
Als zweiter Bundeskanzler nach Olaf Scholz trat Friedrich Merz bei der schwer linkslastigen Digitalmesse re:publica auf. Anders als andere Vertreter vermeintlich konservativer Parteien in den vergangenen Jahren erntete er keinen Unmut – eigentlich ein alarmierendes Zeichen. Einmal erntete er sogar starken Beifall: als er Israels Kriegsführung im Gazastreifen kritisierte.
Schon in der Ankündigung wurden als „entscheidende Fragen“ genannt: Wie soll sie aussehen, Europas Auseinandersetzung mit Russland, China, nun auch den USA unter Trump 2? Welche Rolle soll die EU spielen im zunehmend verheerenden Krieg Israels in Gaza? Auf welche Weise will Berlin sie verteidigen, die immer stärker unter Druck geratende liberale Demokratie? Um es kurz zu machen: Die letzte Frage wurde dann doch nicht abgehandelt, dafür das unvermeidliche Thema des „zunehmend verheerenden Krieges Israels in Gaza“.
Zunächst plauderte Kanzler Merz im Interview mit Markus Preiß, Leiter des ARD-Hauptstadtstudios, eher launig über seine bisher vier Telefonate mit US-Präsident Donald Trump und verkündete, man habe einen Aufschub der angedrohten Zölle bis zum 9. Juli erreicht, nun müsse die EU die Zeit nutzen und geschlossen auftreten. Hinsichtlich des Ukraine-Krieges habe man in den letzten Wochen alle diplomatischen Möglichkeiten ausgeschöpft, aber Putin deute Versuche, mit ihm ins Gespräch zu kommen, als Schwäche. Das habe auch Trump verstanden, der sei zunehmend desillusioniert.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) nahm im Rahmen der Medienkonferenz Re:publica an einem Bühnengespräch
De Erwartungen des re:publica-Publikums stellte Kanzler Merz mit kritischen Aussagen an die Adresse Jerusalems zufrieden. Von Preiß zitiert („Israel bereitet uns allergrößte Sorgen“) und gefragt, ob seine Einschätzung jetzt schärfer geworden sei, antwortete Merz: „Eindeutig ja.“ Er sprach von einer „menschlichen Tragödie und politischen Katastrophe“ und werde demnächst mit Israels Premier Benjamin Netanjahu darüber sprechen, dem er „hinter verschlossenen Türen“ schon mal „Übertreibt’s nicht!“ geraten haben will.
Er verstehe nicht, mit welchem Ziel die israelischen Streitkräfte vorgingen, die palästinensische Zivilbevölkerung sei „so stark betroffen, das lässt sich nicht mit dem ‚Kampf gegen Terror‘ rechtfertigen“, woraufhin das Publikum frenetisch applaudierte. Wenn „Grenzen überschritten“ und „humanitäres Völkerrecht verletzt“ werde, so Merz im Duktus der früheren Außenministerin Annalena Baerbock, müssten auch Deutsche ihre Kritik deutlicher äußern.
Es bestehe weiterhin „hohes Interesse, an der Seite Israels zu bleiben“, die Regierung dürfe aber „nichts tun, was die besten Freunde nicht akzeptieren“. In der Bewertung des Krieges sei man sich mit den EU-Partnern einig, man stehe auf der Seite Israels, die Frage sei nur, wie deutlich man Kritik übe.
Im Kontext mit den jüngsten Aussagen von Außenminister Wadephul und Finanzminister Klingbeil, ebenso wie mit dem Statement des Antisemitismusbeauftragten Felix Klein, die sämtlich die Auswirkungen des Gaza-Krieges auf die palästinensische Zivilbevölkerung in den Fokus rückten statt der Zerschlagung der Hamas und die Befreiung der letzten 58 Geiseln aus den Händen der Terroristen deuten die Worte des Bundeskanzlers auf ein allmähliches Abrücken von der Sicherheit Israels als Teil der „deutschen Staatsräson“ hin.Lesen Sie dazu auch:Jetzt verbreitet selbst der Antisemitismus-Beauftragte Antisemitismus: Wie der Judenhass innerhalb weniger Tage außer Kontrolle geriet