
Der Physiker Prof. Dr. Gerd Ganteför zählt zu den profiliertesten Kritikern der heutigen Klimadebatte – ohne die physikalischen Grundlagen der Klimaforschung zu bestreiten. Im Interview mit NIUS erklärt er, warum die Modelle des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) fragwürdig sind, wieso Panik politisch gewollt ist, was es mit dem „Senkenmodell“ auf sich hat – und wie eine ideologisch aufgeladene Klimawissenschaft das Vertrauen in die Naturwissenschaft insgesamt beschädigt. Ein ausführliches, in sieben Themenblöcke unterteiltes Gespräch über CO2, Ozeantiefe, politische Instrumentalisierung – und die Rückkehr der Angst.
NIUS: Herr Professor Ganteför, Sie gelten als unbequemer Kritiker der etablierten Klimawissenschaft. Wie ist es dazu gekommen?
Gerd Ganteför: Ich bin emeritierter Professor für Experimentalphysik an der Universität Konstanz. Im Masterprogramm habe ich mehrfach die Vorlesung "Energie und Klima" angeboten – ein ganzes Semester lang, mit Physikstudierenden im sechsten oder siebten Semester. Das heißt: kritische, kluge junge Leute mit viel Vorwissen. Wir haben in Konstanz zwar keine eigene Forschung zur Klimathematik, aber natürlich müssen wir sie in der Lehre abdecken. Also habe ich mich tief eingearbeitet: in Energieerzeugung, in die Klimaforschung und insbesondere in die Berichte des Weltklimarats.
Wenn man diese Dinge dann als Physikprofessor vor solchem Publikum darlegt, entsteht automatisch eine kritische Auseinandersetzung. Durch diese intensive Beschäftigung bin ich zu einem differenzierten Bild gelangt. Mein Fazit: In den Bereichen Klima und Energie erleben wir heute eine ideologisch verzerrte Wissenschaft. Warum? Weil Naturwissenschaft politisch funktionalisiert wird. Sie wird als Werkzeug benutzt, um gesellschaftliche Umbauziele durchzusetzen.
NIUS: Was genau stört Sie an dieser Entwicklung?
Ganteför: Mich stört diese Vereinnahmung gewaltig. Ich unterscheide klar zwischen ehrlichen Wissenschaftlern, die verstehen wollen, wie das Klima funktioniert – und jenen, die politische Absichten verfolgen. Die seriösen Forscher arbeiten wertneutral, suchen nach Zusammenhängen, ohne gleich den Umbau der Gesellschaft im Sinn zu haben – wie ihn etwa Herr Habeck als „Transformation“ propagiert.
Was ich ablehne, sind Übertreibungen. Wenn etwa Professoren öffentlich erklären, die Menschheit werde aussterben, wenn sich die Erde um mehr als zwei Grad erwärmt, dann ist das keine Wissenschaft mehr. Es gab in der Erdgeschichte schon Phasen mit zehn Grad höherer Temperatur. Und in vielen Regionen der Welt, etwa in Malaysia oder Thailand, ist es heute schon 18 Grad wärmer als in Deutschland. Trotzdem sterben die Menschen dort nicht aus. Angst wird hier bewusst eingesetzt, um politische Ziele durchzusetzen.
Dabei war Naturwissenschaft – seit ihrer Entstehung – immer ein Mittel gegen Aberglauben und Furcht. Heute wird sie selbst zur Angstmaschine. Das ist eine Pervertierung ihres Wesens, die mir als Naturwissenschaftler regelrecht wehtut.
Prof. Ganteför hielt 2014 zur „langen Nacht der Wissenschaft“ einen Vortrag, der auf YouTube inzwischen 7 Millionen Klicks erhalten hat. (Screenshot: YouTube)
NIUS: Das Interessante ist: Sie bestreiten nicht die Grundlagen. Im Gegenteil – Sie sagen, Sie stimmen mit etwa 90 Prozent dessen überein, was der IPCC in seinem physikalischen Hauptbericht schreibt. Was genau gehört dazu?
Ganteför: Ich stimme zu, dass sich der Planet erwärmt. Das sehen wir an Wetterstationen weltweit – sogar in der Antarktis. Und ich stimme zu, dass diese Erwärmung durch Treibhausgase verursacht wird, insbesondere durch CO2 aus fossilen Energieträgern. Die CO2-Konzentration ist seit der vorindustriellen Zeit von etwa 270 ppm auf über 420 ppm gestiegen. CO2 absorbiert Infrarotstrahlung und verhindert, dass Wärme ins All entweicht. Das ist gut verstanden.
Das wichtigste Treibhausgas ist zwar der Wasserdampf – für den wir Menschen aber nichts können. Er steht im natürlichen Austausch mit den Ozeanen. Trotzdem hat CO2 eine entscheidende Wirkung, weil es in ein „Fenster“ der Atmosphäre hineinwirkt, in dem die Erde eigentlich abstrahlen könnte. Dieses Fenster wird durch CO2 weiter geschlossen – je mehr CO2, desto stärker der Wärmestau.
Auch beim Methan teile ich die Einschätzungen des IPCC. In dessen Berichten wird nüchtern dargelegt, was wir über Methanquellen und -senken wissen. Dass daraus in der öffentlichen Debatte gemacht wird, wir müssten alle Veganer werden, ist eine politische Interpretation – nicht die Aussage der Wissenschaft selbst.
NIUS: Sie haben kritisiert, dass eine vielzitierte Studie die Klimageschichte der letzten 2.000 Jahre auf eine gerade Linie reduziert. Was hat es damit auf sich?
Ganteför: Es gab vor einiger Zeit eine vielbeachtete Publikation – unter anderem von der Universität Bern –, die in einer Zeitschrift wie Nature oder Science erschien. Dort wurde behauptet, dass es in den letzten 2.000 bis 3.000 Jahren keine nennenswerten Klimaschwankungen gegeben habe. Die Temperaturkurve sei nahezu gerade verlaufen – bis mit der Industrialisierung ein steiler Anstieg durch den Menschen kam. Ein perfekter „Hockeyschläger“.
Ganteför kritisiert hier die „begradigte“ Klimaentwicklung der letzten tausend Jahre, die allerdings durchaus durch Klimaveränderungen gekennzeichnet war. (Screenshot: Youtube)
Diese Darstellung suggeriert, die Erde sei immer im Gleichgewicht gewesen – und nur der Mensch störe die Harmonie. Doch das ist sachlich falsch. Wir wissen aus historischen Quellen von Klimaschwankungen: das römische und das mittelalterliche Klimaoptimum, die Kleine Eiszeit. Die Gletscherforscher wissen, dass der Aletschgletscher vor 200 oder 300 Jahren deutlich umfangreicher war. Und um 1800 in den Alpen – da hatten die Dörfler in den Tälern Angst, dass die Gletscher vordringen und ihre Heimat verschlingen. Heute passiert das Gegenteil. So viel zu natürlichen Klimaschwankungen.
Die Autoren dieser Studie haben sogenannte Proxydaten verwendet – also indirekte Temperaturhinweise wie Pollen oder Pflanzenreste – und sie gemittelt. Da diese Daten mit hohen Unsicherheiten behaftet sind, ergibt sich beim Mitteln zwangsläufig eine geglättete Kurve. Das bedeutet aber nicht, dass es keine Schwankungen gab – es ist schlicht eine Folge der Methode.
NIUS: Und das hat dann das Bild in den Lehrbüchern verändert?
Ganteför: Ja und das halte ich für eine ideologische Verzerrung. Es ist ein klassisches Merkmal totalitärer Systeme, die Vergangenheit umzuschreiben, um gegenwärtige Ziele zu legitimieren. Ich unterstelle den Autoren keine Absicht – viele glauben vermutlich, sie würden seriös arbeiten. Aber der Effekt bleibt: Natürliche Klimaschwankungen werden systematisch herausgerechnet. Und Medien wie der Spiegel oder die Süddeutsche übernehmen solche Bilder unkritisch. Das ist keine Naturwissenschaft mehr, das ist Ideologie.
NIUS: Kommen wir zu Ihrem sogenannten Senkenmodell. Sie sagen: Es gäbe eine gute Nachricht – aber niemand will sie hören. Warum?
Ganteför: Weil die Panik systemrelevant geworden ist. Ich erkläre seit Jahren, dass etwa 50 Prozent des jährlich emittierten CO2 von der Natur wieder aufgenommen wird – in Ozeanen und Pflanzen. Die Menschheit setzt rund 40 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr frei – in der Atmosphäre kommen davon aber nur etwa 20 Milliarden an. Der Rest verschwindet.
Das ist sogar im IPCC-Bericht nachzulesen. Die Ozeane wirken wie ein Sprudelautomat: Steigt der CO2-Druck in der Luft, löst sich mehr davon im Wasser. Und Pflanzen wachsen bei höherem CO2 besser – das sieht man an der zunehmenden Begrünung auf Satellitenbildern.
Wenn man das ernst nimmt, lautet die logische Folgerung: Wir müssen unsere Emissionen nur so weit senken, wie die Natur sie aufnehmen kann. Also etwa halbieren. Doch Politik und Medien fordern „Netto-Null“. Und damit ist Absolut-Null gemeint. Das ist nicht nur unrealistisch – es ist wirtschaftlich selbstmörderisch. Deutschland vielleicht – aber der Rest der Welt? Sicher nicht.
Das Kohlekraftwerk in Xining in der chinesischen Provinz Qinghai.
NIUS: Kritiker, die Ihren Ansatz womöglich noch zu nah am „Mainstream“ sehen, würden sagen: Es gibt ja im IPCC selbst Aussagen, wonach das Klima ein chaotisches System sei – und damit eigentlich gar nicht vorhersagbar. Gleichzeitig wird aber ein linearer Zusammenhang zwischen CO2-Ausstoß und Temperaturerhöhung behauptet. Wie passt das zusammen?
Ganteför: Das ist eine gute Frage. Natürlich ist das Klima – insbesondere das Wetter – ein chaotisches System. Auf kurzen Zeitskalen ist es extrem schwer vorhersagbar. Aber auf längeren Skalen gibt es übergeordnete, langfristige Trends. So wissen wir, dass es im Sommer wärmer ist als im Winter – auch wenn wir nicht sagen können, ob es am 3. April 2045 regnet oder nicht. Das liegt an fundamentalen Faktoren wie dem Einstrahlungswinkel der Sonne. Und genauso verhält es sich mit CO2: Es wirkt wie ein langsamer, systematischer Treiber. Trotz aller Fluktuationen führt ein kontinuierlicher Anstieg des CO2-Gehalts langfristig zu mehr Wärmespeicherung – also zu einem Trend, den man modellieren kann.
NIUS: Sie sagen, dass diese zentrale Idee – jede Tonne CO2 erwärmt das Klima linear weiter – auf einer Modellannahme beruht, die Sie für falsch halten. Für Außenstehende wirken solche Modelle ja oft wie eine Priesterkaste – man versteht nicht, was in diesen Rechenprogrammen passiert, und soll einfach glauben, dass es stimmt. Wie haben Sie das durchdrungen?
Ganteför: Ich konnte nicht herausfinden, welche physikalischen oder chemischen Annahmen in die Modelle einfließen – das wird schlicht nicht offengelegt. Es gibt ja zwei Gruppen in der Klimaforschung: Die einen machen experimentelle Forschung, die anderen betreiben Klimaprognose-Modelle. Fragt man die Modellierer, warum eine bestimmte Kurve so verläuft, antworten sie: So spuckt es das Programm aus. Aber das ist keine Naturwissenschaft. Naturwissenschaft muss erklärbar und falsifizierbar sein.
Und trotzdem fußt die Klimapolitik – inzwischen sogar mit Verfassungsrang (Stichwort „Klimaneutralität“) – auf solchen Modellannahmen. Das Budgetmodell etwa geht von einer linearen Beziehung zwischen kumulierten CO2-Emissionen und Erwärmung aus. Doch diese Linearität kann nur gelten, wenn es keine Senken gibt. Solange die Ozeane und Pflanzen CO2 aufnehmen, steigt der CO2-Gehalt nicht entsprechend – und die Temperatur auch nicht.
Ich vermute, dass die Modelle nur eine Ozeantiefe von 100 Metern annehmen. In Wahrheit sind die Ozeane im Schnitt 5.000 Meter tief. CO2 kann durch Diffusion und Strömung deutlich tiefer eindringen. Wird aber nur die oberste Schicht berücksichtigt, ist die Senkenwirkung schnell „erschöpft“. Noch absurder: Auch bei Landpflanzen rechnen die Modelle mit denselben Sättigungskurven – obwohl es naturwissenschaftlich völlig andere Prozesse sind. Das zeigt: Die Zeitkonstanten wurden willkürlich festgelegt.
NIUS: Auch Donald Trump hat angekündigt, Forschungseinrichtungen zu schließen. Hat das mit dem Vertrauensverlust zu tun?
Ganteför: Ja, und daran trägt auch die Pandemie Schuld. Mit all ihren Zwängen: Impfpflicht, Maskenzwang, Ausgangssperren. Damals wurde die Naturwissenschaft ebenfalls benutzt, um Maßnahmen zu rechtfertigen. Heute sehen viele Menschen sie als autoritär – als etwas, das Vorschriften macht.
Hamburg, Januar 2022: Schilder in Geschäften, nachdem die Corona-Maßnahmen verschärft wurden.
Besonders in den USA wenden sich ganze Bevölkerungsschichten davon ab. Das ist tragisch. Denn die Klimawissenschaft – ein kleiner Teilbereich der Physik – beschädigt auf diese Weise das Vertrauen in die gesamte Naturwissenschaft. Ich kann die Menschen verstehen. Diese Art von Wissenschaft hat diktatorische Züge angenommen.
NIUS: Zum Abschluss: Was wäre Ihr pragmatischer Vorschlag?
Ganteför: CO2-Reduktion ist grundsätzlich sinnvoll – aber sie muss international gedacht werden. Wenn wir unsere Emissionen halbieren, könnten die natürlichen Senken den Rest aufnehmen. Ziel sollte es sein, den CO2-Gehalt in der Atmosphäre zu stabilisieren. Wir werden nicht verglühen, selbst wenn es zwei Grad wärmer wird. Es gibt ein paar Probleme, die mit steigender Wärme schlimmer werden. Aber sie sind alle zu bewältigen. Aber es geht nur in internationaler Zusammenarbeit.
Deutschland allein kann das Klima nicht retten. Die großen Emittenten sitzen in Asien. In China etwa hat man der Bevölkerung versprochen, jedem Zugang zu Wohnung, Strom und Wasser zu verschaffen – dafür braucht man Energie. Dafür sollte auch der Westen Verständnis zeigen. Denn Fortschritte wird es nur mit Kooperation geben – nicht mit moralischer Überheblichkeit.
NIUS: Herzlichen Dank für das Gespräch.
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