
In Brasilien, einst Hoffnungsträger der südamerikanischen Demokratien, werden rechtsstaatlicher Prinzipien immer mehr, und immer offener ausgehebelt. Die Gewaltenteilung, unveräußerliches Prinzip eines jeden Rechtsstaates, steht in Brasilien zur Disposition. Was in Brasilien beobachtet werden kann, droht auch in Deutschland Wirklichkeit zu werden, sollte die CDU/ CSU umfallen, und mithelfen, zwei von der SPD-Linken vorgeschlagene Richterinnen mit extrem-linker politischer Agenda, zu Verfassungsrichtern zu wählen.
Das Oberste Gericht Brasiliens, der Supremo Tribunal Federal (STF) besteht aus elf Richtern. Sieben davon wurden von den Sozialisten Lula und Dilma Rousseff ernannt. Zwei von Bolsonaro und je einen Richter ernannten die Präsidenten Cardoso und Temer. Es ist also ein deutlich sozialistisches Übergewicht in diesem Gericht. Sieben Richter, die von sozialistischen Präsidenten ernannt wurden, gegen zwei Konservative. Die anderen Richter kann man in mitten dieses Spannungsfeldes als gemäßigt links verorten.
Die Fußfessel als Symbol des Zerfalls
Der ehemalige Präsident Jair Bolsonaro trägt seit kurzem, auf Anordnung des von Michel Temer, der Partido do Movimento Democrático Brasileiro, ernannten Richters des STF, Alexandre de Moraes, eine elektronische Fußfessel. Außerdem wurde Bolsonaro auferlegt keine sozialen Medien zu nutzen, keinen Kontakt zu ausländischen Botschaftern und anderen Beschuldigten zu unterhalten. Außerdem muss er sich zwischen 19 h und 7 h morgens in seinem Haus aufhalten. Bolsonaro wurde nicht rechtskräftig verurteilt. Die Maßnahmen wurden mit dem schwammigen Vorwurf begründetet, er habe Druck auf das brasilianische Justizsystem ausgeübt. Als Beweis dient eine angebliche diplomatische Andeutung gegenüber den USA.
Solche Vorwürfe klingen eher nach einem schlechten Drehbuch für ein Politdrama in einem autoritären Staat den nach seriöser Anwendung von Recht. Doch das brasilianische Oberste Gericht scheint derzeit weniger an rechtsstaatlicher Nüchternheit interessiert zu sein als an der medienwirksamen Zurschaustellung politischer Macht.
Die eigentliche Gefahr liegt nicht in Bolsonaros Tweets, sondern in der brasilianischen Justiz. Diese verbietet ihm sich zu äußern, die Benutzung sozialer Netzwerke, ja sogar den Kontakt zu Familienangehörigen. Solche Maßnahmen wären in einem funktionierenden Rechtsstaat undenkbar, Sie erinnern eher an Methoden autoritärer Regime.
Doch das ist nur ein Feld, auf dem sich das Supremo Tribunal Federal als eine Kraft generiert, die weit über seine eigentlichen Aufgaben hinausgeht. Das andere ist, dass der STF eine Entscheidung des brasilianischen Parlaments teilweise kassiert hat, die dieses mit überwältigender Mehrheit beschlossen hatte. Die brasilianische Regierung wollte ab Mai 2025 den IOF (Steuer auf Finanztransaktionen) erhöhen, um das Haushaltsdefizit zu reduzieren und das neue fiskalische Regelwerk einzuhalten. Ursprünglich sollte die Maßnahme Mehreinnahmen von 20,5 Mrd. R$ (2025) bzw. 41 Mrd. R$ (2026) bringen.
Der IOF (Imposto sobre Operações Financeiras), ist eine Steuer auf Finanztransaktionen. Der effektive Jahreszinssatz dieser Steuer beträgt nun 3,37 %, Vorher waren es 1,33 %. Besonders betroffen sind davon Unternehmen, die regelmäßig Kredite zur Aufrechterhaltung ihrer Liquidität nutzen. Das erhöht die Kosten insbesondere bei kurzfristigen Finanzierungen. Für Unternehmen mit knappen Gewinnmargen und schwacher Finanzplanung kann der Anstieg sogar schwerwiegende Folgen haben. Die brasilianische Wirtschaftszeitung veja.abril.com.br zeigt es an zwei Beispielen: „Die Kreditkosten erhöhen sich jeweils um das 2,5 fache.Bei einem Kredit über 500.000 R$ für 12 Monate steigen die IOF-Kosten von 6.650 R$ auf 16.865 R$. Bei 850.000 R$ steigt der Betrag ebenfalls von 11.305 R$ auf 28.670 R$“.
Doch das Vorhaben stieß im Kongress auf heftigen Widerstand. Dieser beschloss Ende Juni mit breiter Mehrheit per Dekret die Annullierung der Steuererhöhung. Daraufhin zog die Regierung vor das Oberste Gericht (STF), wo der uns schon bekannte Richter Alexandre de Moraes zunächst eine Mediation zwischen Exekutive und Legislative anordnete.
Da die Einigung scheiterte, entschied Moraes, dass die Steuererhöhung bestehen bleiben würde. Mit der Ausnahme, der sogenannten „risco sacado“-Transaktionen, ein Finanzierungsmodell das im Einzelhandel zur Anwendung kommt.
IOF-Reform: Der neue Klassenkampf
Die Steuer auf Finanztransaktionen IOF, sollte ursprünglich ein Instrument zur Marktregulierung sein. Lula machte sie zu einem groß angelegten fiskalischen Umverteilungsprojekt. Die sozialistische Regierung Lula verkauft ihre geplante Reform, so wie es alle Sozialisten machen, als sozial gerecht. In Wahrheit ist sie ein Frontalangriff auf Kapital, Investitionen und internationale Wettbewerbsfähigkeit. 67 Milliarden Real spült die IOF schon jetzt jährlich in die Kassen. Und was passiert mit diesem Geld? Man füttert damit, wie bei uns, einen aufgeblähten und ineffizienten Staatsapparat. 20 Milliarden mehr sollen es ab 2025 sein. Davon werden aber keine Schulden getilgt oder dringende Investitionen in die Infrastruktur bezahlt. Das Geld fließt in zum Teil neu aufgelegte Sozialprogramme und Subventionen für die, sie kennen das Wort zur Genüge, Zivilgesellschaft.
Was Brasilien derzeit erlebt, ist die Selbstermächtigung einer Justiz, die sich als moralische Instanz über Legislative und Exekutive erhebt. Entscheidungen des Kongresses, die mit großer Mehrheit verabschiedet wurden, werden vom Obersten Gericht kurzerhand überstimmt. Der Wille des Volkes zählt nichts, wenn er dem Willen der obersten Richter und der Politik, die sie ins Amt gebracht hat, widerspricht. Die Richter agieren nicht mehr als neutrale Instanz, sondern als politischer Arm der Regierung. Wenn Richter zu politischen Akteuren werden, stirbt die Gewaltenteilung, und mit ihr die demokratische Ordnung.
Selbst Senatoren sprechen inzwischen offen von einem Ausnahmezustand. Die Opposition warnt vor der Zensur, dem Bruch des rechtlichen Gehörs, der Aushöhlung parlamentarischer Rechte und der systematischen Verfolgung missliebiger Stimmen. Wer Kritik übt, gefährdet die Demokratie. Rechtsstaatlichkeit wird zur bloßen Formalie, es werden nur mehr Gesetze angewandt, die Suche nach Recht, eine elementare Aufgabe eines jeden Gerichts, hat man aufgegeben.
Doch nicht nur rechtsstaatlich, auch wirtschaftlich taumelt Brasilien. Der Sozialist Lula verspricht soziale Wohltaten und Gerechtigkeit. Tatsächlich errichtet er aber eine Planwirtschaft. Die neu eingeführte 3,5 % Steuer auf Auslandsüberweisungen ist nichts anderes als ein verzweifelter Versuch die von der Regierung verursachte Kapitalflucht zu bremsen. Denn Investoren fliehen längst aus einem Land, dessen Regierung Stabilität mit Steuerdruck und Fiskalpopulismus verwechselt.
Die brasilianische Währung, der Real, stürzt ab. Finanzminister Fernando Haddad versucht, mit staatlich verordneten Zwangsmaßnahmen, das Vertrauen zurückzukaufen, das seine Politik zerstört hat.
Als linke Politiker wie Dilma Rousseff und Lula, als sie nicht an der Macht waren, in internationalen Foren gegen das brasilianische Justizsystem wetterten, störte das niemanden. Es gab keine Fußfessel, keine Schweigeverpflichtung, kein Twitterverbot für sie. Heute jedoch genügt ein kritischer Post oder ein Interview mit dem „falschen“ Medium, und die sozialistische Justiz kommt in Wallung.
Diese selektive Anwendung des Rechts zersetzt nicht nur das Vertrauen in die Justiz, sondern die Legitimität des gesamten politischen Systems. Wenn das Strafrecht zum Mittel politischer Säuberung wird, ist niemand mehr sicher.
In den letzten Tagen haben zwei der größten Zeitungen Brasiliens – O Estado de São Paulo (Estadão) und O Globo – in ihren Leitartikeln die Entscheidungen des Richters Alexandre de Moraes vom Obersten Gerichtshof (STF) kritisiert. Konkret geht es um das Verbot für Ex-Präsident Bolsonaro, Interviews zu geben. Beide Zeitungen betrachten diese Maßnahme als Zensur und Eingriff in die Pressefreiheit. Estadão nennt die Entscheidung einen „Missbrauch“ und erinnert daran, dass Lula, obwohl er im Gefängnis saß, 2019 Interviews geben durfte. Gleichzeitig warnt die Zeitung davor, dass solche Maßnahmen dem politischen Lager Bolsonaros Argumente für ein „Opfer-Narrativ“ liefern.
O Globo bezeichnet die Entscheidung als „extravagant“ und betont, dass selbst problematische politische Akteure nicht zensiert werden dürfen. Die Presse müsse frei arbeiten können, andernfalls werde das Informationsrecht der Gesellschaft verletzt.
Beide Zeitungen betonen, dass ihre Kritik nicht als Unterstützung für Bolsonaro zu verstehen ist, sondern als Verteidigung demokratischer Grundrechte. Es zeigt sich dabei eine veränderte Haltung der brasilianischen Presse gegenüber dem Justizsystem, das bislang oft unkritisch betrachtet wurde. Auch innerhalb des Obersten Gerichts mehren sich kritische Stimmen gegenüber Moraes’ Vorgehen.
p.s. Wie absurd die Entscheidungen des Obersten Brasilianischen Gerichts mittlerweile sein können, berichtet Michael Shellenberger, Co.Autor der Twitter-Files auf x:
„Das höchste Gericht Brasiliens könnte bald darüber entscheiden, ob eine Frauenrechtsaktivistin für einen einzigen Satz, den sie in einem Instagram-Video geäußert hat, und für das Teilen von vier X-Posts, die von anderen geschrieben wurden, zu bis zu 25 Jahren Haft verurteilt wird, obwohl weder ihre Worte noch die der anderen gegen ein bestehendes brasilianisches Gesetz verstoßen haben.
Nach Artikel 213 des brasilianischen Strafgesetzbuchs beträgt das Grundstrafmaß für Vergewaltigung 6 bis 10 Jahre für Standardfälle und 8 bis 12 Jahre, wenn die Vergewaltigung mit Gewalt oder ernsthafter Bedrohung einhergeht und schwere Körperverletzungen verursacht. Cêpa könnte also eine doppelt so lange Haftstrafe erhalten wie Männer für Vergewaltigung.
Der Oberste Gerichtshof hat beschlossen, einen Fall gegen Isabela Cêpa wiederaufzunehmen, um festzustellen, ob das Gericht durch richterlichen Erlass unter völliger Umgehung des demokratischen Prozesses Äußerungen kriminalisieren kann. Ein Bundesrichter hatte den Fall bereits abgewiesen, da er mit den Staatsanwälten darin übereinstimmte, dass Cêpas Äußerungen nicht den gesetzlichen Schwellenwert für Hassreden erfüllten und kein Gesetz verletzt worden war.
„Der Oberste Gerichtshof hat den Fall angenommen, und jetzt haben sie nur zwei Möglichkeiten“, sagte Cêpa in unserem Gespräch. „Eine davon ist, zuzugeben, dass sie ein Gesetz anwenden, das es nicht gibt, und dass sie Menschen für Verbrechen bestrafen, die es nicht gibt. Die andere Möglichkeit wäre, mich ins Gefängnis zu schicken. Ich bin mir ziemlich sicher, wie ihre Entscheidung ausfallen wird.
Die Reise der 32-jährigen feministischen Aktivistin ins Exil begann im Juli 2024 auf einem Flughafen in Brasilien. Acht Beamte der Bundespolizei umringten sie, sagt sie, und studierten ihre Akte mit verwunderten Gesichtern.