„Ultralinke Juristin“ Brosius-Gersdorf argumentierte, Menschenwürde gelte nicht für ungeborenes Leben

vor etwa 6 Stunden

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Bildquelle: NiUS

Frauke Brosius-Gersdorf,  die von der SPD nominierte Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht, sorgte mit ihrer rechtlichen Position zur Menschenwürde und zum Schwangerschaftsabbruch für Aufregung: In ihrem 2024 im Sammelband „Rechtskonflikte“ veröffentlichten Aufsatz „Menschenwürdegarantie und Lebensrecht für das Ungeborene. Reformbedarf beim Schwangerschaftsabbruch“ argumentiert die 54-Jährige, dass die Annahme, Menschenwürde gelte automatisch für jedes menschliche Leben, ein „biologistisch-naturalistischer Fehlschluss“ sei.

In dem Fachaufsatz, der NIUS vorliegt, kommt sie zu dem Schluss, dass es „gute Gründe“ gebe, die Menschenwürde erst ab der Geburt anzusetzen.

Brosius-Gersdorf stellt sich damit gegen die geltende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das 1993 entschied: „Menschenwürde kommt schon dem ungeborenen menschlichen Leben zu“ (BVerfGE 88, 203). Das Gericht verpflichtete den Staat, ungeborenes Leben zu schützen und diesen Schutz im gesellschaftlichen Bewusstsein zu verankern. Die Juristin hingegen betont: „Menschenwürde und Lebensschutz sind rechtlich entkoppelt.“

Erschienen ist der Text der Rechtsprofessorin in einem Sammelband, in dem es gezielt darum ging, kontroverse Positionen im Sinne der Debatte zu artikulieren. Brosius-Gersdorf führt im Aufsatz auch etwa Argumente der Gegenseite in Bezug auf das „gestufte Lebensrecht“ in Abhängigkeiten der Entwicklungsstufen des Embryos auf. Allerdings sagte die Juristin später vor der Anhörung vor dem Rechtsausschuss, es gebe ihres Erachtens gute Gründe dafür, „dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt“. Doch selbst wenn man das anders sieht und schon dem Embryo pränatal die volle Menschenwürde zuerkennt, wird sie bei einem Schwangerschaftsabbruch regelhaft nicht verletzt.“ Denn der Embryo werde dadurch regelmäßig nicht „zum Objekt staatlichen Handelns herabgewürdigt“, was der Maßstab sei.

Vergangene Woche berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung bereits über abweichende Stimmen innerhalb der Union, die der Frau bescheinigten, eine „ultralinke Juristin“ zu sein, sie „niemals wählbar“ nannten und die Personalie als „lebenskritisch“ beschrieben.

Die 54-jährige Rechtsprofessorin lehrt an der Hochschule Potsdam.

Die Äußerungen in dem Aufsatz wie vor dem Rechtsausschuss sind vor dem Kontext der Nominierung Brosius-Gersdorfs zur Verfassungsrichterin brisant. Die Kandidatin könnte Richterin in Karlsruhe werden, braucht dafür aber die Zustimmung der Unionsfraktion. Innerhalb von CDU und CSU regen sich jedoch Zweifel an der Personalie – gerade auch wegen ihrer Positionierung in der Abtreibungsdebatte.

In dem vorliegenden Aufsatz argumentiert Brosius-Gersdorf, dass ungeborene und geborene Menschen zwar beide Menschen seien, jedoch unterschiedliche Würdeansprüche hätten. Ähnliche Argumente finden sich im Abschlussbericht der „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung“, an der Brosius-Gersdorf mitwirkte. Diese empfahl der Bundesregierung, Abtreibungen in der Frühschwangerschaft zu entkriminalisieren.

Abtreibungsgegner vor dem Brandenburger Tor.

Die Kandidatin vertrat in dem Sammelband die Ansicht, dass der Staat Menschenwürde in bestimmten Fällen abwägen könne, etwa beim heimlichen Zugriff auf personenbezogene Daten. Selbst wenn ungeborenes Leben Menschenwürde besitze, sei eine Abtreibung keine Verletzung dieser Würde. Brosius-Gersdorf argumentiert kühl: „Die Tötung eines Menschen ohne herabwürdigende Begleitumstände, die ihm seine Subjektqualität absprechen, verletzt Art. 1 I GG nicht.“ Eine Herabwürdigung liege nur vor, wenn zwischen „lebenswert“ und „lebensunwert“ unterschieden werde – gesellschaftliche Praktiken wie die hohe Abtreibungsrate bei Down-Syndrom-Diagnosen (neun von zehn Fällen, laut Ärztezeitung 2017) erwähnt sie nicht, wie das Portal Apollo News berichtet.

Ebenfalls auffällig: Die Einschränkung der Menschenwürde bei einer Abtreibung vergleicht sie mit dem Datenschutz. Wenn der Staat Kriminelle überwachen darf, obwohl es um ihre persönlichen Daten gehe, dann dürfe er auch die Menschenwürde von ungeborenen Kindern einschränken.

Hinsichtlich Abtreibungen führt die Rechtsprofessorin noch aus, dass sich das Recht auf Abtreibung mit dem Grundrecht der Frau auf körperliche Unversehrtheit begründen ließe: „Wegen der Auswirkungen einer Schwangerschaft auf die physische und psychische Gesundheit der Schwangeren kommt auch ihr Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 II 1 Alt. 2 GG) zur Anwendung.“ Eine Fortsetzung der Schwangerschaft in der Frühphase sei ein „gewichtiger, nicht zu rechtfertigender Grundrechtseingriff“.

Brosius-Gersdorf plädiert daher für die Abschaffung des Paragrafen 218 StGB, um Abtreibungen in der Frühschwangerschaft straffrei zu stellen. In der Spätschwangerschaft, wenn der Fötus außerhalb des Mutterleibs lebensfähig ist, solle das Lebensrecht des Fötus stärker gewichtet werden, allerdings mit Ausnahmen. Ihre Position dürfte Gegenstand öffentlicher Diskussion werden – gerade auch, weil in den Reihen der Union einige Lebensschützer und Abtreibungsgegner sitzen dürften.

Auch bei NIUS: Warum der Union mit der Personalie Brosius-Gersdorf der Ferda-Ataman-Moment droht

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