Fünf Dinge, die in Deutschland geheim sind oder für immer geheim bleiben sollten

vor 4 Tagen

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Bildquelle: NiUS

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die Alternative für Deutschland (AfD) als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft, wie die Behörde bekanntgab. Brisant ist die Einstufung auch deshalb, weil sie auf einem Geheimgutachten basiert, das der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. Die Geheimniskrämerei ist hierzulande nichts Neues. Immer wieder werden Dinge als Verschlusssache eingestuft und damit vor der Öffentlichkeit geheimgehalten, obwohl es sich um Informationen von entscheidender Bedeutung handelt.

Im Zentrum der Bewertung steht der ethnische Volksbegriff (zum Begriffspaar Demos/Ethnos, siehe auf NIUS hier). Mit der Einstufung erhält der Verfassungsschutz weiterhin Befugnisse für schwere Grundrechtseingriffe (Versammlungen observieren, Telefone überwachen, Informanten einsetzen). Es ist eine Entscheidung mit potenziell weitreichenden politischen und rechtlichen Folgen, gestützt auf ein Dokument, das weder überprüft noch kritisch eingeordnet werden kann. Der Verfassungsrechtler Josef Franz Lindner kritisierte auf X: „Dass das Gutachten zur AfD im Geheimen bleibt, die Einschätzung selbst aber herausposaunt wird, ist in einem echten Rechtsstaat ein No-Go.“ Auch andere Rechtsexperten kritisieren die Geheimniskrämerei: „Das geht im Rechtsstaat nicht!“, so Volker Boehme-Neßler.

Wie ein Hollywood-Thriller lesen sich die Geschehnisse rund um einen BND-Bericht, die Mitte März in die postpandemische Zeit platzten. Wie ans Licht kam, hatte der BND im Jahr 2020 – im Auftrag des Kanzleramts – die Wahrscheinlichkeit für die Laborthese zum Ursprung von SARS-CoV-2 mit von 80 bis 95 Prozent beziffert – gestützt auf Erkenntnisse aus einer Geheim-Operation mit dem Codenamen „Saaremaa“. Damit nicht genug, tauchte plötzlich auch noch Virologe Christian Drosten in der Geschichte auf, der als Experte um seine Bewertung gebeten wurde – Drosten war von Anfang an gegen die Labortheorie.

Die Welt wollte deshalb wissen, wann das Kanzleramt informiert wurde, ob und von wem die Einschätzung als „geheim“ eingestuft wurde und warum ausgerechnet Virologe Christian Drosten mit der Überprüfung beauftragt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht wies einen Eilantrag aus dem Verlagshaus ab. In einem Beschluss stellte sie ein „schutzwürdiges Interesse an der Versagung der Auskünfte“ fest, weil die Arbeitsfähigkeit des BND und der außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik auf dem Spiel stünden. Die von der Zeitung gestellten Fragen würden „jedenfalls mittelbar operative Vorgänge“ berühren. Die Antworten auf die Fragen bleiben also aus, die Gründe für das Vorgehen des BNDs sowie Drostens mysteriöse Rolle in dem Skandal dabei: geheim.

Was hatte es mit Drostens Auswertung der ans Licht gekommenen BND-Laborthese auf sich?

Mitte der 1980er förderte ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss „Unerhörtes“ zutage, wie die Frankfurter Rundschau berichtete. So wurde bekannt, dass der Verfassungsschutz den Bundestagswahlkampf der Grünen 1983 systematisch ausspioniert hatte. Besonders brisant: Der damalige CSU-Innenstaatssekretär Carl-Dieter Spranger soll interne Geheimdienstinformationen über die Grünen an Jürgen Todenhöfer, der damals noch in der CDU war, weitergegeben haben – „darunter auch Aussagen eines gewissen Otto Schily“ – was es damit auf sich hat, ist bis heute geheim.

Jürgen Todenhöfer, 1981

Laut dem inzwischen verstorbenen Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele, den besagte Zeitung zitierte, war diese Episode ein typisches Beispiel dafür, „wie der Verfassungsschutz im parteipolitischen Machtkampf instrumentalisiert werden kann – selbst dann, wenn er sich lediglich auf öffentlich zugängliche Informationen stützt“. Das weckt Erinnerungen an die heutige Zeit.

Es ist nicht neu, dass Verfassungsschutzbehörden mit den Gründen und Belegen hinterm Berg halten: Ende 2024 erklärte das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) den AfD-Landesverband Sachsen zur „gesichert rechtsextremistischen Bestrebung“. Grundlage sei ein 134-seitiges Gutachten, das als Verschlusssache eingestuft und nicht veröffentlicht wurde. Die Geheimniskrämerei hat System.

Das Portal Achgut.com wollte seinerzeit wissen, „ob bei der Sammlung und Verarbeitung des Materials wissenschaftliche Methoden und Standards angewandt wurden (z.B. empirische Datenerhebung, Bildung von Kategorien, Anwendung statistischer Verfahren, qualitative Textanalyse, Beobachterübereinstimmung)“. Die Nicht-Antwort des LfV: „Die Einstufung erfolgte auf der Grundlage der gesetzlichen Vorschriften.“

Nicht nur die Belege, auch die Methoden jener Gutachten, die unter Ministeriumsaufsicht stehende, weisungsgebundene Behördenmitarbeiter gegen die Opposition verfassen, sind in Deutschland ein Staatsgeheimnis.

Während der gläserne Bürger, vor dem in den 1980er Jahren gewarnt wurde, zunehmend Realität wird, geraten politische Projekte zur Blackbox: Die höchst umstrittene Aufnahme von Afghanen, bei denen es sich um „Ortskräfte“ handeln soll, erfolgt unter Bedingungen, die vor der Bevölkerung geheimgehalten werden. Gegenüber der Zeit äußerten Unionspolitiker jüngst ihre Kritik am Auswahlverfahren des Auswärtigen Amtes. Das Ministerium habe der Unionsfraktion bislang keinerlei Einblick gewährt, nach welchen Kriterien die Auswahl der Begünstigten erfolgte, bemängelte etwa Thorsten Frei.

Alexander Throm kritisiert gegenüber Welt: „100 NGOs durften Vorschläge einreichen – doch die Gefährdung dieser Personen ist in keiner Weise belegt, weil das Verfahren geheim und völlig intransparent ablief.“ Die beteiligten Organisationen, ergänzte sein Parteikollege Detlef Seif, hätten „weder einen gesetzlichen Auftrag noch eine demokratische Legitimation, sondern vertreten partikulare Interessen“. Sein Vertrauen in eine rechtsstaatliche Prüfung der aufgenommenen Personen „tief erschüttert“ sei. Auch der stellvertretende Vorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft kritisierte, dass die Sicherheitsüberprüfung nicht lückenlos gewährleistet: Es sei „ein Skandal, dass NGOs entscheiden, wer in solche Programme kommt“, so Manuel Ostermann.

Der „Globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ war im Dezember 2018 in Marokko verabschiedet worden – mit Zustimmung Deutschlands und 151 weiterer UN-Mitgliedsstaaten. Einige EU-Länder enthielten sich. Kritiker warnten vor allem vor einer möglichen Beschneidung nationaler Souveränität. Die Bundesregierung hatte transparente Verhandlungen behauptet, ja ausdrücklich betont. Sie fanden im UN-Hauptquartier in New York statt.

Das Hauptgebäude der Vereinten Nationen befindet sich in New York

Nach einem erfolgreichen Widerspruchsverfahren des Tagesspiegels musste das Auswärtige Amt dann aber einräumen, dass Teile der Verhandlungen zum UN-Migrationspakt nicht öffentlich stattgefunden hatten. Laut einem offiziellen Bescheid auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) waren die zwischenstaatlichen Verhandlungsrunden in New York lediglich „teilweise öffentlich“.

Zudem gab das Auswärtige Amt zu, dass es „vor- und nachgeschaltete nicht-öffentliche Sitzungen“ gegeben habe – ein Vorgang, den man dort als „durchaus üblich“ bezeichnete. Damit steht fest: Der umstrittene Migrationspakt wurde nicht durchgängig im Lichte der Öffentlichkeit entwickelt, wie zuvor behauptet. Demokratische Nachvollziehbarkeit des Verfahrens bestand also nicht.

Fünf Beispiele, die zeigen: Ein Land, das sich Rechtsstaat nennt, sollte gerade dann Transparenz wahren, wenn staatliches Handeln tief in Grundrechte eingreift – doch in Deutschland bleibt ausgerechnet das politisch Sensible zu oft unter Verschluss.

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