
Immer mehr Landwirte werden in Frankreich Opfer von Vandalismus und Sabotage. Wie Le Journal du Dimanche (LJDD) berichtet, kam es im Jahr 2023 zu fast 6.000 schweren Schäden und Gewaltakten gegen Bauern. Dies geht aus Zahlen hervor, die auf der Plattform „Vigi Agri“ gemeldet werden können und der französischen Zeitung vorliegen. Die Schäden reichen von „zerstörten Obstplantagen“ über „verwüstete Bewässerungssysteme“ bis hin zu „aufgeschlitzten Heuballen“.
Obwohl die Hintergründe der Taten oft unklar bleiben, werden die meisten Delikte Öko-Extremisten zugeordnet. Laut einer Quelle der französischen Polizei nehmen die Sabotageakte in Gebieten mit starker Präsenz radikal-linker Gruppen mit ökologischem Fokus zu, etwa im Département Deux-Sèvres. Dort sind radikale Aktivisten der Bewegung „Les Soulèvements de la Terre“ („Die Erhebungen der Erde“) aktiv, die wiederholt gewaltsame Proteste gegen Bewässerungsprojekte, sogenannte „Mega-Bassins“, organisiert hatten. Bei jenen „Mega-Bassins“ handelt es sich um großer Wasserstaubecken für die Landwirtschaft. Aktivisten kritisieren dabei immer wieder die Ressourcenverschwendung, die mit den Speicheranlagen einhergehen soll, während gleichzeitig Teile des Landes, insbesondere in den Sommermonaten, von Wassermangel und Dürre heimgesucht werden. Auch Massentierhaltung und CO2-Emissionen werden als Gründe für die Sabotageakte ins Feld geführt.
„Sie sehen die Bewässerung als ‚Aneignung‘ und sprechen von einem ‚Wasserkrieg‘ gegen die ‚kapitalistische Landwirtschaft‘“, berichtet der Landwirt und Vertreter der Landwirtschaftskammer in Deux-Sèvres (Westfrankreich), Alexandre Agat, bei LJDD. „Viele unserer Bewässerungsanlagen werden zerstört. Solche Schäden kosten bis zu 3.000 Euro. Wir haben die Nase voll, und ich fürchte, dass eines Tages ein Landwirt das Recht in die eigene Hand nehmen könnte.“
Ein Graffiti sieht einen „Ökozid“ in einer Reihe mit Genoziden.
Erst vergangenen Montag wurde publik, dass Öko-Extremisten im Département Vendée in Westfrankreich acht Lastwagen und Baumaschinen der Baufirma Charpentier in Brand gesteckt und beschädigt. In einem Bekennerschreiben, das der Nachrichtenagentur AFP vorliegt, bekannte sich eine radikal-linke Gruppierung zu dem Angriff. Der Sabotageakt sei die „direkte Antwort auf die Beteiligung dieser Firma an den Mega-Bassins“.
In dem Bericht der LJDD kommt auch Hervé zu Wort, ein Getreidebauer aus der Haute-Normandie, der sich durch die Sabotageakte zunehmend bedrängt fühlt. „Ich kann meinen Traktor nachts nicht mehr auf meinen Feldern stehen lassen, sonst finde ich ihn am nächsten Tag mit einem platten Reifen vor“, berichtet er. Seit zwei Jahren erlebt er in seiner Gemeinde Konflikte mit neu zugezogenen Bewohnern, die seine großen landwirtschaftlichen Betriebe kritisieren. „Sie bezeichnen sich selbst als sehr ‚ökologisch‘. Mehrere meiner Maschinen wurden beschädigt, aber da ich keine Kameras auf den Feldern habe, kann ich nicht sagen, wer dahintersteckt. Ich habe es der Gendarmerie gemeldet, die Ermittlungen blieben jedoch ohne Erfolg.“
Heuballen brennen, während ein vermummter Demonstrant durch das Feld streift.
Inzwischen ist das Thema auch bei der Fédération nationale des syndicats d’exploitants agricoles (FNSEA) angekommen, also dem französischen Dachverband der Landwirte, dem unter anderem 20.000 Höfe angehören. „Es ist tragisch, dass die meisten Anzeigen eingestellt werden, weil es an Beweisen fehlt. Aber die Landwirte versuchen sich anzupassen – mit Überwachungskameras oder Zusammenschlüssen nach dem Modell von ‚wachsamen Nachbarschaften‘“, so Marie-Line Bruel, die Co-Präsidentin, die von Angriffen berichtet, unter denen insbesondere Tierhalter zu leiden hätten.
Um die Landwirte zu unterstützen, wurde 2019 die Einheit „Déméter“ bei den Sicherheitsbehörden gegründet. Sie soll laut LJDD Informationen sammeln und Präventionsmaßnahmen gegen Angriffe auf die Landwirtschaft umsetzen. Doch ökologische Initiativen sehen sich durch diese Monitoring-Einheit wiederum in ihrem Recht beschränkt, friedlich gegen industrielle Landwirtschaft zu protestieren. Kürzlich bestätigte der französische Staatsrat die Überwachung „ideologischer Aktionen“ radikaler Gruppen.
Traktoren rollen über die Autobahn – und zeigen den eigenen Unmut mit der Landwirtschaftspolitik.
Landwirte an einer Autobahn protestierten gegen das Freihandelsabkommen Mercosur.
Aktuell stehen Landwirte in Frankreich wieder im Fokus der Öffentlichkeit, weil sie für den Rest der Woche Bauernproteste angekündigt hatten. Ihre Wut richtet sich dabei gegen das geplante „Mercosur“-Abkommen der EU mit Südamerika, weil sie befürchten, dass das Abkommen etwa Fleisch, Zucker, Feldfrüchte oder Wein billiger machen werde. Erst vergangene Woche hatten Landwirte mit einer Blockade des Hafens von Bordeaux und der Autobahnverbindung zwischen Frankreich und Spanien reagiert und mit Protesten im deutsch-französischen Grenzgebiet, etwa zwischen Kehl und Straßburg.
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