Friedrich Merz: Einfach, klar und geradeheraus

vor etwa 5 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Manchmal konzentriert sich alles in einem einzigen Augenblick. So wie bei der parlamentarischen Fragestunde nach der Generaldebatte am 11. Juli.

Merz wollte einmal vor großem Publikum im Bundestag entschlossen wirken. Doch seine Eitelkeit, seine offensichtliche Unfähigkeit, Situationen, Stimmungen und Menschen richtig einzuschätzen zu können und sein Wissen, dass er als schwach gilt, als jemand der Gesagtes schon bei der leisesten Kritik sofort in das Gegenteil verkehrt, führten zu einer bemerkenswerten und wahrscheinlich irreversiblen Selbstdemontage. Beatrix von Storch stellte eine Merz einfache, für jeden nachvollziehbare Frage zu seinem Grundverständnis von Menschenwürde und Humanität.

Zunächst antwortete Merz arrogant, indem er von Storch und der AfD grundsätzlich das Recht absprach, über dieses Thema überhaupt sprechen zu dürfen: „Über die Tragweite und die Reichweite von Artikel 1, Satz 1 unseres Grundgesetzes, Frau von Storch, würde ich bei anderer Gelegenheit dann gerade mit Ihnen gerne mal diskutieren“. Aus Merz‘ Mund ist das natürlich blanker Zynismus, da gerade er jede Auseinandersetzung, ja sogar jedes Gespräch mit der AfD verweigert und deren Abgeordnete wie Parias behandelt. In seiner Überheblichkeit überhörte er den Subtext der Frage von Storchs.

“Ich frage Sie, ob Sie es mit Ihrem Gewissen vereinbaren können, Frau Brosius-Gersdorf zu wählen, für die die Würde eines Menschen nicht gilt, wenn er nicht geboren ist. Frau Brosius-Gersdorf hat gesagt, dass einem Kind, das neun Monate alt ist, zwei Minuten vor der Geburt keine Menschenwürde zukommt. Können Sie es mit Ihrem Gewissen vereinbaren, diese Frau zu wählen, wissend, dass vermutlich diese Dame in Kürze über die Abschaffung des § 218 abstimmen wird?“

Merz aber wollte in seiner Eitelkeit Storch mit einer klaren, ebenso einfachen Antwort vorführen und abkanzeln. Und antwortete schlicht mit „Ja“. Was er nicht bedachte: Diese Antwort würde das letzte spärliche konservative Selbstverständnis ad acta legen. Sichtlich selbstzufrieden wandte er sich in Erwartung stürmischen Applauses für seinen rhetorische Meisterleistung seiner Fraktion zu, der allerdings bis auf vereinzeltes verhaltenes Klatschen ausblieb.

Merz ist, auch wenn er Kanzler bleiben sollte, bereits gescheitert. Noch nie hat ein Kanzler so grundlegend versagt wie er. In dieser Angelegenheit schaffte er es sogar gleich zwei Mal. Zuerst, indem er diese Kandidatinnen Brosius-Gersdorf und Kaufhold überhaupt akzeptierte, anstatt dem Koalitionspartner deutlich zu machen, dass diese bei der Union nicht durchgesetzt werden könnten. Schon das zeigt seine Schwäche. Das zweite Versagen war, dass er es für ausgeschlossen hielt, dass selbst die ja nicht durch übertriebenen Mut bekannte CDU/CSU-Fraktion ihm bei dieser Selbstmord-Aktion nicht folgen würde.

Bemerkenswert ist jedoch, dass offensichtlich vielen Abgeordneten erst durch Anrufe und Mails ihrer Wähler der Ernst dieser Situation überhaupt klar wurde. Das ist ein deutlicher Erfolg der liberal-konservativen neuen Medien, die mittlerweile anscheinend größer Reichweite, auf jeden Fall aber mehr Glaubwürdigkeit zu besitzen scheinen, als die Staatsmedien. Diese hatten und haben nicht, kaum oder unvollständig über die Vorgänge rund um die Richterwahl berichtet.

Ebenso überraschend ist Widerstand aus dem deutschen Episkopat, der sich gewöhnlich nicht mit Kritik gegenüber linker Politik hervortut, dafür aber die Brandmauerrhetorik gern mitbedient. Die Stellungnahmen der Bischöfe, die sich zu Wort meldeten, sind inhaltlich von der Kritik aus den Reihen der AfD eigentlich nicht zu unterscheiden. Und das ist etwas, dass die opportunistischen Bischöfe bisher gescheut haben wie der Teufel das Weihwasser.

Merz hat sich durch diese Unbedachtheit wahrscheinlich so geschwächt und demontiert, dass er sich davon nicht mehr erholen wird.

Die von Merz gedeckte Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf steht für einen kollektivistischen Justiz- und Gesellschaftsumbau. Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie würden unrettbar zerstört werden. Sie hält das Ehegattensplitting für verfassungswidrig. Die kostenlose Mitversicherung von Ehegatten? Weg damit. Kruzifixe im Klassenzimmer? Ein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot. Kopftücher im Staatsdienst? Selbstverständlich erlaubt. Mit Brosius-Gersdorf würde ein tief kulturrevolutionärer Geist ins Bundesverfassungsgericht einziehen. Und Merz wollte und will dem wahrscheinlich noch immer die Tür öffnen.

Dass Friedrich Merz überhaupt Kandidatinnen der SPD abnickt, die selbst in den Reihen der Sozialdemokratie als Vertreterinnen der extremen Linken gelten, zeigt, dass dieser Kanzler keine Autorität hat. Merz wollte den Kulturkampf vermeiden. Tatsächlich hat ihn erst voll entfacht. Er wollte die AfD stellen und wurde von ihr vorgeführt.

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