
Womöglich wird man irgendwann auf die letzten Tage dieses Aprils zurückblicken und sie als historisch betrachten: Bei gleich zwei renommierten Umfrageinstituten, Forsa und Insa, erreichte die AfD jüngst Spitzenwerte. Bei Insa 25 Prozent der Stimmen und damit genau so viele wie die Union, bei Forsa sogar 26 Prozent und Platz 1 – noch vor CDU/CSU.
Die Umfragen zeigen dabei eindeutig: Die Mehrheit goutiert den Kurs des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz nicht. Während er bei der Wahl noch 28,6 Prozent der Stimmen holen konnte, verlor er in der Zeit danach Prozentpunkt für Prozentpunkt. Sowohl die Aufnahme von Mega-Schulden mit alten Bundestagsmehrheiten als auch der Koalitionsvertrag mit der SPD dürften dabei nicht auf Merz’ Glaubwürdigkeitskonto eingezahlt haben, sondern seine Position geschwächt haben. Mit dem Abstieg der Union konnte sich die AfD zunehmend als starke Kraft etablieren.
Doch die Umfragen zur Wahlpräferenz erzählen dabei nicht die ganze Wahrheit. Deutlich schwerer wiegt ein Blick in die Datensätze, der offenbart, wie groß das Problem der Union ist. Die Erhebungen zeigen: Nicht nur steht die Zukunft der Union als Ganzes auf dem Spiel, sondern auch der gesamte Politikstil „der Mitte“.
NIUS fasst die wichtigsten Daten-Erkenntnisse zusammen.
Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa hält es mehr als die Hälfte der Befragten (51 Prozent) für wahrscheinlich, dass die AfD bei der nächsten Bundestagswahl die meisten Stimmen erhält. Nur 27 Prozent glauben nicht daran.
Besonders groß ist die Zuversicht unter AfD-Wählern selbst: 87 Prozent sind überzeugt, dass ihre Partei die Wahl gewinnt. Auch Anhänger von Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW, 63 Prozent) und FDP (60 Prozent) sehen die AfD vorne. Bei den Unions-Wählern halten 45 Prozent einen AfD-Sieg für wahrscheinlich, während 39 Prozent dies nicht glauben. Ähnlich ist die Stimmung bei den Linken-Wählern (45 Prozent für wahrscheinlich, 31 Prozent für unwahrscheinlich). Nur SPD- und Grünen-Anhänger sind mehrheitlich skeptisch.
Quelle: INSA
Quelle: INSA
Die Umfrage zeigt auch einen Wandel in der Wahrnehmung der AfD – trotz der Tatsache, dass sie von Medien immer wieder als „rechtsextrem“ gebrandmarkt wird: 46 Prozent der Deutschen fordern, die Partei wie jede andere zu behandeln, während nur 33 Prozent für eine Ausgrenzung plädieren.
SPD-, Grünen- und Linken-Wähler sind die einzigen, die mehrheitlich an der Ausgrenzung festhalten, während AfD-, Unions-, BSW- und FDP-Anhänger eine Normalisierung befürworten.
Quelle: INSA
Quelle: INSA
Interessant ist das Wahlverhalten nach Religionszugehörigkeit. Unter Protestanten liegt die AfD mit 26 Prozent knapp hinter der Union (28 Prozent), während die Grünen nur 7 Prozent erreichen.
Ähnlich bei Katholiken: CDU/CSU führt mit 34 Prozent, gefolgt von der AfD mit 25 Prozent, die Grünen liegen bei 13 Prozent. Konfessionslose bevorzugen die AfD (26 Prozent) vor der Union (19 Prozent). Muslime wählen hingegen mehrheitlich SPD (37 Prozent) und Linke (25 Prozent).
Die Präferenz aufgeschlüsselt nach Religionszugehörigkeit. (Quelle: INSA)
Dass Friedrich Merz an Zuspruch verloren hat, zeigt sich auch in dem aktuellen RTL/ntv-Trendbarometer von Forsa. Nur 40 Prozent der Befragten sehen in ihm einen „führungsstarken“ Politiker – ein Rückgang um 9 Punkte seit Januar. Auch seine Nähe zu den Bürgern wird angezweifelt: Nur 27 Prozent finden, dass Merz „weiß, was die Menschen bewegt“, ebenfalls 9 Punkte weniger.
Zudem zeigt sich Skepsis gegenüber seiner künftigen Regierungsführung. Gerade einmal 42 Prozent glauben, dass Merz Deutschland besser führen wird als Olaf Scholz, während 53 Prozent dies nicht erwarten. Besonders kritisch wird sein Vertrauen bewertet: Nur 21 Prozent halten ihn für „vertrauenswürdig“, ein Minus von 3 Punkten im Vergleich zur Umfrage vor der Wahl.
Dies deckt sich mit Erhebungen des ARD-Deutschlandtrends und des ZDF-Politikbarometers, in denen Merz wiederholt schlecht abschnitt – und unbeliebter war als Politiker wie Boris Pistorius (SPD) oder Markus Söder (CSU).
35 Prozent der Befragten, die die AfD gewählt haben, stimmen mit deren politischen Positionen überein. 19 Prozent lehnen laut INSA das gesamte politische System ab, während rund 40 Prozent aus Protest gegen etablierte Parteien wählten: 24 Prozent nannten Unzufriedenheit mit der Ampel-Regierung, 15 Prozent äußerten Vorbehalte gegen den designierten Kanzler Friedrich Merz.
Die AfD hat dabei bemerkenswerterweise weiteres Wählerpotenzial: Nach 20,8 Prozent bei der Wahl am 24. Februar können sich zusätzliche 12 Prozent vorstellen, die Partei zu wählen – im Osten sogar 18 Prozent, im Westen 11 Prozent. Besonders groß ist das Potenzial bei Unions-Wählern (13 Prozent), während BSW- (33 Prozent) und FDP-Anhänger (25 Prozent) prozentual stärker schwanken, aber zahlenmäßig weniger relevant sind. Bei SPD, Grünen und Linken liegt das Potenzial nur bei 2 bis 5 Prozent.
Das AfD-Potential wächst. (Quelle: INSA)Als mögliche Gründe für eine künftige AfD-Wahl nannten 22 Prozent eine schlechte Regierungsführung der neuen Koalition, 20 Prozent Unzufriedenheit mit etablierten Parteien und 19 Prozent eine unzureichende Begrenzung der Migration. Einfluss auf die AfD selbst könnten zwei Faktoren haben: 11 Prozent könnten durch „weniger Rechtsextreme“ in der Partei überzeugt werden, 10 Prozent fordern „bessere politische Konzepte“.
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