
Ist noch irgendjemand bei den Grünen, der nicht den Rauswurf der Grünen-Jugend-Chefin Jette Nietzard gefordert hat?
Cem Özdemir, Grünen-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Baden-Württemberg, erwartet eine Entschuldigung von der lustigen Schnellrednerin, weil sie einen Pullover mit der Aufschrift „ACAB“ (engl. für „alle Polizisten sind Bastarde“) getragen hatte. Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann legt ihr gar den Austritt nahe.
Es ist halt maximales Pech für Nietzard, dass die Grünen gerade auf bürgerlich machen und Polizisten-Bashing nicht ins Wahlkampf-Konzept passt. So eine Spur Kapitalismuskritik wie die Kappe mit „Eat the rich“ kann man da gerade noch als linke Folklore durchgehen lassen. Aber die Polizei, den Freund und Helfer, zu beleidigen geht gerade gar nicht. Und das hat nicht damit zu tun, dass Robert Habeck, Annalena Baerbock und andere Grüne die Polizei als Vollstrecker ihrer Strafanzeigen („Schwachkopf“) und Hausdurchsuchungen brauchen.
Die liebe Jette hat einfach nicht verstanden, dass das Modell Bürgerschreck nicht in die Strategie fürs Macht-Comeback von Özdemir & Co. passt. Sonst gern linksradikal, nur jetzt nicht, Jette. Im vergangenen Herbst trat noch der gesamte Vorstand der Grünen Jugend aus der Partei aus, weil der Laden angeblich zur „rechts“ geworden sei. Und natürlich sind die Grünen auch sonst eine zutiefst linke Partei. Als sie Anfang der achtziger Jahre erstmals in den Bundestag einzogen und übrigens auch Ausschussvorsitze übernehmen durften, hatte Frontfrau Antje Vollmer noch Verständnis für die RAF und Probleme mit dem Gewaltmonopol des Staates.
Jette Nietzard, Sprecherin der Grünen Jugend
Das gesamte Welt- und Politikverständnis der Grünen ist ein klassisch linkes und eben gerade nicht bürgerliches, auch wenn viele Freunde und Unterstützer bürgerlich leben. Der Kern des linken Weltbildes liegt darin, die Welt nicht nach dem evolutionären, freien Willen der Bürger zu entwickeln, sondern nach einer vermeintlich höheren ideologischen Einsicht durch direkten autoritären Zugriff aktivistisch zu verändern. Die zahlreichen „Wenden“ in Verkehr, Energie, Heizen, Klima etc. sind nichts anderes, als ehedem die sozialistischen revolutionären Eingriffe in Eigentum und Gesellschaft. In den zeitlichen Planungen etwa für Atom-, Kohle-, Verbrenner-Ausstieg oder für die Klimaneutralität bis 2045 gleichen sie nicht zufällig der staatssozialistischen Planwirtschaft von einst. Die Ähnlichkeit ist zwingend und folgerichtig.
Die von Annalena Baerbock und anderen Spitzengrünen verfochtene Theorie der „regelbasierten Weltordnung“ oder der „feministischen Außenpolitik“ folgt einem internationalistisch-kollektivistischen Ideal, das selbstverständlich die eigene Welt- und Wertesicht als verbindlich und alternativlos ansieht. Nicht umsonst beschränken sich bürgerliche Konzepte auf das Aushandeln unterschiedlicher nationaler Interessen, weil idealistische moralische Konzepte immer von Dritten als übergriffig, missionarisch und hegemonial empfunden werden – auch wenn sie noch so gut gemeint sein mögen. Die staatlich verordnete Agrar-Wende, wie sie auch Özdemir als Minister vertreten hat, ist ebenfalls klassisch linkes Denken, kaschiert mit der sympathischen Erzählung von Sonnenblumen und glücklichen Tieren, hinter der der Wille zum autoritären Umbau der Gesellschaft nicht sogleich sichtbar wird.
Jette Nietzard passt deshalb völlig bruchlos zu den Grünen. Ihr Fehler war, irgendwie unfreundlich und vor allem unsympathisch konfrontativ auszusprechen, was staatstragende Parteifreunde auf dem Weg zur Staatsmacht nicht soooo deutlich sagen wollen. Grün ist halt sympathischer und weniger historisch belastet als Rot. Auch wenn politisch beides auf das Gleiche hinausläuft. Nur kuschliger halt.
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