
Zehn Jahre nach der Flüchtlingskrise verteidigt der damalige Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) erneut die Entscheidung, Hunderttausende Migranten nach Deutschland einreisen zu lassen. Im Interview mit der Bild erklärte er, dass ein Schließen der Grenzen nur mit Gewalt möglich gewesen wäre. Die Reaktion der Politik sei damals die richtige gewesen. „Ich glaube, es ist sehr viel geschafft worden, aber eben nicht alles“, so Gabriel. Das Land könne stolz darauf sein, was es geschafft habe.
„Damals gab es ja auch Menschen, die ziemlich finstere Vorstellungen hatten, was wir tun sollten: Also die Grenzen abriegeln und im Zweifel auch die Bundeswehr oder den Bundesgrenzschutz auf Flüchtlinge schießen lassen. Anders hätte man nämlich 7.000 bis 10.000 Menschen, die da pro Tag kamen, gar nicht aufhalten können“, sagte Gabriel.
Es ist dieselbe Argumentation, die er bereits vor wenigen Tagen in der Berliner Zeitung gewählt hatte. Auch dort sprach er von „Waffengewalt“ als einzigem Mittel, um die Flüchtlinge aufzuhalten – eine Formulierung, die er nun in nahezu identischer Weise wiederholt.
Auf die Behauptung, die Grenzen hätten geschlossen werden können, sagte er nun: „Wie bitte soll das eigentlich gehen – außer mit militärischer Gewalt und mit dem Einsatz von Waffen? Wer da im Rückblick sagt, man hätte die Grenzen schließen müssen, ist entweder naiv oder hat keine Vorstellung davon, was damals los war. Oder es sind Menschen, die kein Herz im Leib haben und sagen, man soll auf Flüchtlinge schießen.“ Das seien Klugscheißer, so Gabriel.
Die Hilfsbereitschaft vieler Deutscher bezeichnete Gabriel als die größte Leistung jener Monate, „dass die Deutschen den Familien, den Männern und Frauen, die an den Bahnhöfen gestanden haben, wirklich geholfen haben.“ Zugleich habe man „nach dieser Welle die danach kommende Einwanderung nicht ausreichend kontrollieren können.“ Auch die Integration sei „in großem Maße“ nicht gelungen. „Da haben wir uns auch Illusionen gemacht über die Größe der Aufgabe.“
Deutschland könne nicht unbegrenzt Menschen aufnehmen, so Gabriel: „Natürlich gibt es Grenzen der Aufnahmefähigkeit auch eines Landes wie Deutschland. (…) Auch in Deutschland gibt es eine begrenzte Anzahl von Schulplätzen, Kindergartenplätzen, Wohnungen, Jobs und wir können nicht unbegrenzt viele Menschen aufnehmen.“