
Die Ernennung war eine Überraschung: Die Juristin Nina Warken, die neue Bundesministerin für Gesundheit, ist bisher gesundheitspolitisch nicht in Erscheinung getreten. Das muss nicht unbedingt ein schlechtes Vorzeichen sein. Von den Gesundheitsministern der letzten Jahre waren die „Ärzte“ Karl Lauterbach (SPD) und Philipp Rösler (FDP) veritable Totalausfälle. Und der gesundheitspolitisch erfahrene Jens Spahn (CDU) war vor allem bei Corona auf völlig falschem Kurs unterwegs.
Ausgerechnet der bislang einzige gesundheitspolitische Newcomer der letzten Jahrzehnte, Hermann Gröhe, machte seine Sache von 2013 bis 2018 einigermaßen passabel. Dass er seinerzeit nur Gesundheitsminister wurde und als CDU-Generalsekretär keinen prestigeträchtigeren Ministerposten bekam, lag an der berühmten Szene auf der CDU-Wahlparty 2013, als Angela Merkel ihm wie einem dummen Schuljungen kopfschüttelnd das Deutschlandfähnchen entriss. Derart patriotischer Übermut wurde gnadenlos mit der Strafversetzung ins Gesundheitsministerium geahndet.
Dass die Gesundheit zwar den Bürgern wichtig ist, inzwischen aber nicht mehr der Politik, zeigte sich bereits bei der Besetzung der Arbeitsgruppen für die Koalitionsverhandlungen. So wurde die SPD-Delegation im Gesundheitsbereich erneut durch die weithin unbekannte Regionalpolitikerin Katja Pähle aus Sachsen-Anhalt angeführt. Entsprechend perspektivlos und nichtssagend ist der Koalitionsvertrag gerade bei den so bedeutsamen Themen Gesundheit und Pflege ausgefallen.
Der zunehmende Bedeutungsverlust der Gesundheitspolitik in der Billionen-Agenda des Kriegskanzlers Merz lässt sich auch am Verschachern des Gesundheitsministeriums bei der Zusammenstellung des Kabinetts ablesen. Lauterbach wäre der einzige SPD-Kandidat gewesen, da vor allem in der Fraktion angesehene SPD-Kandidatinnen wie Bärbel Bas nicht die geringste Lust verspürten, ein Ministerium unter ständiger Talkshow-Begleitung durch den Parteikollegen und Ex-Minister Lauterbach zu führen.
Das machte es Lars Klingbeil leicht, das Gesundheitsministerium aufzugeben und als Kompensation seinen Anspruch auf das prestigeträchtige Arbeitsministerium durchzusetzen, da er dort unbedingt den smarten Carsten Linnemann verhindern wollte. Merz wiederum musste dann auf Regional- und Geschlechter-Proporz Rücksicht nehmen, sodass eine Frau aus Baden-Württemberg gesucht wurde, wo im nächsten Jahr Landtagswahlen stattfinden. So schlüpfte schließlich die gesundheitspolitisch vollkommen unbefleckte Nina Warken aus dem Überraschungs-Ei Gesundheitsministerium.
Der Abstieg der Gesundheitspolitik in die 3. Liga lässt sich auch direkt aus dem Organisationserlass des Bundeskanzlers ablesen. Denn während sich das Gesundheitsministerium noch in den Kabinetten Merkel IV und Scholz protokollarisch auf Rang 10 der Kabinettsliste behaupten konnte, ist es nunmehr in der offiziellen Bedeutungshierarchie auf den 13. Platz abgerutscht und damit komplett im Bereich „Sonstiges und Gedöns“ untergegangen.
Das alles kontrastiert nicht nur mit der erheblichen Bedeutung, die den Themen Gesundheit und Pflege von den Bürgern beigemessen wird, sondern auch mit den bereits heute enormen und in der Zukunft noch absehbar zunehmenden Herausforderungen in beiden Bereichen.
Und auch der Koalitionsvertrag von Union und SPD offenbart keinerlei Lösungsansätze für diese Probleme. Er lässt sämtliche Entwicklungen offen und definiert nirgendwo Orientierung gebende Leitlinien. Außer einer Anhebung des sogenannten Apothekenpackungsfixums um satte 13,8% auf 9,50 Euro, also einem absurden Nachwahlgeschenk an die Apotheker-Lobby nach dem Prinzip „Mehr Geld für nichts“, enthält dieser Koalitionsvertrag keine einzige konkrete Festlegung für die künftige Finanzierung des Gesundheitssektors. Damit soll laut Koalitionsvertrag allen Ernstes zugewartet werden, bis eine neu einzurichtende Expertenkommission im Frühjahr 2027 Vorschläge erarbeitet haben wird, getreu dem Motto für strukturelles Organisationsversagen: „Wenn du nicht mehr weiterweißt, gründe einen Arbeitskreis!“ Dabei liegen alle sinnvollen Vorschläge aufgrund der jahrelangen intensiven Vorarbeiten des „Sachverständigenrats Gesundheit und Pflege“ längst auf dem Tisch.
Diese erneute Verzögerung ist umso dramatischer, als die neue Gesundheitsministerin als gesundheitspolitisch komplett unerfahrene Juristin keine eigenen Vorstellungen in die jetzt anstehende Gesetzgebungsarbeit einbringen kann. Allenfalls gewisse Organisationserfahrungen beim Technischen Hilfswerk (THW) geben Anlass zur Hoffnung, dass sie sich alsbald der überfälligen Restrukturierung der Notfallversorgung zuwendet. Daneben muss allerdings auch der Katastrophenschutz dringend reformiert werden, da die Reaktion im Katastrophenfall deutschlandweit weiter komplett dysfunktional organisiert ist, mit einer Anbindung bei den Landräten und einer nicht funktionierenden Koordination mit den bundesweit rund 380 Gesundheitsämtern.
Im Vordergrund der Agenda stehen allerdings ohne Frage die massiven finanziellen Herausforderungen in der Kranken- und Pflegeversicherung. In diesem Jahr werden die gesetzlichen Krankenkassen die Rekordsumme von 340 Milliarden Euro ausgeben. Doch schon zum Jahresende 2024 betrugen die Finanzreserven der Krankenkassen nur noch rund 0,08 Monatsausgaben und entsprachen damit nicht einmal mehr der Hälfte der gesetzlich vorgesehenen Mindestreserve von 0,2 Monatsausgaben. Die neue Ministerin wird daher sehr schnell Geld für einige am finanziellen Abgrund vegetierende Kranken- und Pflegekassen auftreiben müssen, um akute Insolvenzen noch abzuwenden.
Dass eine Hauptursache für die explodierenden Ausgaben der Krankenversicherung in der ebenso irregulären wie illegalen Massenmigration nach Deutschland liegt, steht seit Jahren als Elefant im Raum bei jeder Sitzung der Bundesregierung. Allerdings ist den hochbezahlten Migrationsleugnern im Ministerrang offenbar nicht zu vermitteln, dass die menschengemachte Beitragskatastrophe eine unvermeidliche Folge des millionenfachen Zuzugs von Neubürgern ist, die sich direkt ins soziale Netz von Bürgergeld und kostenloser Krankenversorgung begeben, obwohl sie niemals auch nur einen Cent für Aufbau und Erhalt des deutschen Gesundheitssystems eingezahlt haben und oft auch gar nicht beabsichtigen, dies jemals zu tun.
Daher wird im Jahr 2026 der Krankenkassen-Zusatzbeitrag von derzeit bereits 2,5% auf mindestens 3,1% steigen, was erheblichen sozial- und wirtschaftspolitischen Sprengstoff bieten dürfte. Und in diesen Prognosen sind die mit dem wirtschaftlichen Niedergang wegbrechenden Kasseneinnahmen aufgrund der anrollenden Entlassungswelle im Mittelstand noch nicht einmal berücksichtigt.
Dr. med. Lothar Krimmel, Facharzt für Allgemeinmedizin, war von 1992 bis 2000 Geschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.