
Es sieht aus wie der Beginn einer Männerfreundschaft: Der Auftritt der Kanzlerkandidaten Friedrich Merz, Olaf Scholz und Robert Habeck in einem gemeinsamen Video soll ein Aufruf sein zu „Anstand und Respekt“ im Wahlkampf. Stattdessen ist es ein erschütterndes Dokument von Macht und Anmaßung. Drei Kerle biegen sich die Demokratie zurecht.
Habeck, Merz und Scholz werben für „Anstand und Respekt“.
Die Botschaft des von den linken Fernsehunterhaltern Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf organisierten und verbreiteten Videos lautet letztlich: Wir, die freundlichen Herren von CDU, SPD und Grünen, machen unter uns aus, wer Deutschland regieren darf. Die Wähler dürfen die Reihenfolge des Zieleinlaufs festlegen, aber auf kein Rennen hoffen außerhalb des festgelegten Korridors.
Weder Kanzlerkandidatin Alice Weidel noch der liberale Spitzenkandidat Christian Lindner, bis vor kurzem Bundesfinanzminister, durften dabei sein, als die pathetischen Drei ihr Bekenntnis auf tiefschwarzer Bühne ablegten. AfD und FDP, heißt das, müssen draußen bleiben. Sie stören bei der ebenso laut wie hohl beschworenen Gemeinsamkeit der sogenannten demokratischen Parteien.
Robert Habeck griff am tiefsten in den Phrasentopf. „Uns eint“, tönte er im Namen der trickreichen Drei, „dass wir nach den gemeinsamen Regeln unserer liberalen Demokratie spielen, Regeln allerdings, die andere brechen wollen – dann, um unsere Demokratie zu zerstören. Sie greifen zu Desinformationen, schamlosen Lügen, erfundenen Beschuldigungen“ und wollten so „unsere Gesellschaft kirre machen“.
Robert Habeck behauptet, es gäbe Menschen, die die Bevölkerung „kirre“ machen wollen.
Hat in jüngster Vergangenheit irgendetwas die Gesellschaft „kirrer“ gemacht als die Energiepolitik des Robert Habeck? Greift nicht er selbst zu Desinformation und Unwahrheit, wenn er von wirtschaftlichen Fakten fabuliert, die es so gar nicht gibt? Und wo ist der Beweis erbracht, dass die ominösen „anderen“ – gewiss die AfD, vielleicht auch das BSW – die Demokratie zerstören wollen? Habeck sitzt auf dem hohen Ross der moralischen Arroganz und kommt nicht vom Fleck.
Olaf Scholz verteilt derweil Haltungsnoten und für sich die besten. „Es geht um Ehrlichkeit und Transparenz“, behauptet der erinnerungsschwache Sozialdemokrat, der einst versprach, die Reduktion der während der Corona-Krise abgesenkten Mehrwertsteuer für die Gastronomie beizubehalten. Das Gegenteil geschah.
Im Cum-Ex-Skandal trägt der Zeuge Scholz wenig zur Transparenz bei. Die Keilerei des Willy-Brandt-Hauses gegen Friedrich Merz, der als kaltherziger Kinder- und Rentnerschreck dargestellt wird, verträgt sich nicht mit Scholzens Versprechen, „wir gehen respektvoll miteinander um“.
In Grenzbereiche des Demokratischen verirrt sich Scholz, wenn er nicht nur „allen demokratischen Politikerinnen und Politikern“, sondern auch „den Medien und jedem einzelnen von uns“ meint ein Versprechen abnötigen zu können: „Lassen Sie uns einander vertrauen.“ Der gescheiterte Kanzler einer gescheiterten Regierung will, dass Radio, Fernsehen, Zeitungen und alle Bürger ihm vertrauen.
Bundeskanzler Scholz fordert „Vertrauen“.
Wer so redet, hat die Aufgabe der Medien im Rechtsstaat nicht verstanden. Politischer Journalismus muss von einem grundlegenden Misstrauen gegenüber der Regierung getragen sein, oder er verkommt zur PR. Scholz wünscht sich berichtende Claqueure, nicht kritische Berichterstatter. Er träumt von einem Volk, das dem Kanzler Spalier steht.
Die traurigste Figur gibt Friedrich Merz ab. Er lässt sich einbetten in die Bewerbungsreden zweier Regierungsmitglieder und verzichtet so auf seinen Status als angriffslustiger Oppositionsführer. Er macht das linke Spiel mit, um weiter an seiner Entkernung zu arbeiten. Er möchte um keinen Preis mehr einer sein, wie er einmal gewesen ist: knorrig, kantig, konservativ. Nur Mildes soll von seinen Lippen perlen.
Erst sagt Merz in falschem Deutsch, Demokratie sei „streitbar“ – als wäre die Demokratie bereit, sich nun mit Monarchie oder Feudalismus anzulegen. Gemeint ist schlicht, dass in der Demokratie viel gestritten wird. Dann setzt Merz hinzu: Man solle nicht „mit Ängsten spielen“, sondern in der „starken politischen Mitte“ zu „gemeinsamen Lösungen finden“. Da ist es wieder, das Schreckenswort von der Gemeinsamkeit unter den dreisten Drei – und nur unter diesen.
CDU-Chef Merz möchte gemeinsame Lösungen aus der politischen Mitte.
Merz macht mit, weil er mittig erscheinen will. Das Versprechen, das er abgibt, gilt der SPD und den Grünen. Mit ihnen will er nach der Wahl die besagten „gemeinsamen Lösungen finden“, und ihnen sagt er im Wahlkampf die „Regeln des Anstands und des persönlichen Respekts in jedem Moment“ zu. Abwesende sind ausgeschlossen.
Das Video der kungelnden Drei ist so aufschlussreich, dass es schmerzt: Drei Kanzlerkandidaten schließen einen Bund. Sie sprechen sich die Macht zu, die der Wähler noch vergeben muss. Sie definieren einen Teilbereich des demokratischen Spektrums zum Gesamtgebiet. Sie schütteln den Sinn aus den Begriffen, bis nur Laute übrig sind. Sie zeigen dem Bürger, wo allein der Hammer hängt: bei Friedrich Merz, Olaf Scholz und Robert Habeck.