Besuch bei einer französischen Kochlegende, der gerade der dritte Stern abhanden kam

vor etwa 5 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

In Vonnas in der Bresse, aus der die wohl besten Hühner der Welt kommen, ist das Konterfei von Gorges Blanc allgegenwärtig. Der 82-jährige Meisterkoch ist eine Legende, auf Augenhöhe mit Paul Bocuse und Paul Haeberlin, die freilich nicht mehr unter uns weilen. Das von seiner Großmutter gegründete Restaurant in Vonnas war das erste überhaupt, das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde. Seither war man immer mit Sternen in der roten Bibel vertreten, zuletzt mit drei, der Bestnote, von denen einer jedoch gerade abhanden kam. Eine Schmach, die Georges Blanc nüchtern kommentierte, im festen Bewusstsein, dass es sich auch mit zwei Sternen leben lässt und die „Bude“ ohnehin immer ausgebucht ist.

Blanc macht jeden Abend im Restaurant, das seinen Namen führt, die Runde, signiert Speisekarten, stellt sich in blütenweißer Kochjacke mit Kragen in den französischen Nationalfarben bereitwillig zum Handyfoto in Positur. Immer an seiner Seite die elegante, deutlich jüngere Sara Goupy, die er in der Direktion seines Gastroimperiums mit 200 Mitarbeitern und einem Millionenumsatz kennen und lieben lernte. Unlängst haben die beiden geheiratet, es ist Blancs dritte Liaison. Auch in ihren Beziehungen zum schönen Geschlecht lassen die Herren Chefköche in Frankreich – der berüchtigte Frauenverbraucher Paul Bocuse ist noch in bester Erinnerung – nichts anbrennen.

Blancs Vorfahren waren im Kohlen- und Limonadenhandel tätig. Seine Großmutter Élisa, später nur noch als mère Blanc bezeichnet, begründete den Ruf der Familie als Hoteliers und Gastronomen. 1929 erhielt sie für ihre erstklassige regionale Küche mit Produkten aus der Bresse und den Dombes – Huhn, Taube, Ente, Schnecken, Froschschenkel und Flusskrebse – den ersten Michelin-Stern, wenig später folgte der zweite sowie der Ritterschlag des französischen Literaten und Restaurantkritikers Curnonsky, der sie zur „besten Köchin der Welt“ kürte.

Der Enkel erkochte sich Meriten unter anderem auf einem Flugzeugträger als Leibkoch eines Admirals, bevor er 1968 das Familiengeschäft von seiner Mutter Paulette übernahm. 1970 gabs den dritten Stern sowie in Folge weitere Ehrentitel, darunter die Mitgliedschaft in der französischen Ehrenlegion. Nach und nach erwarb er rund ums Stammhaus in Vonnas mehr als ein Dutzend Immobilien, ließ sie renovieren und umbauen und formte daraus ein Dorf im Dorf mit Luxushotels, Restaurants, Boutiquen, Wellnesscenter, Parks und einem Helikopterlandeplatz.

Die kunterbunte Destination wirkt ein klein bisschen wie ein kulinarisches Disneyland. Und überall künden Fotos, Skulpturen und Hinweistafeln vom Ruhm der Familie Blanc. Dass Blanc auf seinen Wunsch ein Autobahnanschluss nach Vonnas an der von Mâcon nach Bourg-en-Bresse führenden Schnellstraße zugestanden wurde, zeigte seinen enormen Einfluss und sein Renommee.

In seinem Gourmetrestaurant pflegen Georges Blanc und sein Sohn und Nachfolger Frédéric die ehernen Grundsätze der französischen Haute Cuisine, ohne dass es sich um Museumsküche handelt. Die Qualität der Speisen wird dem Ruf des Hauses gerecht, wobei die Menüportionen leider überschaubar sind, der Service sucht seinesgleichen, die wuchtige Weinkarte ebenso, nur das eichenlastige Ambiente ist in die Jahre gekommen. Allerdings hat es auch den Haeberlins nichts genutzt, dass sie ihre Auberge de l’Ill von einem Stardesigner ausstatten ließen. Der dritte Stern kam bislang nicht zurück.

Signature dish bei den Blancs sind die Crêpes vonnassiennes, eine Kreuzung aus Kartoffelpuffern und russischen Blinis auf Basis eines verfeinerten Kartoffelpürres, luftig leicht und trotzdem herzhaft. Wenn man sie als Beilage zum Bressehuhn serviert bekommt, sollte man unbedingt Supplement verlangen. Die Spezialität des Hauses gibt es auch als Hauptgang zusammen mit Forelle und Osietrakaviar zum stolzen Preis von 120.- Euro. Ein absolutes Highlight ist die Patisserie ohne gemüsige Crossover-Experimente: Das Zitronensoufflee mit Mangosauce war ein süchtig machender Rausschmeißer. Übrigens gibt es schräg gegenüber des Luxusrestaurants ein ebenfalls von Blanc geführtes Bistro, wo es sich zu gemäßigten Preisen ebenfalls auf hohem Niveau tafeln lässt.

Nach einem Besuch in diesem Kultort der klassischen, französischen Küche erscheint es einigermaßen unverständlich, warum der Guide Michelin den Altmeister abstrafte und ihm im aktuellen Führer den dritten Stern aberkannt, wie zuvor schon Bocuse und Haberlin. Vielleicht handelte es sich ja um eine etwas makabre Marketingaktion, denn nichts verkauft sich besser, als wenn man einen König vom Thron stürzt. Oder spiegelt sich im Urteil der Tester ein wokes Ressentiment gegenüber den Errungenschaften der Grande Cuisine? Selbst in Frankreich kann ein Koch, der die Tradition hochhält, offenbar nicht mehr mit Bestnoten rechnen.

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