
Amerikanischen Medienberichten zufolge prüfen die Vereinigten Staaten die ungewollte Veröffentlichung mutmaßlicher US-Geheimdienstinformationen über israelische Angriffspläne gegen den Iran. Dem US-Nachrichtensender CNN zufolge wurden streng geheime Dokumente über israelische Angriffsziele gegen den Iran, die auf den 15. und 16. Oktober datiert sind, am Freitag öffentlich gemacht und auf der frei zugänglichen Plattform Telegram veröffentlicht.
Das Pentagon und das Büro des Direktors der Nationalen Nachrichtendienste der Vereinigten Staaten lehnten bisher eine Stellungnahme zu den durchgesickerten Dokumenten ab, bestritten aber nicht deren Echtheit. Ein US-Regierungsvertreter sagte sowohl Axios als auch CNN, dass das mögliche Leck „äußerst besorgniserregend“ sei. Das amerikanische Nachrichtenportal Axios konnte derweil das Telegram-Konto, auf dem die Inhalte offenbar veröffentlicht wurden, als pro-iranisch identifizieren.
Der Telegram-Kanal mit dem Namen „Middle East Spectator“ behauptete am Freitag überraschend, er habe von einer Quelle aus dem US-Geheimdienst Dokumente über Israels Vorbereitungen für einen Angriff auf den Iran erhalten. Der Telegram-Kanal veröffentlicht, so Axios, oft stark pro-iranische Inhalte und behauptet, sich im Iran zu befinden.
Zu den geleakten Dokumenten gehört unter anderem ein angeblicher „Visual Intelligence“-Bericht der „National Geospatial-Intelligence Agency“ (NGA) des amerikanischen Verteidigungsministeriums, der Anfang dieser Woche innerhalb der US-Geheimdienste verteilt wurde. Die veröffentlichten, streng geheimen Dokumente enthüllen laut Axios „detaillierte Maßnahmen, die in den vergangenen Tagen auf mehreren israelischen Luftwaffenstützpunkten durchgeführt wurden.“
Auch die Bewegung von Munition soll in dem Dokument ersichtlich sein. Eines der Dokumente gibt starke Hinweise darauf, dass Israel über Atomwaffen verfügt – etwas, zu dem Israel öffentlich stets die Aussage verweigert hat. In dem Dokument heißt es, den USA lägen keine Hinweise darauf vor, dass Israel den Einsatz einer Atomwaffe gegen den Iran plane.
Das Dokument ist laut CNN als streng geheim gekennzeichnet und enthält Markierungen, die darauf hinweisen, dass es nur von den USA und ihren „Five Eyes“-Verbündeten – Australien, Kanada, Neuseeland und dem Vereinigten Königreich – gesehen werden darf. Israel hatte nach dem Raketenangriff des Irans am 1. Oktober schwere Vergeltungsmaßnahmen gegen das Mullah-Regime angekündigt. Auch sollen mühsame Vorbereitungen von israelischen Drohneneinheiten für einen Angriff auf den Iran in den geleakten Dokumenten detailliert beschrieben sein, so Axios weiter.
Nach Angaben eines US-Beamten gegenüber CNN wird jetzt untersucht, wer Zugang zu dem angeblichen Pentagon-Dokument hatte. Jedem derartigen Leck würde automatisch eine Untersuchung durch das FBI sowie durch das Pentagon und die US-Geheimdienste ausgelöst. Das FBI lehnte bisher eine Stellungnahme zu den Vorwürfen ab. Die Veröffentlichung solcher Dokumente, ein solch eklatanter Fehler der amerikanischen Sicherheitsbehörden, könnte das ohnehin schon angespannte Verhältnis zwischen den USA unter Präsident Joe Biden und Israel nochmals erschüttern.
Zuletzt hatte Biden sich wütend darüber geäußert, dass Israel und Netanjahu immer öfter militärische Alleingänge starteten, ohne die USA vorher ausführlich über Pläne und Ziele aufzuklären. Mehrfach hatte Israel die Biden-Regierung mit Militäraktionen ohne vorherige Ankündigung überrascht – wohl auch, weil Biden zuletzt immer stärker mahnende Töne gegenüber Israel fand. Im Frühjahr dieses Jahres riet der US-Präsident dringend von einer israelischen Offensive in Rafah ab und verkündete im Mai sogar ein Waffenembargo gegen Israel (Apollo News berichtete). Immer wieder ging es dabei aber auch um undichte Stellen innerhalb der Biden-Administration.
Der Leak könnte jetzt dazu führen, dass Israel der Regierung Biden noch weniger traut – und aus Sicherheitsgründen noch weniger über die militärischen Pläne gegen die Feinde des Landes verrät. „Wenn es stimmt, dass die taktischen Pläne Israels für die Reaktion auf den iranischen Angriff am 1. Oktober durchgesickert sind, ist das ein ernsthafter Verstoß“, sagte Mick Mulroy, ehemaliger stellvertretender Verteidigungsminister für den Nahen Osten und pensionierter CIA-Offizier, gegenüber CNN. „Die künftige Koordinierung zwischen den USA und Israel“ könne durch so einen Fehler ebenfalls „infrage gestellt werden“. Vertrauen sei ein Schlüsselelement in den Beziehungen, und je nachdem, wie dies durchsickert, könnte dieses Vertrauen untergraben werden.
Bisher ist noch völlig unklar, wie genau die Dokumente an die Öffentlichkeit gelangt sind, ob sie gehackt wurden oder absichtlich weitergegeben worden sind. Es ist bekannt, dass unter Biden nicht zum ersten Mal sensible Daten und Informationen der Öffentlichkeit preisgegeben worden sind. Ein großes Leck in US-Geheimdienstinformationen im vergangenen Jahr belastete schon die Beziehungen der USA zu Verbündeten und Partnern, darunter Südkorea und die Ukraine, nachdem ein 21-jähriger Air National Guardsman streng geheime Informationen auf der Social-Media-Plattform Discord veröffentlicht hatte.