Gastkommentar von Dipl.- Volkswirt Dr. Benno Bulitta: Warum die EU grundlegend reformiert werden muss

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Bildquelle: Deutschland Kurier

Eine kritische Analyse von Dipl.-Volkswirt Dr. Benno Bulitta*

Es gibt verschiedene Ansatzpunkte darüber, warum die Konzeption der europäischen Gemeinschaft grundlegend reformiert werden muss. Ein Ansatz ist die Europäische Zentralbank (EZB), die mit ihrer inflationsantreibenden Geldpolitik die Schere zwischen Arm und Reich in Europa immer größer werden lässt.

Die Frage lautet:

Wie lässt sich nicht nur die Übergriffigkeit der EU-Institutionen mit ihrer Abkehr von dem Grundgedanken Adenauers von einem ‚Europa der souveränen Heimatländer‘, sondern auch die inflationstreibende Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) erklären? Hier lohnt sich ein Blick in die Geschichte der Volkswirtschaftslehre:

Steuereinnahmen im Mittelalter Das Steuersystem und der Silbergehalt von Münzen im Mittelalter sind eng miteinander verbunden. Die staatliche Finanzierung basierte im Mittelalter nicht auf einem modernen Steuersystem und die Münzen waren oft ein Spiegelbild der finanziellen Lage der Herrscher. Die Einnahmen der Fürsten, Könige und des Adels stammten aus verschiedenen Quellen:

Der Silbergehalt der Münzen im Mittelalter war keineswegs konstant. Er war direkt mit der Finanzpolitik der Herrscher verknüpft. Dabei wurde der Wert einer Münze nicht primär durch ihren Metallwert bestimmt, sondern durch das Münzrecht des Herrschers. Trotzdem spielte der Edelmetallgehalt eine entscheidende Rolle. Die Landesherren nutzten häufig das Münzregal, um ihre Einnahmen zu steigern. Sie verringerten den Silbergehalt der Münzen, prägten aber weiterhin Münzen mit dem gleichen Nennwert. Dieses Vorgehen wird „Münzverschlechterung“ oder „Münzverruf“ genannt. Die Folgen: Die Menge des geprägten Geldes stieg, was zu einer Inflation führte. Händler erkannten den geringeren Silberwert der Münzen und verlangten darauf hin höhere Preise. Die Bevölkerung litt unter dem Wertverlust ihres Geldes, während der Herrscher kurzfristig von den höheren Einnahmen profitierte. Damit war der Silbergehalt der Münzen ein direkter Indikator für die wirtschaftliche Stabilität und die Finanzpolitik einer mittelalterlichen Herrschaft.

Der Cantillon-Effekt

Richard Cantillon (ca. 1680-1734) war ein irischer Ökonom, Bankier und Unternehmer. Obwohl sein einziges bekanntes Werk, der „Essai sur la nature du commerce en général“ (Abhandlung über die Natur des Handels im Allgemeinen), erst 1755, also 21 Jahre nach seinem Tod, veröffentlicht wurde, gilt er heute als einer der bedeutendsten Vorläufer der klassischen Nationalökonomie.

Erst im späten 19. Jahrhundert wurde sein Buch durch den Ökonomen William Stanley Jevons wiederentdeckt und Cantillon als einer der Gründungsväter der politischen Ökonomie anerkannt. Cantillons Werk beeinflusste unter anderem die Physiokraten in Frankreich und indirekt auch Adam Smith. Heute gilt Cantillon als einer der wichtigsten Vordenker vor der Ära von Adam Smith (1723 – 1790), dem Vater der modernen Volkswirtschaftslehre, und als einer der ersten, der eine ganzheitliche Theorie der Wirtschaft formulierte.

Friedrich August von Hayek

Friedrich August von Hayek (1899 – 1992), ein bedeutender Ökonom und Philosoph der Österreichischen Schule, hat sich zeitlebens kritisch gegenüber dem heutigen System der staatlichen Zentralbanken geäußert. Auch wenn er die aktuellen Zentralbanken nicht direkt kommentieren konnte, da er bereits 1992 verstarb, lassen sich aus seinen Werken klare Schlussfolgerungen über seine Haltung ziehen.

Hayek wurde gemeinsam mit dem schwedischen Ökonomen Gunnar Myrdal im Jahr 1974 mit dem Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet.

Die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften würdigte Hayek für seine „bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiet der Geldtheorie und Konjunkturforschung sowie für seine scharfsinnige Analyse der gegenseitigen Abhängigkeit von Wirtschafts-, Sozial- und Verfassungsinstitutionen“.

Besonders hervorgehoben wurden seine Arbeiten aus den 1930er Jahren, in denen er eine Konjunkturtheorie entwickelte, die den Wirtschaftszyklus auf die expansive Geldpolitik von Zentralbanken zurückführte. Er argumentierte, dass eine künstlich niedrig gehaltene Zinsrate zu Fehlinvestitionen führt, die schließlich in einer Krise enden. Diese Theorie steht im starken Gegensatz zur damals dominierenden keynesianischen Ökonomie. Damit lassen sich heute vielleicht auch die Fehlinvestitionen im Namen der Klimakrise erklären, die oft mit wenig rationalen ökonomischen Argumenten zu erklären ist.

Das staatliche Monopol auf die Geldproduktion ist nach Hayek die Hauptursache für Inflation, Konjunkturzyklen und wirtschaftliche Instabilität. Die Zentralbanken sind für ihn politische Instrumente, die unter dem Druck der Regierung die Geldmenge erhöhen, um die Wirtschaft kurzfristig anzukurbeln oder um Staatsausgaben zu finanzieren. Dies führt seiner Meinung nach zwangsläufig zu einer Inflation, welche die Kaufkraft der Bevölkerung mindert, die Preisinformationen verzerrt und wiederum die effiziente Allokation von Ressourcen behindert.

Als radikale Lösung schlug Hayek in seinem 1976 erschienenen Buch „Die Entstaatlichung des Geldes“ vor, das staatliche Geldmonopol des Staates vollständig abzuschaffen und eine freie Konkurrenz von Währungen zuzulassen. Durch die Dezentralisierung hätten private Unternehmen dann das Recht, ihr eigenes Geld herauszugeben. Daraufhin würden diese privaten Währungen im Wettbewerb um die Gunst der Verbraucher stehen. Die attraktivste Währung wäre diejenige, die am stabilsten ist, d.h., die am besten ihre Kaufkraft über die Zeit hinweg bewahrt. Lange Zeit wurde diese Strategie im 19. Und 20. Jahrhundert in den USA verfolgt.

Wenn Hayek heute die Weltwirtschaft betrachten würde, sähe er seine Ansichten wahrscheinlich bestätigt. Er würde die hohe Staatsverschuldung, die durch die Quantitative Easing-Programme der Zentralbanken finanziert wird, für einen Beweis der politischen Anfälligkeit dieser Institutionen anführen und dabei argumentieren, dass die expansive Geldpolitik, insbesondere nach der Finanzkrise 2008 und während der Pandemie zu den heutigen Inflationsproblemen geführt hat.

Damit würde Hayek das heutige Zentralbanksystem nicht als Lösung, sondern als Teil des Problems bezeichnen. Er würde dafür plädieren, die Kontrolle über das Geld dem Staat zu entziehen und sie einem freien Markt zu überlassen, um eine stabile und gesunde Wirtschaft zu gewährleisten.

Mehr Armut durch die Geldpolitik der EZB

Mit der Übertragung von nationalen Hoheitsrechten an die im Jahr 1998 gegründete Europäischen Zentralbank (EZB) wurde ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) geschaffen.

Die Gründe dafür liegen in den politischen, wirtschaftlichen und historischen Entwicklungen Europas:

Für die politische und wirtschaftliche Integration Europas ist eine gemeinsame Währung und die Steuerung einer zentralen Geldpolitik unentbehrlich. Zwölf, und mittlerweile 20 Nationalstaaten gaben ihre eigene Währung auf und führten den Euro ein. Dieser einheitliche Währungsraum beseitigte Währungsschwankungen und Umrechnungskurse, wodurch der Handel und die wirtschaftliche Integration zwischen den Mitgliedstaaten erheblich vereinfacht wurde. Dies sollte Europa als globale Wirtschaftsmacht stärken.

Die Gewährleistung der Preisstabilität wurde in den Gründungsverträgen festgelegt. Dazu zählen die Bekämpfung der Inflation, die in den 1970er und 1980er Jahren für viele europäische Länder ein Problem waren. Außerdem sollte die EZB als unabhängige Institution agieren und frei von politischen Weisungen der nationalen Regierungen oder der EU-Organe sein. Auf keinen Fall sollte EZB dazu dienen, Staatsausgaben kurzfristig zu finanzieren, was die Inflation anheizen würde.

Zur Sicherung der Finanzstabilität wurden die Aufgaben der EZB nach der globalen Finanzkrise 2008 erweitert. Die EZB erhielt zusätzliche Befugnisse in der Bankenaufsicht, die sich in den Vorschriften des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht (BCBS) niederschlagen. Die Regelwerke umfassen die Einführung der Eigenkapitalunterlegung der Banken von mindestens 8 % ihrer risikogewichteten Aktiva (Basel I – aus dem Jahr 1988), die Mindestkapital Anforderungen für das Kreditrisiko (Basel II – im Jahr 2004) und nach der globalen Finanzkrise 2008 noch höhere und qualitativ bessere Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen.

Viele Ökonomen, Politiker und Bürger kritisieren, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihr Hauptziel, die Preisstabilität, in den letzten Jahren nicht ausreichend gewahrt hat. Andere verteidigen die EZB und argumentieren, dass ihre Handlungen in Anbetracht der außergewöhnlichen Umstände notwendig waren.

Hier sind die wichtigsten Argumente, die in dieser Debatte eine Rolle spielen:

Argumente der Kritiker: Ja, die EZB hat ihr Mandat gefährdet

Argumente der Befürworter: Nein, die EZB hat richtig gehandelt

Daraus lässt sich schließen, dass es keine einfache, eindeutige Antwort auf diese Frage gibt. Die EZB hat in den letzten Jahren zweifellos eine Geldpolitik verfolgt, die sich stark von ihrem früheren Ansatz unterscheidet. Ob dies eine notwendige Reaktion auf beispiellose Krisen war oder eine Abkehr vom Mandat der Preisstabilität darstellt, bleibt eine zentrale Kontroverse in der Wirtschaftspolitik.

Im Kontext zu den zunehmenden übergriffigen Eingriffen der europäischen Institutionen in die nationalen Hoheitsrechte entsteht der Eindruck, dass die EZB zunehmend zu einem willigen Erfüllungsgehilfen der europäischen Zentralisten und damit zu einem Abbau der durch Wahlen demokratisch legitimierten nationalen Regierungen und Parlamenten wird. Wenn Staatshaushalte mit Hilfe des Zentralbankgeldes finanziert werden müssen, entspricht dies nicht dem Souveränitätsgedanken eines ‚Europas der Heimatländer‘, wie sie von den Vätern der europäischen Gemeinschaft gedacht waren.

Es wird Zeit, dass die Politiker in Deutschland dieses Problem erkennen und das ist Zeit ist, ohne Emotionen und mit sachlichen Argumenten über eine komplett neue Ausrichtung der europäischen Gemeinschaft und der Eurozone nachgedacht wird, als eine Freihandelszone, aber nicht als ein oberstes, nicht vom Wähler legitimiertes Gesetzgebungsorgan, das über den nationalen Gesetzgebern steht.

Dazu müssten jedoch alle Seiten frei von Ideologie und Emotionen sachlich miteinander diskutieren können, was angesichts der aktuellen lautstarken Auseinandersetzung mit hasserfüllten Beleidigungen von Seiten der unfähigen und inkompetenten Personen mit einer Fehlbesetzung von vielen Ämtern und ideologisch geprägten irrationalen Entscheidungen nur schwer vorstellbar ist. Denn dazu müssten die konservativen Kräfte im Bundestag endlich zusammenarbeiten und die undemokratische Brandmauer, die unserem Land nur Schaden zufügt, endlich fallen lassen.

Dr. Benno Bulitta

*Dr. Benno Bulitta, Jahrgang 1950, ist promovierter Volkswirt, war Geschäftsführer einer Finanzakademie, Gastprofessor in Stettin und kommunalpolitisch für die CSU aktiv.

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