Friedrich Merz gewinnt – ohne zu siegen

vor 2 Monaten

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Nach einem Sieg treten Fußballmannschaften vor ihre Fans. Sie lassen sich feiern. Die Fans stimmen das Lied an: „So sehen Sieger aus, schalalalala.“ Nach der gestrigen Bundestagswahl sehen CDU und CSU nicht wie Sieger aus.

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Der christdemokratische Generalsekretär sprach wie ein Trauerredner. Carsten Linnemann forderte Zuversicht statt Depression für Deutschland – doch es klang, als beschriebe er die Lage der eigenen Partei. Der CSU-Vorsitzende Markus Söder legte die Stirn in Sorgenfalten, während der vermutlich nächste Kanzler Friedrich Merz sich ein Lächeln abrang. Der Gewinn der Union ist ein Sieg ohne Lorbeer. Und das hat die Union sich selbst zuzuschreiben.

Linnemann, Söder und Merz am Abend des 23. Februar im Konrad-Adenauer-Haus, der CDU Parteizentrale, in Berlin.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache – und diese Sprache kann der Union nicht gefallen. Sie löste sich von dem historischen Tief, das ihr der unglückliche Kandidat Armin Laschet vor dreieinhalb Jahren beschert hatte. Ein Resultat von nunmehr 28,6 Prozent enthält aber nur noch Spurenelemente einstiger Größe.

Das vorläufige amtliche Endergebnis der Bundestagswahl 2025

Erst kam der Union die Überzeugung von sich selbst abhanden, dann die Wählerschar – zumindest eine große Menge einstiger Stammwähler. Die Union hat das Tal der Tränen verlassen, aber ihre Lage bleibt instabil. Sie ist mal Löwe, mal Lämmchen. Mal das Team klare Kante und mal die Notgemeinschaft der Verzagten.

Tief in der Nacht stellte sich heraus, dass Friedrich Merz die Quadratur des Kreises erspart bleibt. Weil das Bündnis Sahra Wagenknecht knapp – um 14000 Stimmen – den Einzug in den Bundestag verfehlte, reicht es für eine schwarz-rote Koalition. Das Horrorszenario einer Afghanistan-Koalition mit Rot und Grün bleibt Deutschland erspart – gut so.

Ein Selbstläufer werden die Verhandlungen aber nicht. Die SPD büßte 9,3 Prozentpunkte ein und erzielte ein Rekordtief von 16,4 Prozent. Olaf Scholz hat die SPD verzwergt und die Wähler vertrieben. Sage und schreibe 720.000 Menschen flohen von der SPD und ihrem plumpen „Gegen rechts“-Kampf in die Arme der AfD. Diese Wanderungsbilanz ist die absolute Demütigung für eine Arbeiterpartei von gestern.

Was früher die Große Koalition hieß, das Bündnis von Union und SPD, vereinigt noch 45 Prozent der Wählerstimmen. In der Sozialdemokratie wird jetzt die Operation Hauen und Stechen einsetzen – die ganz besonders Linken wetzen die Messer, die etwas weniger Linken appellieren an die Verantwortung. In der SPD sind alle Wetter los – und Merz wird es in den Verhandlungen spüren. Eine Partei am Abgrund ist ein unkalkulierbarer Partner.

Die Union wird am eigenen Leib die Schmerzen erfahren, auf die selbst zugearbeitet hat. Merz blies mal die Backen, um ein garstiges Lied auf SPD und Grüne anzustimmen – nur um wenig später mild zu pfeifen und die linken Parteien zu umgarnen. So trieb er über eine Million Wähler in die Arme der AfD.

Friedrich Merz nach dem Sieg der Union in der Parteizentrale

Merz ist es nicht gelungen, Konturen zu behalten und Vertrauen zu gewinnen. Er redete zu viel von der politischen Konkurrenz, von der AfD vor allem, und zu wenig von der CDU. Die AfD hat sich verdoppelt. Daraus folgt: Das Versprechen des Friedrich Merz, mit der Migrationspolitik von Angela Merkel zu brechen, wurde Friedrich Merz nicht geglaubt.

Wie geht es weiter? Merz wird – sollten die Verhandlungen von Erfolg gekrönt sein – ein Kanzler des Übergangs sein, ein letztes Wetterleuchten der Konsensrepublik Deutschland. Ein Kanzler Merz wird ein Aufhalter sein, ein Verzögerer jener Disruption, die weltweit neue Wege geht und neue Bündnisse formt, auf der Basis nationaler Interessen.

So lautet der Befund am ersten Tag nach den Wahlen: Friedrich Merz ist noch nicht Kanzler geworden, und er spürt schon den Atem seiner Nachfolger im Nacken – und den Gegenwind eines neuen globalen Zeitgeists.

Die letzte Koalition von Schwarz und Rot endete mit dem Gang der Union in die Opposition. Wer sich nur um der Macht willen an die Macht klammert, wird sie verlieren.

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