Geheime Pharma-Deals: Lauterbach und Scholz unter Lobbyismus-Verdacht

vor 7 Monaten

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Eintausend neue Arbeitsplätze sollen durch den neuen Produktionsstandort des US-Pharmakonzerns Eli Lilly in Rheinland-Pfalz entstehen. Als Gegenleistung soll der Pharmakonzern von der Bundesregierung die Verabschiedung eines Gesetzes gefordert haben, dass es der Firma ermöglicht, ihre Medikamentenpreise geheim zu halten, um dadurch Wettbewerbsvorteile zu bekommen. Das legt eine Recherche von NDR, WDR, SZ und dem Rechercheteam „Investigate Europe“ nahe, berichtet die Tagesschau.

Unterlagen des Gesundheitsministeriums, in die das Rechercheteam Einsicht eingeklagt hatte, legen die Absprache nahe. Am 30. August 2023 notierte der Leiter der Abteilung für Arzneimittel im Gesundheitsministerium, dass der US-Pharmakonzern in Rheinland-Pfalz eine Investition „im niedrigen einstelligen Milliardenbetrag“ plane. Weiter schreibt der Beamte: „Eli Lilly knüpft seine Investitionsentscheidung an die Zusage der Bundesregierung, vertrauliche Rabatte bei innovativen Arzneimitteln zu ermöglichen.“ Im September 2023 heißt es in den Unterlagen dann: Es „kann dem CEO von Eli Lilly, Dave Ricks, mitgeteilt werden, dass das BMG dem Wunsch von Eli Lilly nachkommt und im Rahmen des MFG plant, vertrauliche Rabatte für den Herstellerpreis zu ermöglichen“, wie die SZ berichtet.

Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen hat ausgerechnet, dass durch das neue Medizinforschungsgesetz, das eine Geheimhaltung von Medikamentenpreisen ermöglicht, „bereits im ersten Jahr Mehrkosten von bis zu 840 Millionen Euro denkbar“ seien, wenn bei nur zehn Prozent der neuen Medikamente die Preise geheim gehalten würden. Dies könnte unter anderem dadurch zustande kommen, dass Ärzte beim Verschreiben von Medikamenten nicht mehr die Preise einsehen und so womöglich vermehrt teurere Medikamente verschreiben könnten. Laut Tagesschau teilte GVK-Arzneimittelvorstand Stefanie Stoff-Ahnis mit, dass sich innerhalb von zehn Jahren „acht Milliarden Euro an zusätzlichen Jahreskosten aufbauen“ könnten, weil jedes Jahr mehr neue Medikamente auf den Markt kommen.

Der US-Konzern wurde mit den Zitaten aus den Akten konfrontiert, bestreitet aber, die Bundesregierung unter Druck gesetzt zu haben. „Unser Unternehmen hat zu keiner Zeit die Investitionsentscheidung in Rheinland-Pfalz an eine derartige Zusage von Seiten der Bundesregierung geknüpft“, zitiert die Tagesschau. Die Firma Eli Lilly sei „im Zuge des Bekanntwerdens“ der Eckpunkte des Medizinforschungsgesetzes „darauf aufmerksam gemacht worden, dass das Gesundheitsministerium die Einführung von vertraulichen Erstattungsbeträgen positiv geprüft“ habe. Die Entscheidung, in Rheinland-Pfalz zu investieren, sei bereits zuvor getroffen und bekannt gemacht worden.

Wie die Tagesschau berichtet, wollte sich das Gesundheitsministerium nicht konkret zu den Zitaten aus den Akten äußern. Ein Sprecher teilte mit: „Minister Lauterbach sind keine Vermerke bekannt, in denen er sich Eli Lilly gegenüber zu diesem Thema geäußert hätte. Für ihn persönlich hat die Haltung von Eli Lilly keine Rolle bei der Entwicklung der Pharmastrategie gespielt.“

Bisher galt in Deutschland die Regel, dass eine Firma den Preis frei festlegen darf, wenn ein neues Medikament eingeführt wird. Nach einem Jahr wird die Wirksamkeit des Medikaments vom Gemeinsamen Bundesausschuss bewertet. Bietet das neue Medikament keinen Zusatznutzen gegenüber bereits vorhandenen Medikamenten an, so müssen die Firmen den Krankenkassen Rabatte gewähren. Dieser Rabatt ist bislang öffentlich einsehbar. Auch andere Länder orientierten sich an den veröffentlichten deutschen Preisen und stellten dann Rabattforderungen an die Pharmakonzerne. Mit dem neuen Medizinforschungsgesetz können die Pharmakonzerne diese rabattierten Preise künftig geheim halten.

Im Januar 2024, etwa drei Monate bevor mit den Bauarbeiten für den neuen Eli-Standort begonnen wurde, brachte Karl Lauterbach das neue Gesetz auf den Weg. Das Medizinforschungsgesetz ist mittlerweile von Bundestag und Bundesrat beschlossen worden. Sobald es verkündet wird, kann es in Kraft treten. Wie die Tagesschau schreibt, sei das Gesetz von fast allen Experten im Gesundheitswesen abgelehnt worden, weil es zu höheren Medikamentenpreisen in Deutschland und Europa führe.

Karl Lauterbach selbst hatte sich lange ablehnend gegenüber der Geheimhaltung von Rabattpreisen geäußert. Wie die Recherchen von NDR, WDR, SZ und „Investigate Europe“ jedoch zeigen, sprach der Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Jörg Kukies, Anfang 2023 dreimal mit dem CEO von Eli Lilly, David Ricks, über die Einführung von Geheimpreisen und die Pharmapolitik. Wie die SZ berichtet, telefonierte Bundeskanzler Olaf Scholz am 16. Februar selbst mit dem CEO des US-Konzerns. Im Juni 2023 begründete Lauterbach in einem Interview mit NDR, WDR, SZ und „Investigate Europe“ seinen Sinneswandel damit, dass seine Hoffnung, „dass auch andere Länder so wie wir den Preis öffentlich machen“ sich nicht erfüllt habe, wie die SZ schreibt. Er sagte, dass „die Fachabteilung meines Hauses den Vorschlag richtig gut findet“.

Jedoch geben die eingesehenen Akten nicht her, dass die Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums die Idee unterstützten, Medikamentenpreise geheim zu halten. Stattdessen warnen die Beamten den Minister, dass „die Ermöglichung eines vertraulichen Erstattungsbetrags zu erheblichen Problemen führen würde“ und wahrscheinlich auch „zu Mehrkosten“. Wie die SZ erfuhr, sei zudem Eli Lilly der einzige Pharmakonzern gewesen, der ein Interesse an Geheimpreisen geäußert habe. Andere führende Pharmakonzerne haben kein Interesse an der Maßnahme gezeigt. In Dokumenten des Gesundheitsministeriums heißt es, dass „ein Großteil der pharmazeutischen Industrie“ die Geheimpreise „nicht als zentrale Maßnahme“ ansehe.

Eli Lilly brachte Ende August 2023 ein neues Medikament auf den Markt, das gleichzeitig gegen Diabetes und als Abnehmspritze fungiert, je nach Dosierung. Bald steht für dieses neue Medikament namens Mounjaro die Kostenentscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses an. Wahrscheinlich wird Eli Lilly einen Rabatt gewähren müssen, weil der Gemeinsame Bundesausschuss in den meisten Fällen keinen Zusatznutzen festgestellt hat. Eli Lilly könnte in diesem Fall zum ersten Mal von der Möglichkeit des Geheimpreises Gebrauch machen. Ärzte würden im Unklaren bleiben, wie teuer das Medikament im Vergleich zu ähnlichen Medikamenten ist. Menschen, die Mounjaro als Abnehmspritze auf eigene Kosten kaufen, wüssten nicht, wie viel Rabatt die Krankenkassen bekommen, wenn die Krankenkassen das Medikament als Diabetes-Medikament beziehen.

Sahra Wagenknecht forderte gegenüber Focus Online angesichts dieser Enthüllungen den Rücktritt von Gesundheitsminister Karl Lauterbach. „Sollten sich die Vorwürfe bestätigen und die Recherchen erscheinen seriös, dann muss Gesundheitsminister Lauterbach endgültig zurücktreten“, erklärte sie. Weiter sagte sie: „Der Bundeskanzler wird ihn nicht entlassen, weil er selbst verstrickt scheint. Interessen eines US-Pharmariesen sind der Ampel offenbar wichtiger als die Interessen der eigenen Bürger.“

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