
Nicht gewählt! Als Friedrich Merz nach dem gescheiterten ersten Wahlgang den Bundestag verlässt, kocht er. Das ist eine Ohrfeige, wie es sie für einen designierten Kanzler noch nicht gegeben hat. Aber es passt zu allem, was Friedrich Merz seit der Bundestagswahl abgeliefert hat.
Ein schlechteres Omen hat es für einen designierten Kanzler noch nicht gegeben. Aber es hat auch noch nie einen designierten Kanzler gegeben, der sich noch vor seiner Wahl so selbst demontiert hat.
Schauen wir zurück: ein schlechtes Wahlergebnis von nur 28,5 Prozent, das zweitschlechteste für die Union jemals. Dann, auch durch die Brandmauer, wurde Merz in eine Koalition mit der SPD gezwungen. Dann begann das Elend erst richtig: der große Wortbruch bei der Schuldenbremse, dann der weitgehende Durchmarsch der Sozialdemokraten in den Koalitionsverhandlungen.
Aus Grenzschließungen „am ersten Tag“ und Zurückweisungen „ausnahmslos aller“ illegal Einreisenden in der Amtszeit von Merz wurden eher etwas mehr eventuelle Zurückweisungen, wenn die Nachbarn mitmachen. Statt „Links ist vorbei“ setzt die neue Koalition in vielen Bereichen linke Politik fort. Die Ideen „linker Spinner“ stehen prominent im Koalitionsvertrag, die mit 512 Fragen von der Union zurecht ins Visier genommene „Zivilgesellschaft“ wird weiter gefördert und blind gelobt.
Anspruch und Wirklichkeit, Wahlkampf und Regierungsbildung – selten klaffte jeweils beides so auseinander wie bei Friedrich Merz. Das Ergebnis am Dienstagvormittag ist der Endpunkt dieser Lücken-Performance seit dem Wahltag. Sein politischer Fehlstart ist abgerundet. Das ist ein Menetekel für die kommende Regierungszeit. Friedrich Merz hat die Wähler ge- und enttäuscht, seine Partei provoziert, und auch auf den Rückhalt in der Sozialdemokratie kann sich der dort dämonisierte Merz nicht wirklich verlassen.
Es ist vielleicht noch keine Staatskrise, wie sie mancher Journalist schon ausruft – aber auf jeden Fall eine handfeste Regierungskrise, die mit dem heutigen Tag und auch mit einer erfolgreichen Wahl noch nicht vorbei sein wird. Denn Merz kann sich auf niemanden verlassen, er und seine Regierung haben keine sichere Mehrheit im Bundestag. Und eigentlich kann und sollte ein Mann ohne Mehrheit nicht Kanzler werden.