Früher hatten freche Schüler Angst vor strengen Lehrern, heute haben schwache Lehrer Angst vor bewaffneten Schülern

vor 13 Tagen

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Es liest sich wie die Polizei-Anweisung für Notfälle am Ort eines Verbrechens: „Entfernen Sie sich aus der Gefahrenzone!“ Und: „Verlassen sie das Gesichtsfeld des Angreifers. Provozieren Sie nicht, vermeiden Sie jede Eskalation!“

Diese Sätze sind Anweisungen für Lehrer, die auf gewaltbereite Schüler treffen. Sie stammen aus einer Dienstempfehlung von Dorothee Feller (CDU), Schulministerin von Baden-Württemberg. Sie hat sie in dem Leitfaden „Sicher handeln bei Gewalterfahrungen von Beschäftigten an Schulen“ aufgelistet. Es geht um Bedrohungen gegen Lehrer – Delikte, wie sie täglich an Schulen passieren: gefährliche Körperverletzung, Beleidigung, Nötigung, Sachbeschädigung. Der Leitfaden soll Lehrern helfen, Gewalt an Schulen zu verarbeiten. Denn „von Gewalt und Mobbing betroffene Lehrer seien verständlicherweise häufig verunsichert und müssen das Erlebte verarbeiten.“

Delikte, wie sie täglich an Schulen passieren: Körperverletzung, Beleidigung, Nötigung, Sachbeschädigung.

In den 50er Jahren waren körperliche Strafen in den Schulen noch erlaubt, und es wurde auch Gebrauch davon gemacht. Lehrer straften freche Schüler mit Schlägen auf die flache Hand, einem Lederriemen, Teppichklopfern oder einem dünnen Rohrstock. Da zu Hause viele Kinder ebenfalls geschlagen wurden, waren die körperlichen Strafen nichts Besonderes. Das Züchtigungsrecht in Schulen in der Bundesrepublik endete 1973, in Bayern 1983. Erst 1998 erklärt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) körperliche und seelische Misshandlungen für unzulässig. Im Jahr 2000 spricht der Gesetzgeber Kindern und Jugendlichen grundsätzlich das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung zu.

In den 50er Jahren waren körperliche Strafen gang und gäbe.

Diese Jahreszahlen sind gerade sehr wichtig und erinnerungswürdig, sagt mir mein gesunder Menschenverstand. Denn das Thema „schlagende Lehrer“ in der Schule ist so in der Versenkung verschwunden wie sich schlagende Studenten in den Universitäten.

Gewalt an Schulen bedeutet heute etwas anderes: die Gewalt von Schülern an ihren Lehrern und an Mitschülern. Meldungen über Bandenbildung, Mobbing, Gewalt, sind trauriger Alltag geworden. Fast jede zweite Lehrkraft in Deutschland sieht an der eigenen Schule psychische und physische Gewalt unter Schülern in „problematischem Ausmaß“, fand die Robert Bosch Stiftung heraus. Der deutsche Lehrerverband verweist auf die gesellschaftliche Verrohung und den gestiegenen Anteil von Schülern mit Kriegs- und Fluchterfahrung. Auch die Breitschaft zur Bewaffnung nimmt an Schulen zu. „Die Missachtung von Autorität und Regeln, eine diffuse Vorstellung von Ehre sowie Imponiergehabe erhöhen die Gewaltbereitschaft bis hin zur täglichen Mitführung von Messern für eine vermeintliche Selbstverteidigung“, sagt Stefan Düll, Präsident des Lehrerverbandes.

Meldungen über Bandenbildung, Mobbing und Gewalt sind trauriger Alltag geworden.

Wenn ich auf meine Schulzeit zurückblicke, hat sich ein Bild eingeprägt. Ja, freche Schüler wurden geschlagen. Meistens mit einem Lineal auf die flache Hand. Meinen Fingern hat es nicht geschadet. Es war ein Duell zwischen Lehrer und Schüler. Wir wussten, bei wem man sich was erlauben konnte – und bei wem nicht. Die Lehrer waren von uns genervt wie wir von den Lehrern. Es war irgendwie ein Geben und ein Nehmen. Auch wenn es mal geklatscht hat – im Klassenzimmer oder auf dem Schulhof: Richtig gefährlich war es nie. Denn am Ende war „der Lehrkörper“ die Autorität, ob weiblich oder männlich. Oft hatten wir vor Lehrerinnen mehr Angst als vor ihren männlichen Kollegen.

Die Vorstellung, meine Kinder in Schulen schicken zu müssen, in der Schüler „Messer zur Selbstverteidigung tragen“, macht mir Angst. Und dass es offenbar immer weniger starke Lehrer gibt, die mit aggressiven und rachsüchtigen Schülern zu Recht kommen, macht mir noch mehr Angst.

Früher war wirklich nicht alles besser. Aber, ganz volkstümlich erklärt: lieber ein Lineal auf die Finger als ein Messer zwischen die Rippen.

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