
In Berlin geht wieder mal die Angst um. Eine Angst, die sich am Mittwochabend mit der Kanzlermaschine auf den Weg nach Washington gemacht hat: die Angst vor US-Präsident Donald Trump.
Wer sich die Medien-Kommentare und Texte ansieht, erfährt im Grunde immer das Gleiche: Die deutsche Politik und in diesem Fall Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sucht mit Anflügen von Panik nach irgendeinem Weg, Trump so zu begegnen, dass es nicht zum Desaster wird.
Die deutsche Delegation auf dem Weg nach Washington.
Sein erstes Ziel hat der sprunghafte Bau-Tycoon damit bereits erreicht. Verunsicherung des Gesprächspartners gehört zum grundlegenden Einmaleins der Diplomatie. Dominanz schon beim Empfang auszustrahlen, ist die Logik hinter all den langen Auffahrten, beim Warten am Kopf der Treppe in Regierungspalästen, die den Besucher zu einem langen, nicht selten aufwärts führenden Marsch hin zum Gastgeber leiten. Der kann dann noch so freundlich lächeln, umarmen und schmeichelnde Worte finden, und hat doch die Position längst klargemacht.
Trump führt diese Dominanztechnik mit der Brutalität des Immobiliengewerbes und der von Umgangsformen nicht verfeinerten Geradlinigkeit aus, die schon Merz’ Vorvorgängerin Angela Merkel (CDU) zu schaffen machte. Merkel hatte ebenfalls Emissäre vorab nach Washington geschickt, die Umfeld, Schwächen und psychologische Tricks erkunden sollten, mit denen man Trump knacken, überrumpeln und wenigstens milde stimmen kann. Merkel sah sich sogar etliche Folgen von Trumps TV-Show „The Apprentice“ (vergleichbar mit der „Höhle der Löwen“) an, um ihn zu analysieren. Ein wirkliches Rezept hat auch sie nicht gefunden, wie man an der berühmten Szene erkennt, als er ihr im Oval Office den Handschlag verweigert.
Trump und Merkels Begegnungen waren nicht gerade von Sympathie geprägt.
Merkel war so klug, eine nahezu steinerne Fassade zu bewahren. Ob das Friedrich Merz gelingt, wird in seinem Umfeld eher mit Sorge betrachtet. „Merz ist sprunghaft und emotional“, sagt ein CDU-Präsidiumsmitglied. Mehr oder weniger kleine kommunikative Patzer haben das immer wieder gezeigt. Im Vorfeld hat sich der Kanzler bei Trump-Vertrauten wie etwa Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni und anderen europäischen Staatschefs erkundigt, wie man Trump wohl packen könnte. Die Methode Schmeicheln, die schon Merkel mäßig erfolgreich versuchte, wird kaum zum Ziel führen.
Vor allem aber ist der Verweis auf „tiefe transatlantische Verbundenheit“ eine Formel, für die man sich bei Trump nichts kaufen kann. Auch der Verweis auf den europäischen Binnenmarkt und das Locken mit europäischen und deutschen Investitionen führt nicht dazu, dass Trump sein Ziel aus den Augen verliert, das Handelsungleichgewicht Amerikas zu seinen Gunsten zu verändern und auf das Zurschaustellen seines Kämpfertums für dieses Ziel zu verzichten.
Ein Machthaber, der eine solche hektische Aktivität vor Treffen mit ihm auslöst, hat bereits ein beträchtliches Momentum auf seiner Seite. Und er hat die Blicke der Öffentlichkeit dafür geschärft, jede kleine Unsicherheit des Gastes im Auge zu behalten. Merz wird unter anderem darauf hinweisen, dass Deutschland seine Verpflichtungen in der Nato mit geradezu atemberaubenden fünf Prozent für Verteidigung erfüllen wird (indem man 1,5 Prozent für Infrastruktur dezent „wehrhaften“ Brücken und Straßen zurechnet).
Der CDU-Bundeskanzler wird zudem versuchen, Trump im Verbund gegen Russland und für die Ukraine zu halten und damit rechnen müssen, dass der US-Präsident in der Ukraine keine moralische Mission sieht, sondern ein lästiges Ärgernis, das die Europäer vor ihrer Haustür selbst klären sollen.
Merz wird am Donnerstag im Weißen Haus auf Trump treffen.
Vor allem aber wird Trump das Thema Meinungsfreiheit intern und womöglich auch offen ansprechen. Die Trump-Administration hat nicht vergessen, dass Merz im Wahlkampf die Republikaner auf eine Stufe mit Putin stellte, sich vor Jahren mit dem konservativen Senator Lindsey Graham nicht sehen lassen wollte und sich eben nicht klar auf die Seite der konservativen Kulturkämpfer stellte, sondern mit jenen linken Milieus liebäugelt, die Trump auf allen Ebenen der Gesellschaft bekämpft.
Die Rede von JD Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz war mehr als ernst gemeint: Wer sich über Millionen Wählerstimmen hinwegsetzt und diese für irrelevant hält, hat den Freiheitsbegriff von Trump und seinen Leuten nicht verstanden, sondern wird als Hindernis für eine konservative Dominanz in der westlichen Welt betrachtet.
Soviel kann man sagen: Die Übernachtung von Merz im Blair House gleich neben dem Weißen Haus ist eine freundliche Geste. Kaufen kann er sich dafür in den Verhandlungen nichts. Gemütlich werden sie auf keinen Fall.
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