
Stefan Gelbhaar, grüner Bundestagsabgeordneter, musste sich im Dezember vergangenen Jahres den Vorwürfen der sexuellen Belästigung stellen. Zwar kam mittlerweile heraus, dass die Vorwürfe erfunden waren, ein vermeintliches Opfer sogar nicht einmal existierte, aber der Schaden für Gelbhaar ist da. Gelbhaar wurde nicht auf die Landesliste der Berliner Grünen gewählt und in seinem Wahlkreis, in dem er im November nominiert worden war und den er 2021 gewinnen konnte, verlor er bei einer parteiinternen Neuwahl, die aufgrund der Vorwürfe stattfand, seine Direktkandidatur wieder.
Gegenüber der Berliner Zeitung äußert sich Gelbhaar in einem Interview ausführlich zu den Vorwürfen, dem rbb und auch zum innerparteilichen Umgang mit ihm. Er selbst spricht davon, dass er „Ziel von massiven Straftaten“ geworden ist.
Erst am 13. Dezember erfuhr Gelbhaar überhaupt von den Vorwürfen gegen ihn, die bei der Ombudsstelle der Grünen eingereicht wurden. Doch dabei ging der Kampf gegen Gelbhaar schon viel früher los. Sein Umfeld bekam aus einer bisher unbekannten Quelle über ein Jahr lang Nachrichten über ihn. Auf nähere Details zu den Nachrichten geht Gelbhaar nicht ein. Ebenso ist die Quelle dieser Nachrichten ihm nicht bekannt. Er hofft, „dass die Kommission die Vorwürfe und Zusammenhänge herausarbeiten kann“.
Größter Profiteur der Vorwürfe gegen Gelbhaar ist sein Parteifreund und Habeck-Vertrauter Andreas Audretsch. Dieser konnte den ursprünglich von Gelbhaar anvisierten zweiten Listenplatz der Berliner Landesliste bekommen und zieht dadurch mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Deutschen Bundestag ein. Gelbhaar selbst möchte sich an Spekulationen, ob Audretsch der größte Profiteur der Intrige gegen Gelbhaar ist, nicht beteiligen. Stattdessen verweist er darauf, dass seine Anwälte die Frage stellten, wer von der Intrige profitierte. „Quasi als Aufforderung an den RBB: Leute, ihr müsst recherchieren, das ist hochsensibel, was ihr macht.“ sagte er gegenüber der Berliner Zeitung.
Eine besondere Rolle in dem Fall Gelbhaar spielt die Vorsitzende der Grünen Jugend in Berlin, Leonie Wingerath. Wingerath hat am Tag der Aufstellung der Berliner Landesliste gegenüber dem rbb von „schweren Vorwürfen im Bereich sexualisierter Gewalt“, die gegen Gelbhaar im Raum stehen, gesprochen. Zwar nahm Wingerath kurze Zeit später diesen Teil der Aussage zurück, der Schaden war dennoch irreparabel. Der rbb selbst hat Gelbhaar nicht um Stellungnahme zu der Aussage gebeten. Der Bundestagsabgeordnete erfuhr von der Äußerung seiner Parteifreundin erst nach der Veröffentlichung.
Am 27. Dezember konfrontierte der rbb Gelbhaar per Mail mit weiteren Vorwürfen. Zu dem Zeitpunkt hatte Gelbhaar noch die Direktkandidatur in seinem Wahlkreis in Pankow inne. Um die Vorwürfe, „die teilweise anderthalb Jahre zurücklagen“, entkräften zu können, versuchte Gelbhaar, die Tage zu rekonstruieren. „Und beim schwersten Vorwurf wurde mir schnell bewusst, dass ich ihn widerlegen kann. Das war ein wichtiger Punkt“, so Gelbhaar.
Am 8. Januar wurde Gelbhaar dann in seinem Wahlkreis abgewählt und durch Julia Schneider ersetzt. Als sich nur wenige Tage später herausstellte, dass eine wichtige Zeugin, die sich beim rbb gemeldet hatte, nicht existiert, war alles schon zu spät. Aufgrund der Fristen zur Einreichung von Wahlvorschlägen war eine Wiedereinsetzung von Gelbhaar als Direktkandidat unmöglich. Die politische Karriere von Gelbhaar ist zumindest für eine Legislaturperiode auf Eis gelegt.