Frankreichs Finanzminister warnt vor möglichem Bailout

vor etwa 3 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Staatsschuldenkrisen fallen nicht einfach vom Himmel. Es bedarf jahrelanger, vielfach jahrzehntelanger politischer Fehlsteuerung, um den Kollaps der Staatsfinanzen herbeizuführen. Frankreich ist ein solcher prominenter Fall.

Das Land, das sich rühmt, gesellschaftliche Verwerfungen mithilfe seines Sozialwesens zu heilen, ist an einem Punkt angelangt, an dem die Privatwirtschaft an der Finanzierung der Staatsbürokratie, der unbegrenzten Migration und der eng geknüpften sozialen Hängematte scheitert.

Bei einer Staatsquote von 57 Prozent angelangt, verdrängt der nimmersatte Staatsapparat private Investitionen und treibt die Wirtschaft so in eine Produktivitätskrise. In diesem Modus ist kein Wachstum zu erwarten. Hinzu kommt eine Staatsverschuldung, die bei 114 Prozent schwindelerregende Höhen erreicht hat. Das Defizit im Staatshaushalt wird in diesem Jahr voraussichtlich bei 5,4 Prozent liegen.

In Paris und Brüssel schrillen längst sämtliche Alarmsirenen. Frankreich droht, das fragile Gebilde der Eurozone und damit die EU in den Abgrund zu reißen.

Zwar hat Frankreichs Ministerpräsident François Bayrou mit seinem Sparpaket versucht, die Notbremse zu ziehen. Doch das Patt im Parlament sowie die stets drohenden sozialen Unruhen in Frankreichs Banlieues paralysieren das Land.

Bayrou plant Einsparungen in Höhe von 44 Milliarden Euro. Zudem sollen zwei Feiertage gestrichen werden – etwa Ostermontag und der 8. Mai – um durch gesteigerte Produktivität ohne Mehrbelastung bei Steuern oder Mehrwertsteuer Haushaltslöcher zu stopfen. Auch plant die Regierung soziale Ausgaben einzufrieren, den öffentlichen Dienst beizuschneiden und eine Solidaritätsabgabe für Wohlhabende einzuführen.

Bayrou warnte vor der Sommerpause eindringlich: „Es ist der letzte Halt vor der Klippe, bevor uns die Schulden zerdrücken“ – eine deutliche, möglicherweise letzte Warnung, bevor es an den Anleihenmärkten für die französische Staatskasse eng wird.

Doch die politische Realität im Land ist unerbittlich: Ohne klare Mehrheit im Parlament – sein Lager ist fragmentiert, und linke wie rechte Oppositionsparteien lehnen sein Paket geschlossen ab – wird das Vorhaben scheitern. Gleichzeitig schürt die Aussicht auf einen Generalstreik oder Straßenproteste – ähnlich den Gelbwesten – eine Atmosphäre, in der sich jeder minimale Reformversuch in eine soziale Eskalation übersetzt.

Umso wichtiger wird der 8. September 2025 sein. An diesem Tag wurde eine Vertrauensabstimmung im französischen Parlament über Bayrous Sparpaket angesetzt. Dieser Tag könnte den Sturz des ohnehin fragilen Minderheitskabinetts bedeuten. Nur zwei Tage später, am 10. September, sind landesweite Proteste angesetzt. Eine Bewegung namens „Blocquant tout“ (Blockiert alles) sowie die Kampagne „Mobilisation 10. Septembre“ haben zum Generalstreik aufgerufen. Supermärkte sowie der Bahnverkehr und die Straßen werden landesweit lahmgelegt. Es sind entscheidende Tage für Frankreich und die Europäische Union, die den Staatsbankrott des Landes sicherlich nicht überleben würde.

Frankreich und damit das gesamte Gerüst der Europäischen Union taumeln in diesen Tagen gefährlich nahe am Rande einer neuen Schuldenkrise. Finanzminister Éric Lombard räumte am 25. August im The Telegraph ein, dass selbst die Intervention des Internationalen Währungsfonds nicht mehr ausgeschlossen sei.

Es handele sich um ein Szenario, das man dringend vermeiden wolle – ausschließen könne er es jedoch nicht, so der Minister wörtlich. Es klingt nach Endzeit-Atmosphäre.

Die Finanzmärkte quittieren diese Ehrlichkeit mit Alarmzeichen: Renditen französischer Staatsanleihen kletterten auf den höchsten Stand seit 2011. Lombard machte klar an, dass man nur mit einer konsequenten Haushaltsführung für 2026 das Vertrauen der Märkte zurückgewinnen könne. Andernfalls drohe der Absturz: Frankreich, Gründungsmitglied der Eurozone, könnte im schlimmsten Fall den IWF anrufen müssen – ein historischer Tabubruch, der den Niedergang Europas beschleunigen würde.

Die Zinsen der zehnjährigen Staatsanleihen Frankreichs, der wichtigste Referenzzins, stiegen seit ihrem Tiefpunkt im August 2019 von minus 0,44 Prozent auf nun 3,5 Prozent. Damit sind Frankreichs Staatsschulden, die einen Schuldenberg von 3,3 Billionen Euro erreicht haben, nicht mehr finanzierbar. Es ist sehr wahrscheinlich, dass man im Frankfurter EZB-Tower längst Notfallinterventionen, Liquiditätsfazilitäten und das aus der Krise vor eineinhalb Jahrzehnten bekannte Programm der Anleihenkäufe bereit hält, um einen Kollaps abzuwenden.

Die EZB interveniert weiterhin massiv im europäischen Anleihenmarkt und erwirbt seit langem US-Staatsanleihen, um die Zinsdifferenz zwischen den USA und der Eurozone nicht zu weit aufreißen zulassen und Kapitalflucht zu unterdrücken. Diese Politik wirkt wie Palliativmedizin, doch ist die Realität wesentlich dramatischer, als sie in den Börsenkursen erscheint.

Vor diesem Hintergrund ist der Versuch Brüssels zu verstehen, über die Einrichtung einer europäischen Kriegswirtschaft und Eurobonds eine Konsolidierung der nationalen Staatsschulden unter dem Schirm der der EU-Kommission zu organisieren und eine Art Pan-europäische Kreditwürdigkeit am Markt zu etablieren.

Die Staaten der Europäischen Union haben angesichts ihres Sozialstaatsmodells, der ungezügelten Migration, der selbstverschuldeten Produktivitäts- und Energiekrise ihr Potenzial längst ausgeschöpft, die Schuldenkrise durch autonome Haushaltspolitik abzuwenden.

Der Versuch, mit dem Green Deal und der grünen Transformation eine eigene Kunstwirtschaft im keynesianischen Stil an die Stelle der blutleeren Privatwirtschaft zu setzen, ist gescheitert. Am Ende droht eine Schuldenkrise, die sich weder mit simplen Bailouts noch durch Interventionen der Notenbanken lösen lässt.

Die letzte Hoffnung Brüssels, ein Scheitern der USA als Cover Story des eigenen Bankrotts hat sich gleichermaßen zerschlagen. Washington arbeitet sowohl an der Einnahmen- wie auch an der Ausgabenseite aktiv daran, seine Probleme unter Kontrolle zu bringen. Und man darf nicht vergessen, dass die USA noch immer der Emittent des wichtigsten Settlement-Vehicles der Weltökonomie sind: des US-Dollars sowie dollarbasierter Staatsanleihen. Ob es einem gefällt oder nicht.

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