
Man kennt ihn: Marcel Fratzscher, Dauererklärer der Republik, Stammgast in Talkshows, Garant für politisch erwünschte Botschaften. Jetzt hat der DIW-Chef eine neue Idee: Rentner sollen ein Pflichtjahr leisten. Nicht nur junge Männer sollen zur Bundeswehr oder in den Sozialdienst – auch die Alten sollen ran. Deutschland, das Land ohne Maß und Mitte, diskutiert ernsthaft, ob Senioren künftig Pflegebetten schieben und Kasernen fegen sollen.
Fratzscher inszeniert das als Akt der Generationengerechtigkeit. Die Jungen seien durch Sozialabgaben und Klimafolgen überlastet, also müssten die Alten einspringen. Solidarität durch Zwang. Dabei klingt sein Vorschlag weniger nach ökonomischer Vernunft als nach Arbeitsdienstphantasien im Endstadium eines Staates, der nur noch nach Zwangsmitteln greift, weil er seine Probleme anders nicht mehr lösen kann.
Der Bundeswehr, so meint Fratzscher, könnten Rentner mit ihren „technischen Fähigkeiten“ helfen. Ein groteskes Bild: Die 70-Jährige am Funkgerät, der 75-Jährige beim Panzercheck, der pensionierte Lehrer im Schützengraben. Dass die Bundeswehr ein strukturelles Beschaffungs- und Führungsproblem hat, löst man so natürlich nicht – aber man hat einen neuen, originellen Vorschlag gemacht.
Doch diese Chuzpe passt ins Muster. Fratzscher war noch nie ein Mann der Realität, sondern ein Mann der Narrative. 2016 verkündete er, Flüchtlinge würden die Renten der Babyboomer bezahlen. „Ein Flüchtling erwirtschaftet spätestens nach sieben Jahren mehr, als er den Staat kostet“, so sein Mantra. Heute, nach Milliarden an Transferleistungen und einer integrationspolitischen Bankrotterklärung, weiß jeder: Das war ein Märchen, aber eines, das Politik und Medien gern hörten.
Wenn sich die Märchen als falsch erweisen, liefert Fratzscher gleich wieder die nächste Erzählung. Mal sollen die Babyboomer länger arbeiten, mal soll die Rentenanpassung gekappt werden – stets mit der Begründung, das sei gut für Wirtschaft und Gesellschaft. Vor allem aber immer mit dem Effekt, dass es zum politischen Kurs passt: mehr Belastung der arbeitenden Mitte, mehr Entlastung für die eigene Klientel.
Dabei gleichen seine Vorschläge einem Zahlenspielautomaten. Wenn Fratzscher über Geld redet, fällt mit beängstigender Regelmäßigkeit die Zahl „100 Milliarden“. Für Klima, für Rüstung, für Integration – irgendwo muss es ja herkommen. Dass dieses „Irgendwo“ immer der deutsche Steuerzahler ist, der schon jetzt ächzt, scheint ihn nicht zu stören.
Vor kurzem noch erklärte er, ein Mindestlohn von 15 Euro würde die Produktivität steigern. Ein Satz, der so klingt, als ließe sich Wohlstand einfach per Federstrich verordnen. Dass damit kleine Betriebe an den Rand gedrängt werden, dass Arbeitsplätze verschwinden, dass genau jene Branchen geschwächt werden, die viele Menschen tragen – all das blendet er aus. Hauptsache, es klingt nach sozialer Gerechtigkeit.
Das eigentliche Problem der deutschen Arbeitswelt aber bleibt unangetastet: Wer für Nichtstun fast dasselbe oder sogar mehr bekommt als für Arbeit, wird sich nicht mehr abmühen. Wer für Mehrarbeit nicht mehr netto im Portemonnaie hat, sondern weniger, dreht eben die Arbeitszeit herunter. Einfache Logik, die jeder versteht – nur nicht der Präsident des staatlich alimentierten DIW.
Man fragt sich, was gefährlicher ist: die politische Ahnungslosigkeit oder die politische Gefälligkeit. Denn Fratzscher liegt so gut wie immer daneben – und doch immer so, dass es den Regierenden gefällt. Mal sind Flüchtlinge die Rentenretter, mal die Alten die neuen Wehrpflichtigen, mal der Mindestlohn die Wachstumsmaschine. Alles falsch, aber immer im Einklang mit dem Zeitgeist.
Das DIW, das er leitet, ist zu 58 Prozent direkt staatlich finanziert – offiziell „unabhängig“, in Wahrheit eng verflochten mit den Machtzentren in Berlin. Wer bezahlt, bestimmt die Musik. Und Fratzscher spielt sie zuverlässig: eine Konzert aus Wunschdenken, Opportunismus und ökonomischer Nebelkerze.
So entsteht ein paradoxes Bild: Ein Mann, der den Anspruch erhebt, Wissenschaftler zu sein, funktioniert wie ein politischer Lautsprecher. Seine Berechnungen sind keine Analysen, sondern Erzählungen. Sie sollen Stimmung machen, nicht Wirklichkeit erklären. Und weil die Politik nichts lieber hört als Bestätigung, bleibt er Dauergast in den Medien – der „Top-Ökonom des deutschen Fernsehens“.
Der Pflichtdienst für Rentner ist nur die jüngste Absurdität in einer langen Reihe. Aber er ist symptomatisch: Wenn Politik und Wissenschaft die Realität nicht mehr in den Griff bekommen, erfinden sie absurde Konstrukte. Am Ende wird die Verantwortung von einer Gruppe zur nächsten geschoben – Hauptsache, niemand muss die wahren Ursachen benennen: ein überbordender Sozialstaat, falsche Anreize, politische Feigheit.
Fratzscher liefert dafür die ökonomische Verpackung. Für ihn ist alles eine Frage des Narrativs. Für die Bürger aber ist es längst eine Frage der Belastungsgrenze. Und die dürfte, wenn Rentner tatsächlich zu Pflichtdiensten gezwungen würden, endgültig überschritten sein.