen Normalität werden.“
Man reibt sich verwundert die Augen: Das IST doch längst Normalität im real existierenden Deutschland. Wo lebt der Mann?
„Was wir jetzt brauchen, ist keine Betroffenheitsrhetorik, sondern einen Staat, der konsequent durchgreift und antisemitische Straftaten in allen Erscheinungsformen bekämpft.“
Auch das muss man erst einmal schaffen: Betroffenheitsrhetorik abzusondern – und darin Betroffenheitsrhetorik zu kritisieren.
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Ich gebe zu, lieber Leser: All das macht müde. Man ist müde, den Juden in Deutschland mittlerweile wieder täglich beistehen zu müssen. Nicht nur gegen moslemische Judenhasser und Israelfeinde. Nicht nur gegen linke „Aktivisten“. Sondern inzwischen auch gegen einen unterwürfigen Zentralrat.
Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.