Grenzkontrollen auf dem Prüfstand: Wirken sie nicht gegen die Asylantragsflut?

vor etwa 4 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Die Erwartungen an die „verstärkten“ Grenzkontrollen ab dem 8. Mai waren vermutlich überzogen. Auch die fleißigste Bundespolizei kann nicht ausgleichen, wozu der Gesetzgeber nicht bereit ist. Im Juli sind die neuen Asylanträge erstmals seit Anfang des Jahres wieder deutlich gestiegen, auf über 8.000 Erstanträge. Beachtlich ist daneben die Steigerung der Folge- oder Zweitanträge auf 5.366. Noch im April lag die Zahl der Folgeanträge bei 1.822, seitdem haben sie beständig zugenommen, sich zuletzt (von Juni auf Juli) sogar mehr als verdoppelt. Beschäftigt sich das Bamf – aufgrund eines zurückgehenden Zustroms von außen – jetzt mit Vorliebe mit Altfällen aus dem Inland? Doch Vorsicht, auch Folgeanträge werden nicht immer aus dem Inland gestellt. Auch ein neu Eingereister kann einen Zweitantrag stellen, wenn sein erster Asylantrag bei einer früheren Einreise abgelehnt wurde.

Die Abnahme bei den Erst- und die gleichzeitige Zunahme bei Zweitanträgen mutet insofern wie ein Hin- und Hergeschiebe an, das den Anstieg der Zahlen im Juli überdecken soll. Zusammen ergibt sich die Zahl von 13.659 neuen Asylanträgen in einem Monat. Auch Alexander Dobrindt hat es also geschafft, hier die Zehntausendermarke zu reißen. Im Grunde kommt er damit schon in die Nähe des Faeser-Gedenkpreises.

Was bedeuten aber nun auf diesem Hintergrund die angeblich „verstärkten“ Grenzkontrollen seit dem 8. Mai, die auch wegen der Kosten von 24 bis 29 Millionen Euro pro Quartal in der Kritik stehen? Diese Kritik stammt wohlgemerkt aus der Bundestagsfraktion der Linkspartei. Diese stellte eine Frage an die Bundesregierung zu den Kosten der ausgeweiteten Grenzkontrollen seit vergangenem September. Insgesamt lagen die Mehrkosten demnach bei 80,5 Millionen Euro für knapp elf Monate, was gegenüber vielen anderen Haushaltsposten moderat anmutet.

Der größte Posten entsteht der Bundespolizei demnach durch die „Mehrarbeitsvergütung“, also die Überstunden, wie die Nachrichtenagentur dts meldet. Von Mitte September 2024 bis Ende Juni 2025 fielen 37,9 Millionen Euro zusätzliche einsatzbedingte Kosten an. Inzwischen sind laut Behördenangaben bis zu 14.000 Bundespolizisten an den deutschen Landesgrenzen im Einsatz, darunter angeblich rund 3000 zusätzliche Grenzschützer.

Die Bundespolizei hat nun eigene Zahlen herausgegeben, die zeigen, dass wir uns im Grunde seit Anfang 2024 auf demselben Plateau bewegen, das zudem allmählich an Höhe abnimmt. So fielen die illegalen Einreisen im September 2024 (Faesers Ausweitung) abrupt auf 6.921 gegenüber der Zahl von 7.819 im August. Das erscheint auf den ersten Blick nicht ganz nachvollziehbar. Sind die zurückgegangenen Einreiseversuche also ein Ergebnis der Kontrollen? Das entspricht eigentlich nicht einer vernünftigen Erwartung. Mehr Kontrollen müssten zu mehr Feststellungen führen, zumindest zu Beginn einer Verschärfung. Das ist aber weder im September 2024 noch im Mai 2025 geschehen, was merkwürdig anmutet.

Die Zurückweisungsquote hat sich tatsächlich leicht verbessert seit der „Verstärkung“ der Grenzkontrollen von diesem Mai. Von 67 Prozent Zurückweisungen (im Zeitraum 16. September 2024 bis 31. Juli 2025) stieg dieser Anteil nun auf 76 Prozent Zurückweisungen (ab 8. Mai 2025). Man könnte es einen kleinen Erfolg nennen, der in den absoluten Zahlen nicht so auffällig daherkommt. Seit September gab es rund 47.000 unerlaubte Einreisen und 31.500 Zurückweisungen (67 %), seit diesem Mai 12.445 unerlaubte Einreisen und 9.506 Zurückweisungen (76 %). Hinzu kommen jeweils noch Personen mit Wiedereinreisesperre (418 seit Mai), ein gewisser „Beifang“ an polizeilich Gesuchten (2.220 Personen ab Mai) und Personen aus verschiedenen „extremistischen“ Spektren (366 seit Mai). Außerdem wurden seit Mai 450 Schleuser, die meist nicht illegal eingereist sind, vielmehr häufig in Deutschland leben, festgenommen. Aber man kann all diese Zahlen eigentlich nicht deuten, weil Vergleichswerte aus früheren Zeiten ohne Grenzkontrollen fehlen.

Einen Unterschied gibt es aber doch: Zehn Prozentpunkte mehr Zurückweisungen seit dem 8. Mai, das sind ungefähr 1250 Asylbewerber, die uns dank der Kontrollen erspart blieben. Immerhin. Die Bundespolizei wurde offenbar in den Stand gesetzt, ihre Arbeit etwas besser zu machen als zuvor. Und nun kommt allerdings das große Paradox: Denn gleichzeitig sind die Asylanträge (sowohl Erst- wie Zweitanträge) im Juli deutlich gestiegen. Könnte man die etwa 25 Millionen Euro (für ein Quartal Kontrollen) also doch andernorts besser investieren? Darüber werden die Meinungen geteilt sein.

Für die Innenpolitikerin der Linkspartei Clara Bünger ist klar, dass es um eine „rechtswidrige Grenzen-dicht-Politik“ der Bundesregierung geht, und der Ausgabenposten also weg kann. Demnach erschweren die Kontrollen „Asylsuchenden die Flucht“ (!), sie führten daneben zu Verkehrschaos in den Grenzregionen, belasteten Grenzpendler und verursachten „enorme“ Kosten, sagte die Linken-Politikerin laut Zeitungen der Funke-Gruppe (früher WAZ-Mediengruppe). Dagegen hat die AfD-Ko-Vorsitzende Alice Weidel gerade erst die Stärkung der Kontrollen an Flughäfen gefordert, was die Grenzkontrollen offenbar erst komplettieren würde.

Noch einmal die Juli-Zahlen zusammen: 5.154 unerlaubte Einreisen wurden festgestellt. Wieviele Zurückweisungen es im Juli genau gab, wissen wir aber nicht, hier fehlen konkrete Angaben der Bundespolizei. Sollten es im Verhältnis so viele wie im Zeitraum seit dem 8. Mai gewesen sein, dann müssten auch im Juli gut drei Viertel, also vielleicht 3.500 Migranten umgehend zurückgewiesen worden sein, neben den Personen mit Wiedereinreisesperre und einigen hundert polizeilich Gesuchten, die wohl eher in der Untersuchungshaft und am Ende in deutschen Gefängnissen landen werden.

Zugleich wurden aber beim Bamf rund 13.700 neue Asylanträge gestellt, von denen die Bundespolizei allerdings gar nichts berichtet. Laut ihrer Pressemitteilung gab es seit dem 8. Mai nur 110 Asylgesuche durch Personen aus „vulnerablen Gruppen“. Also rund vierzig im Monat. Von anderen Asylanträgen weiß die Bundespolizei vielleicht nichts, aber offenbar entgeht ein Vielfaches dieser Zahl den Beamten, egal ob an Landgrenzen oder Flughäfen. Es geht auch im Mai und Juni um jeweils knapp 10.000 neue Asylanträge (Erst- und Zweitanträge zusammen), im Juli sogar mehr als 10.000.

Es gibt aber noch eine Merkwürdigkeit in dieser Pressemitteilung der Bundespolizei: Vom 8. Mai bis zum 31. Juli gab es demnach, wie schon gesagt, 12.445 unerlaubte Einreisen, von denen rund drei Viertel zurückgewiesen oder zurückgeschoben wurden. Aber vom 1. Mai bis zum 31. Juli gab es laut derselben Mitteilung zusammengerechnet 16.612 unerlaubte Einreisen, was bedeuten müsste, dass sich 4.167 unerlaubte Einreisen ausgerechnet in der Woche vom 1. bis zum 7. Mai zugetragen haben müssen – das wären aber 72 Prozent aller unerlaubten Einreisen im Mai. Nur 1.634 Einreisen wären widerrechtlich im restlichen Mai geschehen. Dass Dobrindts Maßnahme solche Zauberkräfte entfalten konnte, wird man aber wohl auch im tiefsten CSU-Bayern nicht glauben.

Egal, ob hier mit den Zahlen getrickst oder Luftbuchungen vorgenommen wurden, Dobrindts Grenzkontrollbilanz in den ersten 100 Tagen fällt weniger eindrucksvoll aus, als der Minister es wohl gerne sehen würde. Es bleibt noch viel zu tun. Es hat beinahe den Anschein, als laute die Order, nur die auch zurückgewiesenen unerlaubten Einreisen (oder die, die in einer Festnahme enden) auch in die Statistik aufzunehmen. Denn so lassen sich die Zahlen von immerhin 2.200 Festnahmen polizeilich Gesuchter mit den 9.500 Zurückweisungen auch addieren. Zusammen ergeben sich so 11.700 „Erfolgsmeldungen“ der Bundespolizei, den kleinen Rest könnten Extremisten und Personen mit Einreisesperre ausmachen. Dann würde die Bundespolizei widerrechtliche Einreisen fast vollständig verhindern. Das war aber im Juli offenbar nicht der Fall, auch nicht im Mai oder Juni, wie die neu gestellten Asylanträge zwischen 9.400 und 13.700 im Monat beweisen.

Bei den 366 in einem knappen Quartal festgestellten Extremisten stellt sich zudem die Frage, wie die Bundespolizei mit ihnen verfahren ist. Wohin hat sie diese verbracht? Ist sichergestellt, dass religiöse Extremisten oder solche mit „ausländischer Ideologie“ in Deutschland kein Asyl bekommen? So etwas wüsste man gerne, erfährt es aber aus dieser Statistik jedenfalls nicht.

Es bleibt also dabei: Insgesamt 32.980 neue Asylanträge seit Einführung der „verstärkten“ Grenzkontrollen à la Dobrindt. Erfasst und größerenteils zurückgewiesen wurden aber nur 16.612 illegale Einreisen – das ist offenbar nur ein Drittel aller Fälle.

Die deutsche Gesellschaft wird demnach weiterhin durch die zügellose Nichtanwendung der Asylgesetze dazu genötigt, eine Großstadt pro Jahr aufzunehmen, sie zu verköstigen und unterzubringen, für Deutsch-Kenntnisse zu sorgen, die Kinder zu beschulen und am Ende auch Renten an die alt gewordenen Eltern zu zahlen, obwohl über die Rentabilität dieser Art Zuwanderung in Deutschland keine Zahlen vorliegen. Kein Institut hat sich bisher die Mühe einer Studie gemacht – ungleich Forschern in Dänemark oder den Niederlanden.

Ein Bundesinnenminister, der all dies sieht und ernst nimmt, müsste offenbar noch zu sehr viel weitergehenden Maßnahmen als nur solchen Grenzkontrollen greifen, bei denen offenbar der überwiegende Großteil der illegal Einreisenden den Beamten durch die Lappen gehen.

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