
Lässt sich nach dem Sturz der Hamas-Herrschaft aus dem schmalen Küstengebiet am Mittelmeer wirklich eine prosperierende „Riviera“ machen? Und was ist mit den Palästinensern, deren (selbst-)zerstörerische Autonomie komplett gescheitert ist?
Lesen Sie hier, was man über den Gazastreifen wissen muss.
Nach 30 Jahren ist die palästinensische Selbstverwaltung dramatisch zugrunde gegangen. Statt ein zivilisiertes Staatswesen aufzubauen, haben islamistische Terrorgruppen das Gebiet als Waffenlager, Aufmarschgebiet und Abschussrampe für ihren ewigen Kampf gegen den jüdischen Staat missbraucht, vier kurze Kriege und schließlich einen verheerenden angezettelt. Nun liegen große Teile des Gebiets in Trümmern.
Was wird aus Gaza nach dem Krieg? Klar ist: So, wie es bisher lief, kann es nicht bleiben. Die Hamas muss nicht nur von der Macht verdrängt, sondern entwaffnet werden, um den nächsten und übernächsten Krieg zu vereiteln. Der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), die mit der Fatah identisch ist und über große Teile der Westbank herrscht, kann man die Verwaltung des Gebiets nicht anvertrauen. Neue, demokratische Strukturen sind, wenn überhaupt, nur über den Zeitraum mindestens einer Generation aufzubauen. Israel will das Gebiet nicht wiederbesetzen.
Eine internationale Verwaltung etwa durch die Vereinten Nationen (UN) wäre denkbar, aber angesichts der israelfeindlichen Übermacht der Organisation keine wünschenswerte Lösung, will man das Gebiet dauerhaft befrieden. Bleiben eine Handvoll Staaten, die die Verantwortung übernehmen könnten. Hier bringt Trump die USA ins Spiel. Wie ausgereift die Pläne sind, lässt sich noch nicht sagen – viel wird davon abhängen, wie sich die arabischen Staaten grundsätzlich dazu verhalten. Zum Verständnis der Situation müssen wir die Gegebenheiten vor Ort, einen kurzen historischen Abriss und die möglichen Optionen beleuchten.
„Gaza ist im Moment ein Höllenloch“, sagte Donald Trump nach seinem Treffen mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, und besser kann man es wohl nicht beschreiben. Ein failed state war das Gebiet zwischen Israel und Ägypten schon vor dem Krieg. Dazu ein paar schnelle Fakten: Der 363 Quadratkilometer große Küstenstreifen ist 40 Kilometer lang und zwischen sechs und 14 Kilometer breit. Die Bevölkerungszahl soll um die 1,9 Millionen betragen, womit sie sich seit 1948 etwa verzehnfacht hat – so viel zum Vorwurf des „Genozids“. Die Geburtenrate gehört zu den höchsten weltweit, bei der derzeitigen Wachstumsrate verdoppelt sich die Bevölkerungszahl etwa alle 15 bis 20 Jahre.
Der Gazastreifen grenzt an Israel und die ägyptische Sinai-Halbinsel.
Während des sogenannten „Friedensprozesses“ hat Israel im Jahr 2000 unter anderem den Vorschlag gemacht, 3 bis 5 Prozent des Westjordanlandes zu annektieren (und damit den größten Teil der Siedlungen „nach Israel“ zu holen) und dafür entsprechend einen Teil des Negevs an die PA abzutreten, womit der Gazastreifen sich um ein Drittel verbreitert hätte. Das israelische Angebot wurde von Jassir Arafat abgelehnt, er trat die „Al-Aqsa-Intifada“ los und der Rest ist Geschichte.
Ach, die Geschichte: Der Gazastreifen war, wie Israel und Jordanien auch, einst Teil des Osmanischen Reiches, dann unter britischer Verwaltung. 1948 besetzte Ägypten das Gebiet, verweigerte der Bevölkerung aber die Staatsbürgerschaft und die Einreise nach Ägypten. 1967 eroberte Israel den Gazastreifen im Sechstagekrieg und übergab ihn erst 1994 an Arafats Autonomiebehörde. In den folgenden drei Jahrzehnten wurde nichts getan, was dem Fortschritt gedient hätte. Stattdessen machten sich dort rivalisierende Terrorbanden von der Fatah über die Hamas bis zum Islamischen Dschihad breit, bewaffneten sich via Schmuggeltunnel aus dem Sinai bis an die Zähne und hetzten die Bevölkerung im Rundfunk, in den Schulen und den Moscheen gegen Israel auf. Die Hasspropaganda war allgegenwärtig, schon Kinder steckte man in paramilitärische Trainingslager, um sie auf den Dschihad gegen die Juden vorzubereiten.
Hamas und Islamischer Dschihad errichteten eine Terrorherrschaft.
Im August 2005 zog sich Israel einseitig und vollständig aus dem Gazastreifen zurück, zerstörte – bis auf die Gewächshäuser – alle 20 Siedlungen und evakuierte binnen Tagen 8800 dort lebende Israelis. Israel bot Hilfe bei Meerwasser-Entsalzungsanlagen, Kraftwerken, Krankenhäuser und Abwasserbeseitigung an, erörtert wurden auch bewachte Konvois zwischen der Westbank und Gaza, sogar eine Eisenbahnverbindung. Die Palästinenser aber zogen es vor, sehr bald Raketen auf Ortschaften jenseits der Grenze abzuschießen – jedes Jahr eine vierstellige Anzahl.
Bei den „Wahlen“ 2006 stimmte eine satte Mehrheit für die Hamas statt für die Fatah. Eine verhängnisvolle Entscheidung. Die Fatah akzeptierte das Ergebnis nicht und wurde im Juni 2007 in einem einwöchigen, blutigen Machtkampf von der Hamas aus dem Gazastreifen vertrieben. Unter Herrschaft der Hamas wurde das Gebiet endgültig zum Terrornest. Die Nationalislamisten bauten ihre Terrorinfrastruktur ohne jede Rücksicht auf die Bewohner auf. Dass sie das konnten, ist also keine Folge der Besatzung, sondern eben der Beendigung der Besatzung, denn unter israelischer Herrschaft hätten keine 40.000 Terroristen freie Hand gehabt, Waffen en masse in den Gazastreifen zu schmuggeln, auch eigene Raketen zu bauen und unterhalb dicht bevölkerter Straßen und Plätze Tunnel zu graben, die zusammengenommen länger sind als das Londoner U-Bahn-Netz.
Seit 2007 herrschte die Hamas mit brutaler Gewalt über den Gazastreifen.
Die Massaker vom 7. Oktober, begangen von Terroristen der Hamas und des Islamischen Dschihad, aber auch von Zivilisten, lösten den Krieg aus, der den Gazastreifen schließlich verheeren sollte. Dies ist ausschließlich der Hamas zuzuschreiben. Sie verminte zahllose Straßen, brachte in etwa 40 Prozent der Gebäude Sprengfallen an, missbrauchte private Häuser und Wohnungen als Waffen- und Munitionslager, ebenso Schulen, Krankenhäuser und Moscheen. Hamas-Terroristen verschanzten sich in Appartements, um israelische Soldaten im Häuserkampf zu attackieren, die wiederum Bulldozer einsetzten. Entsprechend sind die Zerstörungen: Die israelische Armee schätzt, dass etwa 100.000 Gebäude zerstört oder beschädigt sind, die UN spricht von etwa 250.000.
Der von der Hamas gewollte Krieg hat den Gazastreifen verwüstet.
Dieser Krieg hat alles verändert. Eine Rückkehr zum Status Quo ist nicht denkbar, die Palästinenser im Gazastreifen haben ihre Chance, mit westlicher Hilfe ein friedliches, prosperierendes Staatswesen aufzubauen, nicht genutzt und sich für den Dschihad entschieden. Mit ihnen, das ist Donald Trump klar, ist buchstäblich kein Staat zu machen. Washington hat die Zahlungen an die tief in den Hamas-Terror verstrickte „Flüchtlingshilfsorganisation“ UNRWA eingestellt und den pervertierten UN-„Menschenrechtsrat“ verlassen, der von Schurkenstaaten dominiert wird und auf jeder seiner Sitzungen ausschließlich Israel verurteilt.
Der Wiederaufbau wird wohl zehn bis fünfzehn Jahre dauern. Geldgeber dürften sich finden, zumal das Küstengebiet von Immobilienfachleuten als Filetstück eingeschätzt wird. Laut Trump würden die USA es übernehmen, das Gebiet von allen Bomben und Sprengfallen zu säubern und eine funktionierende Wirtschaft aufzubauen, für Jobs und Wohnungen zu sorgen.
Die große Frage lautet: Wohin mit den knapp zwei Millionen Palästinensern, die den Gazastreifen ihre „Heimat“ nennen, offiziell aber immer noch in der vierten und fünften Generation Flüchtlingsstatus mit entsprechender Unterstützung genießen. Wie viele wären bereit, woanders hinzuziehen? Wobei die Frage ist: wohin? Nach Trumps Vorstellungen sollen sie in Ägypten und Jordanien angesiedelt werden. Allerdings haben wir schon gesehen, dass Ägypten die Palästinenser nicht im Land haben will (der Islamische Dschihad wurde wegen seiner Verbindung zu den Mördern Anwar al-Sadats in den Gazastreifen vertrieben) und ebenso wie Israel die Grenzen zum Gazastreifen geschlossen hielt. 2008 ersetzte Ägypten Teilstrecken der Stacheldrahtsperranlagen an der Grenze durch eine drei Meter hohe Sperrmauer. Außerdem gibt es einen bis zu 30 Meter in die Tiefe reichenden unterirdischen Wall zum Sinai.
Auch Jordanien, einst Teil des britischen Mandatsgebiets, wo fast 70 Prozent der Bevölkerung palästinensisch ist, hat kein Interesse daran, zwei Millionen Menschen aus Gaza aufzunehmen, auch wenn der Platz vorhanden wäre. Nicht vergessen ist die Destabilisierung und der Bürgerkrieg Anfang der 70er Jahre, in dem König Hussein Arafats PLO aus dem Land warf. Andererseits lässt sich, wie Trump bereits im Fall Kolumbiens, Panamas und Mexikos gezeigt hat, mit Druck und Geld Überzeugungsarbeit leisten. Am 11. Februar wird Jordaniens König Abdullah nach Washington reisen und mit Donald Trump sprechen.
Trump ist bereit, auch unkonventionelle Wege zu gehen.
Steve Witkoff, Trumps Sonderbeauftragter für den Nahen Osten, sagt, dass der Gazastreifen derzeit „unbewohnbar“ ist: „Ein besseres Leben ist nicht unbedingt an den Ort gebunden, an dem man sich heute befindet. Ein besseres Leben bedeutet bessere Chancen, bessere finanzielle Bedingungen, bessere Aussichten für Sie und Ihre Familie. Das ist nicht der Fall, wenn man ein Zelt im Gazastreifen aufschlägt und von 30.000 Geschossen umgeben ist, die jeden Moment hochgehen können.“
Was schon einmal für Trumps Pläne spricht: Die Hamas lehnt sie rundweg ab. Sie hält sie „für ein Rezept zur Schaffung von Chaos und Spannungen in der Region“ – als sei nicht gerade diese Terrororganisation für beispielloses Chaos und Spannungen in einer ohnehin sehr unfriedlichen Krisenregion verantwortlich.
Historisch wäre die Neuansiedlung von Hunderttausenden in oder nach einem Krieg nicht einmalig: 1923/24 verließen zwei Millionen Menschen christlich-orthodoxen Glaubens die Türkei bzw. Menschen muslimischen Glaubens Griechenland. 1947 zogen zehn Millionen Menschen um: Muslime aus Indien nach Pakistan und Hindus und Sikhs aus Pakistan nach Indien.
Wobei es für die Palästinenser aus dem Gazastreifen eigentlich nur besser werden kann. Sie selbst waren es ja, die ihre Lebensumstände dort in einem fort beklagten. So oder so kommt mit Trumps Überlegungen Bewegung in die verfahrene Lage. Netanjahu lobte sie als „Bereitschaft, über den Tellerrand hinauszuschauen“, der Oppositionspolitiker und Ex-Armee-Chef Benny Gantz attestierte Trump „kreatives, originelles und interessantes Denken“.
Fest steht: Die „Zweistaatenlösung“ ist tot, auch wenn Annalena Baerbock nach wie vor an dieser Illusion festhält. Ob sie eines Tages in ferner Zukunft noch einmal zum Leben erweckt werden kann, hängt davon ab, ob sich die Player der nahöstlichen Region auf kreative Ideen einlassen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, und fehlte es bisher an gutem Willen, sind nun Lösungen denkbar, die den Nahen Osten unter neuen Vorzeichen umgestalten und den Frieden voranbringen könnten.
Mehr NIUS:Morgengrauen – Der Terror-Überfall auf Israel vom 7. Oktober