Richterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf: Warum ihre Abtreibungsposition noch radikaler ist als gedacht

vor etwa 12 Stunden

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Bildquelle: NiUS

Die als Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht vorgeschlagene Juristin Frauke Brosius-Gersdorf hat sich am Dienstagabend bei Markus Lanz erstmals öffentlich zur Debatte um ihre Person geäußert. In der ZDF-Sendung beklagte sie eine verzerrte mediale Darstellung ihrer Positionen – insbesondere zum Thema Abtreibung. Wie aus einem 500-Seiten-Gutachten für die damalige Ampel hervorgeht, liegt ihre Abtreibungsposition allerdings – nachweislich – weit links der Grundkonsens der Gesellschaft. Ihre Wahl scheiterte demnach nicht an einer „Kampagne“, sondern für Konservative indiskutable Positionierung.

Ohne konkrete Medien beim Namen zu nennen, sprach Brosius-Gersdorf von einer medialen „Kampagne“. Besonders beim Thema Schwangerschaftsabbruch sei ihre Haltung „verkürzt“ und „falsch wiedergegeben“ worden. Auch wenn sie es nicht explizit sagte: Die Beschwerde richtete sich offensichtlich auch gegen die Berichterstattung von NIUS, das seit der vergangenen Woche mehrfach fragwürdige Aussagen der Juristin problematisierte.

Dabei sollen „Grenzen“ überschritten worden sein, so die Richterkandidatin. Grünen-Fraktionsvorsitzerin Britta Haßelmann überschlug sich förmlich mit Vorwürfen („Hetze“, „Diskreditierung“, „Diffamierung“), die SPD fingierte offenbar „Morddrohungen“. Auch SPD-Politiker Karl Lauterbach behauptet, dieses Nachrichtenportal hätte eine „Kampagne“ gefahren, womit gleichfalls insinuiert wird, NIUS hätte unfair oder falsch berichtet. Solche Vorwürfe entbehren jeder Faktengrundlage.

Im Zentrum steht Brosius-Gersdorfs Haltung zur Menschenwürde des ungeborenen Lebens, wie NIUS unter anderem hier berichtete.

„Es gibt gute Gründe dafür, dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt.“

„Die Annahme, dass die Menschenwürde überall gelte, wo menschliches Leben existiert, ist ein biologistisch-naturalistischer Fehlschluss.“

„Menschenwürde- und Lebensschutz sind rechtlich entkoppelt.“

„Die Tötung eines Menschen ohne herabwürdigende Begleitumstände, die ihm seine Subjektqualität absprechen, verletzt Art. 1 Abs. 1 GG nicht.“

In diesen Zitaten deutet sich bereits an, dass ihre Abtreibungsposition weit links vom Grundkonsens unter CDU-Politikern und -Wählern steht. Wichtig ist: Das geltende Abtreibungsrecht in Deutschland beruht auf einem historisch gewachsenen Kompromiss zwischen dem konservativen Prinzip des Lebensschutzes und dem linken Anspruch auf reproduktive Selbstbestimmung der Frau: Schwangerschaftsabbrüche sind zwar grundsätzlich strafbar, bleiben aber in der Regel straffrei.

Genau diesen Ausgleich sollte eine Kommission, der Brosius-Gersdorf angehörte, aufkündigen, wie ein über 500 Seiten starkes Gutachten zeigt, das die Ampelregierung, genauer Karl Lauterbach (SPD), Marco Buschmann (FDP) und Lisa Paus (Grüne), in Auftrag gegeben hatte. Er trägt den Titel: „Bericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin.“

Darin wird dafür plädiert, Schwangerschaftsabbrüche nicht nur straflos zu lassen, sondern auch grundrechtlich als rechtmäßig zu definieren – ein fundamentaler Systemwechsel zur bisherigen Kompromisslösung. Die staatliche Schutzpflicht gegenüber dem ungeborenen Leben würde damit nicht nur juristisch, sondern auch symbolisch deutlich abgeschwächt.

Abtreibungsrechtler versammeln sich vor dem Parlament, um die Entkriminalisierung zu unterstützen, während die Abgeordneten über die Entkriminalisierung der Abtreibung abstimmen. (17.06.25)

Ein Zitat aus dem Bericht formuliert offen, was geplant ist. Es ist der klare Vorschlag, die Strafbarkeit für Schwangerschaftsabbruch zu jedem Zeitpunkt komplett zu streichen:

„Ebenso denkbar wäre es, § 218 Abs. 1 S. 1 StGB zu streichen und nur dort eine Strafbarkeit vorzusehen, wo sie erforderlich ist – etwa bei nicht selbstbestimmten und unsicheren Abbrüchen oder Eingriffen Dritter. Die strafrechtliche Verantwortung der Schwangeren ließe sich daneben in einer einzigen Norm (partiell) begrenzen bzw. ausschließen.“

Auch dieser Satz lässt aufhorchen, weil er mit der „Spätphase“ jenen Teil der Schwangerschaft betrifft, in denen das Ungeborene schon äußerst menschenähnlich ist – auch wird für Straffreiheit geworben:

„Eine Strafbewehrung des rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruchs in der Spätphase der Schwangerschaft ist zulässig. Ob sie verfassungsrechtlich geboten ist, erscheint weniger eindeutig. Das Bundesverfassungsgericht hält den Gesetzgeber nicht für verpflichtet, die gleichen Maßnahmen strafrechtlicher Art zum Schutz des Ungeborenen zu ergreifen wie zum Schutz des geborenen Menschen.“

Besonders heikel ist ihre Argumentation zur sogenannten medizinischen Indikation. Brosius-Gersdorf hält es nicht für zwingend, dass eine gesundheitliche Gefahr aus der Schwangerschaft selbst resultieren muss. Es könne auch genügen, dass die Belastung erst nach der Geburt entsteht – etwa durch die Verantwortung für ein krankes oder behindertes Kind.

So heißt es in ihrer eigenen Festschrift:

„Problematisch erscheint die medizinische Indikation […] in Konstellationen, in denen die Gefahr für die Frau […] aus den Belastungen durch die prä- und postnatale Existenz des Kindes […] resultiert. […] Solche Belastungen lassen sich möglicherweise dadurch abwenden, dass die Frau das Kind zur Welt bringt und zur Adoption freigibt. Ob und unter welchen Voraussetzungen dies der Frau zumutbar ist, ist nicht geklärt.“

Mit anderen Worten: Wenn die seelische Belastung durch die Existenz des Kindes nicht durch eine Adoption abgewendet werden kann, erscheint eine späte Abtreibung auch aus Gründen der bloßen Belastung durch das Kind denkbar.

Die Beispiele zeigen, dass es keine mediale Kampagne erfordert, um die Personalie Brosius-Gersdorf für CDU-Politiker zur Zerreißprobe für ihre Integrität, für ihr Gewissen, werden zu lassen. Die Problematik ihrer Abtreibungsposition ist nicht verzerrt oder falsch dargestellt worden, sondern liegt in der Natur der Sache – nämlich links der Mitte, im Bereich linksgrüner Parteien wie der SPD.

Die Behauptung linker Medien und Politiker, wonach die Wahl der Richterin am Freitag vorerst an einer Kampagne scheiterte, ist selbst eine linke Kampagne, an welcher die angeblich rein wissenschaftlich vorgehende Richterkandidatin sich nun beteiligt.

Welt-Journalist Robin Alexander sagt:

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