
Häuptling Majestix hatte Angst davor, dass ihm der Himmel auf den Kopf fällt, die Jugend von heute hat Angst vor dem Weltuntergang, dem Klimawandel, dem Hitzetod, Donald Trump, den Russen, die wieder vor Berlin stehen, aber auch „Speisekartenangst“ beim Bestellen aus einer Speisekarte im Restaurant, Angst vor Telefongesprächen und dem Tanken ihres eigenen Autos. Sagen Sie jetzt nichts, würde der unvergessliche Loriot anmahnen und sofort mit dem Drehbuch für weitere Kinoklassiker beginnen.
Kein Wunder, könnte man aber auch sagen, wer ganze Jahrgänge absichtlich in Angst vor dem Aussterben, wahlweise Verbrennen oder Absaufen der Erde versetzt oder ihnen in der Corona-Zeit über fast drei Jahre Angst machte, sie könnten mit einem unsichtbaren Virus ihre Großeltern töten, braucht sich nicht wundern, wenn eine ganze „Generation Angst“ entsteht, die selbst von banalen Alltagsdingen überfordert ist und sich in Konsequenz ins Schneckenhaus ihrer Ängste zurückzieht.
Gerade erst klärte die Tagesschau mit einem Video darüber auf, was zu tun sei, wenn man Angst vor dem Tanken habe als junger Mensch, man Angst habe, etwas dabei falsch zu machen oder „Side-Eyes“ zu bekommen, was wohl in Jugendsprache so viel heißen soll wie, dass einer blöd schaut, wenn man sich dämlich anstellt. Während man noch in meiner Jugend angesichts der „Angst vor dem Tanken“ mit dem Kommentar abgefertigt worden wäre, „dann geh halt zu Fuß“, ist es heute in Mode gekommen, jeder Unzulänglichkeit und Denkfaulheit der jungen Generation mit Verständnis und Unterstützung oder, wenn möglich, gleich mit einer Therapie und der Botschaft „Du bist nicht allein und wir helfen dir“ zu begegnen. Das Mindeste ist aber ein Hilfs-Video bei YouTube. Und so lernen wir auf dem Kanal der Tagesschau über die dramatische Dimension des Tank-Unvermögens in der Generation Z:
Die Tagesschau fragt: "Hast du Angst vorm Tanken?" Damit sind nicht die hohen Spritpreise gemeint, sondern dem hoch komplizierten Vorgang an der Zapfsäule nicht gewachsen zu sein 🤡 Kein Witz: pic.twitter.com/CljCEKf0rM
Eine Umfrage in Großbritannien habe schließlich gezeigt, dass 60 Prozent der 18- bis 24-Jährigen beim Tanken verunsichert seien und dass zwei Drittel der Betroffenen andere bitten würden, für sie zu tanken. Die junge Dame von der neuen Tagesschau-Lebenshilfe fordert dann auch auf: „Teile dieses Video mit Leuten, die auch Angst vorm Tanken haben.“Es gibt offenbar keine Angst, die es nicht gibt, wie etwa die „Sesquipedalophobie“, was die „Angst vor langen Wörtern“ bezeichnenderweise in einem sehr langen Wort beschreibt. Symptome seien dann Panikattacken und überwältigende Ängste, Schamgefühle oder die Angst vor Spott anderer. Früher hätte man bei Verständnisschwierigkeiten sein Gegenüber schlicht gefragt: „Was meinst du damit?“. Heute sucht man sich einen Therapeuten. Dass der Deutsche genetisch ein Hasenfuß sei, hält sich inzwischen gar international derart hartnäckig als Vorurteil, dass die „German Angst“ längst zu einem geflügelten Begriff im angelsächsischen Raum avanciert ist, um die generelle Übervorsicht und Mutlosigkeit und lähmende Zukunftsangst des ehemals stolzen Germanenvolkes zu beschreiben.
Sesquipedalophobie: Die Angst vor langen Wörtern. Beim Scrabble eher hinderlich.
Die sogenannte Gen-Z-Generation erweist sich im Nachklang der Corona-Pandemie nun als weitaus ängstlicher als vorherige Generationen und entwickelt dabei ganz neue und bislang kaum existente Angststörungen, die auf den ersten Blick lächerlich wirken, in der Masse aber durchaus besorgniserregend sind. So weiß die digital in Chatrooms mit Emojis und Memes geübte Generation der heutigen Kinder und Jugendlichen oft nicht mehr, wie ein normales Gespräch unter Erwachsenen mit einfachen Worten funktioniert. Das US-Marktforschungsinstitut „The Harris Poll“ diagnostizierte Angst vor Smalltalk bei jungen Menschen in den USA, und in Deutschland lieferten prompt Medien wie die Süddeutsche Zeitung Lebenshilfe im „Kampf gegen die Smalltalk-Angst“, während eine offensichtlich schreibfähige, aber nicht sprechfähige Redakteurin im Selbstversuch neue Strategien gegen ihre eigenen Ängste testete.
Wer nun als junger Mensch glaubt, er habe keine Ängste, ist einfach nur noch nicht richtig informiert. Bereits im Sommer 2023 erreichte alle meine minderjährigen Kinder ein Schreiben ihrer Krankenkasse mit dem Angebot der Hilfe, falls sie „Klima-Angst“ hätten, was schließlich laut Brief über 50 Prozent ihrer Gleichaltrigen bereits betrifft, und als gute Krankenkasse bot man ihnen eine eigens eingerichtete Homepage an, um ihre Ängste anzunehmen und um Achtsamkeit zu lernen: „Schon 7 Minuten täglich reichen aus, um entspannter zu werden.“
Man forderte sie aber auch auf, sich Vereinen und Organisationen anzuschließen, um sich dort aktiv gegen die „Klimakrise“ zu engagieren und dort „Gleichgesinnte“ kennenzulernen, „die ähnlich fühlen wie du, das kann befreiend sein“. Die dazu passende Umfrage „Klima-Angst und Klima-Handeln“ unter 4.000 Jugendlichen hatte die Barmer-Krankenkasse gleich selbst in Auftrag gegeben, um das Ganze dann noch zu einer PR-Nummer zu vermengen, wie man doch als Kasse „gemeinsam für eine nachhaltige Zukunft“ agiere und einen eigenen Beitrag zur Klimaneutralität leiste.
Als Mutter hatte ich diese Briefe, die meinen Kindern Ängste erklären wollten, von denen sie nicht einmal wussten, dass sie sie besitzen, eiligst beiseitegeschafft, sie haben sie nie gesehen. Gilt es doch als Binsenweisheit der Entwicklungspsychologie, dass sich Ängste verstärken, je mehr man davon liest und je mehr man mit den realen und vermeintlichen Ängsten anderer konfrontiert wird. Es bringt gerade leicht beeinflussbare Jugendliche oft erst auf die Idee, sie seien ebenfalls Betroffene.
Nun ist es gar nicht einfach, Kindern und Jugendlichen Zuversicht und Lebensfreude, aber auch Ungezwungenheit und Gelassenheit im Angesicht eigener Probleme und Unzulänglichkeiten mit auf den Lebensweg zu geben, wenn sie medial in TikTok-Videos, über NGOs, Aktivisten, über Unterhaltungsprogramme, aber auch über politische Parteien und Regierungen und bis in die täglichen Nachrichtensendungen hinein mit „Klima-Angst“ geflutet werden. Wen wundert es, wenn die Hälfte der jungen Menschen 2023 angab, Klima-Angst zu fühlen, wenn täglich die Wetterkarten der Nachrichtensender blutrot brennen, linke Parteien den Weltuntergang beschwören und sie in jener Zeit mit Greta Thunberg eine Ikone der Klima-Angst präsentiert bekamen, deren Satz „Ich will, dass ihr in Panik geratet. Dass ihr die Angst spürt, die ich jeden Tag spüre.“ auf dem Weltwirtschaftsforum 2020 in die Geschichtsbücher einging? Wer sein wollte wie Greta, hatte auch Angst wie Greta, der nannte sich „letzte Generation“ und klebte sich zum Sterben auf Fahrbahnen. Auf allen Kanälen berichteten im Jahr 2023 Nachrichtensender und Zeitungen aus dem Nichts heraus plötzlich von der Klima-Angst der jungen Generation und diese glaubt offensichtlich bis heute, was man ihr damals einredete.
Klima-Angst wird in der Wissenschaft inzwischen sogar auf einem eigenen Index gemessen, der CCA-Skala (Climate-Change-Anxiety-Scale). Die Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften HAW berichtete unlängst von den Ergebnissen einer neuen Studie in Kooperation mit der Krankenkasse mkk unter 4.500 Studenten, wonach allein das Bewusstsein für den Klimawandel negative Folgen für das seelische Wohlbefinden habe: „Je häufiger die Befragten Informationen zum Klimawandel konsumierten, umso höher war ihre psychische Belastung.“ Gut die Hälfte der Studenten litt im Ergebnis unter Klimawandelangst, Frauen waren mit 57,6 Prozent häufiger betroffen als junge Männer und jene, die sich selbst geschlechtlich als „divers“ bezeichnen, waren mit 80,5 Prozent überdurchschnittlich stark vertreten, wobei 42,2 Prozent aller Teilnehmer starke bis extrem starke Angst empfanden.
Wie soll man jungen Menschen helfen, die absolut sicher sind, dass die Welt untergeht, aber nicht sicher, welchem Geschlecht sie angehören, und wieso ist die Schnittmenge dieser beiden Gruppen so groß? Die beste Erklärung liefert die Zugehörigkeit zu einem linken postfaktischen Milieu, in dem die eigene Gefühlswelt alles, Rationalität aber nichts mehr gilt. Die Klima-Aktivistengruppe der Gleichgesinnten wirkt dabei wie ein Verstärker im Resonanzraum der Weltuntergangsstimmung.
Nur wäre es billig, diesen jungen Menschen, die mit ihrer eigenen Lebensuntauglichkeit bereits genug gestraft sind, ein „Heul leiser“ zuzurufen, sind sie doch auch Opfer einer Gesellschaft, die sie in ihre Ängste treibt. Jene, die Kindern und Jugendlichen Ängste einreden, sitzen schließlich auch am heimischen Küchentisch, vor Schulklassen, in Redaktionsstuben und in Parlamenten und rufen unermüdlich den Weltuntergang herbei. Nun hat aber noch kein einziges Kind seine Angst vor Monstern unter dem Bett verloren, indem Mutti abends bestätigt, dass dort tatsächlich ein wirklich riesiges Exemplar sitzt und es allen Grund gibt, den Lebensmut zu verlieren, weil es nicht nur Schlafenszeit ist, sondern auch 5 nach 12 auf der Monsteruhr.
Nach der Corona-Angst kam die Klima-Angst, gerade wird die Kriegsangst in Europa beschworen, der Sommer der Hitzetoten ist schließlich im Regen abgesoffen. Die Themen wechseln, was zurückbleibt ist eine wenig lebensfähige Kindergeneration, deren Resilienz gegen die Widrigkeiten des Lebens nicht etwa gestärkt, sondern sogar regelmäßig und mutwillig unterminiert wird. Auch das ist eine Form von Kindesmissbrauch: Wenn man Kinder zur Durchsetzung von politischen Agenden und Ideologien mit Ängsten anfüttert, um sie gefügig zu machen, anstatt ihnen Freude auf die Zukunft zu vermitteln.
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