
Papst Franziskus ist tot – mit 88 Jahren starb das Oberhaupt der katholischen Kirche am Ostermontag im Vatikan. Mit ihm verlässt der sicher umstrittenste Papst seit der Jahrtausendwende den Stuhl Petri.
Franziskus wollte ein anderer Papst sein. Und in vielen Facetten gerade ein Gegensatz zu seinem Vorgänger, Papst Benedikt XVI. Dieser galt als traditionell und war ein eingefleischter Theologe aus konservativem, bayerischem Hause – Franziskus hingegen war das Kind italienischer Antifaschisten. Während Benedikt ins Priesterseminar ging, arbeitete Franziskus als Türsteher und war ausgebildeter Chemietechniker. Den Weg in die Kirche fand er über den Jesuitenorden und wurde maßgeblich von der lateinamerikanischen Spielart der sogenannten „Theologie der Befreiung“ geprägt – einer katholischen Glaubensinterpretation, die die Kirche besonders an der Seite der Armen und Schwachen und als Stimme im Kampf um soziale Gerechtigkeit sieht.
Seine ärgsten Gegner waren nicht Protestanten oder Muslime, sondern eigene Glaubensbrüder. Über Jahre mobilisierten konservative Kardinäle und andere katholische Geistliche aus aller Welt gegen den Argentinier, der als zu liberal, zu verweltlicht galt. In der Tat ließ Franziskus sich in manchen Entscheidungen eher von den gesellschaftlichen Entwicklungen der Moderne als von den Dogmen des Glaubens leiten. Innerhalb des Rahmens der Kirche kann man ihn durchaus als liberal oder progressiv bezeichnen.
Franziskus argumentierte dahingehend immer, dass die Kirche kein Museum, sondern lebendig sei – sie also mit der Zeit gehen müsse. Und dass Barmherzigkeit und Nähe zu den Menschen nicht im Widerspruch zur Lehre stehen müssten. Manchmal taten sie es doch. Die Segnung homosexueller Paare etwa war in der Kirche umstritten – predigt das Christentum doch, dass Homosexualität eine Sünde ist. Eine kirchliche Anerkennung von „sündhaften“ Partnerschaften? Für viele Katholiken ein rotes Tuch. Gleichsam die Erlaubnis der Kommunion für Geschiedene und Wiederverheiratete.
Kein Papst der jüngeren Geschichte hat wohl so viel innerkirchlichen Widerstand gegen sich aufgebracht – schuld daran war auch sein Führungsstil, den viele Kritiker als autoritär bezeichneten. Konservative Kritiker stellte Franziskus kalt oder versuchte sie mit Tricks „wegzuekeln“ – einem konservativen Kardinal etwa, der zwischenzeitlich zu einem der Köpfe der Franziskus-Kritiker aufgestiegen war, erhöhte der Papst kurzerhand die Miete für seine römische Wohnung auf 8.000 Euro. In Italiens Hauptstadt Marktpreis, aber für einen Kardinal mit 4.500 Euro Monatsgehalt eigentlich unbezahlbar. Kardinal Raymond Burke konnte sein Domizil dank großzügiger Unterstützung von gleichgesinnten Spendern behalten – trotzdem demonstrierte Franziskus eine gewisse machtpolitische Durchtriebenheit, die sich so zumindest nicht direkt aus der Bibel ableiten lässt.
Gleichzeitig ging der Papst auch Schritte, in denen viele eine Gefahr der „Demokratisierung“ der Kirche sahen. In einer Bischofssynode verfolgte Franziskus Wege, die Beziehungen zwischen Klerus und Laien und die Art und Weise, wie Entscheidungen in der Kirche getroffen werden, zu überdenken. An dieser Synode nahmen auch Frauen, von Franziskus explizit bestimmt, teil – ein weiterer Triggerpunkt für die Konservativen in der Kirche.
Auch und gerade wegen dieser Synode kam es zu offenem Protest in der Kirche: Eine italienische Zeitung veröffentlichte ein Schreiben, das wohl von mehreren konservativen Kardinälen verfasst wurde. In diesem Schreiben, das unter dem Titel „Demos II“ bekannt ist, wurde eine konservativere Kirche gefordert, die sich auf sich selbst, auf Treue zur Doktrin und Schrift und auf eine klarere Führung besinnt.
Politisch eckte Papst Franziskus oft an: Er forderte offensiv die Aufnahme von Migranten. Seine erste Reise als Papst unternahm er ins Lager von Lampedusa, immer wieder besucht der Pontifex Flüchtlingszentren in Europa. Seine erste Reise als Papst führte ihn auf die Flüchtlingsinsel Lampedusa. Franziskus verurteilte eine „Gleichgültigkeit der Welt“ gegenüber dem Schicksal von Flüchtlingen. Das Mittelmeer nannte er den „größten Friedhof Europas“. Auch forderte er deutlich die Unterstützung von sogenannten „Seenotrettern“.
Israel kritisierte er gerade zuletzt stark, warf dem jüdischen Staat einen „Völkermord“ vor. Mit den Palästinensern solidarisierte er sich gleichzeitig weitgehend unkritisch. Appelle etwa zur Freilassung der Geiseln verhallten oft oder verschwanden hinter wirkmächtigeren Symbolen. Etwa, als er zur Weihnachtszeit das Jesuskind in einer Krippe auf ein Kufiya, auch bekannt als „Palästinensertuch“, bettete. Dieses wurde vor allem als Symbol des terroristischen Kampfes gegen Israel popularisiert. Die Verbrechen der Hamas setzte Franziskus mit der israelischen Kriegführung gleich. Auch im Ukraine-Krieg bezog er eine eher prorussische und anti-ukrainische beziehungsweise anti-westliche Position, die längst nicht allen gefiel.
Vielen Gläubigen war der Papst aber ein Symbol einer echten, ehrlichen und nahbaren Kirche. Franziskus‘ Einsatz für die Armen prägte seinen Glauben und sein Wirken. Er gab sich den päpstlichen Namen Franziskus in Anlehnung an Franz von Assisi, einem berühmten Bettlermönch. Er verzichtete auf Pomp und Prunk, lebte nicht im päpstlichen Palast, sondern in einer eher bescheidenen Residenz in Rom. Fuhr bei Staatsbesuchen nicht mit der dicken Karosse, sondern im bescheidenen Fiat vor. Für Obdachlose ließ er Duschen und Schlafplätze errichten. Mit Häftlingen speiste er, ihnen wie auch Migranten wusch er im Stile Jesu Christi die Füße.
Das alles aus Überzeugung: „Für mich sind es die Armen, die im Zentrum des Evangeliums stehen“, sagte der Papst. „Ich habe eine Person gehört, die gesagt hat: Der Papst ist ein Kommunist. Nein! Das ist eine Nachricht des Evangeliums, nicht des Kommunismus. Des Evangeliums! Die Armen stehen im Zentrum der Verkündigung Jesu.“ Er forderte Kirchenleute und Gläubige auf, seinem Beispiel zu folgen. „Zu den Armen zu gehen, bedeutet nicht, dass wir verarmt werden müssen oder spirituelle Penner. Es bedeutet, zum Fleische Jesu zu gehen, das leidet.“
Hier praktizierte er auch, was er predigte – bis über den Tod hinaus. Franziskus bat darum, außerhalb des Vatikans in einer vergleichsweise einfachen Zeremonie bestattet zu werden. Diesem letzten Wunsch wird die Kirche entsprechen – und den wohl umstrittensten Papst der jüngeren Geschichte in seinem eigenen Sinne zu Grabe tragen.