Friedrich Merz warnt vor „radikalisierten Bürger“ – das ist bitter und bezeichnend

vor etwa 2 Monaten

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Friedrich Merz, Kanzler der Bundesrepublik Deutschland: An diese Vorstellung muss man sich gewöhnen. Der Christdemokrat könnte in der kommenden Woche in die Fußstapfen treten von Konrad Adenauer, Willy Brandt und Helmut Kohl.

Je näher der Tag der Entscheidung rückt, desto rätselhafter wird der Mann aus dem Sauerland. Ist er ein Konservativer, der seine Ambitionen verbirgt, um den letzten Schritt zur Macht nicht zu gefährden? Ist er ein Wendehals ohne Prinzipien? Man muss Merz nur zuhören. Dann löst sich das Rätsel. Dann zeigt sich: Merz trug das Konservative wie einen Mantel abends im Spätherbst. Nun, im Frühling, streift er ihn ab. Er braucht ihn nicht mehr.

Auf dem Kleinen Parteitag der CDU erstattete ihr Vorsitzender Bericht. Merz blickte zurück auf die Wahl und die Koalitionsverhandlungen – und voraus auf das Regierungsbündnis aus Union und SPD.

An fünf Stellen seiner Rede lässt Merz durchblicken, wie er vor seinem geplanten Karrieresprung denkt. Fünfmal gewährt er uns Einblick in seine aktuelle politische Weltanschauung. Wir wissen nun, was für ein Kanzler uns erwartet, sollte der nächste Kanzler Friedrich Merz heißen. Es sind fünf traurige Erkenntnisse.

Erstens erklärt Merz: Das Vertrauen in „unsere Demokratie“ sei „beschädigt wie nie in der Nachkriegsgeschichte unseres Landes“.

Warum verwendet Merz den Begriff „unsere Demokratie“, mit der Linke eine Demokratie nach ihren Vorstellungen bezeichnen? „Demokratie“ hätte genügt. Und wer hat das Vertrauen beschädigt, wenn nicht jene Parteien, die seit Jahrzehnten regieren, also Union und SPD, die nun gemeinsam wieder das Land leiten wollen?

Vor allem aber: Merz hat für den Osten kein Gespür. Zur Nachkriegsgeschichte gehört auch die Geschichte der DDR, für die Merz sich nicht interessiert, – und in der DDR gab es weniger Vertrauen in die Demokratie als heute im wiedervereinigten Deutschland. Merz bleibt ein Vertreter der Bonner Republik. Er kennt den Osten 35 Jahre nach dem Mauerfall nur als die neuen Länder.

Zweitens behauptet Merz: Radikalisierte deutsche Bürger schaden der EU.

Es ist abenteuerlich: Merz stellt den Angriff Russlands auf die Ukraine und ein gewisses demokratisches Grundrauschen in Deutschland nebeneinander. Was sind „radikalisierte Bürger“?

Ich befürchte, Merz drückt hier sein Unbehagen an radikaler Regierungskritik aus. Bürger haben aber das Recht, jede Politik scharf zu kritisieren, ja sie abzulehnen. Sie müssen sich deshalb weder maßregeln noch sich vorwerfen lassen, der EU zu schaden. Gerade wegen solcher Unterstellungen nimmt die Demokratie Schaden.

Drittens singt Merz das hohe Lied der Einwanderung.

Merz übernimmt die Erzählung der Annalena Baerbock. Demnach ist Deutschland ohne Zuwanderung nicht lebensfähig. Merz überbietet das grüne Glaubensbekenntnis, indem er ihm quasi Ewigkeitswert zuerkannt. Noch Jahrzehnte wird Deutschland laut Merz Einwanderungsland bleiben – also auf Einwanderung angewiesen sein.

Das ist eine Bankrotterklärung. Deutsche Politik will die demografische Herausforderung nur durch immer mehr Migration lösen. So viel Ambitionslosigkeit hätte ich Merz nicht zugetraut.

Viertens will Merz die Bürger dazu bringen, „das Richtige“ zu tun. Darf der Staat aber aus seiner Sicht richtiges Handeln vorschreiben, und sei es in der Klimaschutzpolitik?

Es ist paradox: Merz will sich von der „Ampel“ absetzen, indem er deren Ziele umsetzt. Die Anreize, die ankündigt, bedeuten: Konventionelle Energie so verteuern, dass die Bürger zum Umstieg auf sogenannte erneuerbare Energie genötigt werden. Das und nur das, beharrt Merz, sei das Richtige. Ein Staat, der seinen Bürgern richtiges Handeln im Alltag vorschreibt, ist kein liberaler Staat. Und wer es anordnet, ist kein konservativer Politiker.

Fünftens lobt Merz den Kompromiss, immer wieder den Kompromiss.

Kompromisse gehören zu Demokratien wie der Wollmantel zum Spätherbst. Sie sind kein Selbstzweck. Merz erweckt den Eindruck, Kompromisse seien immer gut. Das sind sie nicht. Merz schloss Kompromisse zum Nachteil der Union und vielleicht zum Schaden Deutschlands. Die Bürger erwarten keine Kompromisse, sondern eine Regierung, die zum Wohl des Landes Prioritäten setzt.

Merz sieht also die Demokratie beschädigt und fürchtet sich vor „radikalisierten Bürgern“. Merz stellt Zuwanderung unter Bestandsschutz, will den Bürgern Klimaschutz verordnen und hält Kompromisse für einen Beweis guter Politiker. Ist Friedrich Merz also der Richtige, um in die Fußstapfen von Konrad Adenauer, Willy Brandt und Helmut Kohl zu treten?

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