
Der Sozialstaat-Magnet Deutschland zieht Migranten aus aller Welt an. Wird er nicht abgeschaltet, kann das deutsche Flüchtlingsproblem nicht gelöst werden. Die von linker Seite bereits heftig kritisierten Ankündigungen von Innenminister Alexander Dobrindt, an den Grenzen illegale Migranten, die aus einem sicheren Drittstaat kommen, abzuweisen und verurteilte ausländische Straftäter in ihr Herkunftsland abzuschieben, können zurzeit weder qualitativ noch quantitativ seriös bewertet werden. Sicher ist jedoch: Solange die hohen Sozialleistungen nicht abgeschafft werden, wird sich in puncto Zuwanderung in Deutschland nichts ändern.
In Deutschland wird alles bis ins Kleinste schriftlich geregelt. Aber eben nur das Kleinste. Wichtige Entscheidungen, ganz besonders wichtige und rechtlich zweifelhafte Entscheidungen werden, das hat Tradition in unserem Land, gern mündlich ausgesprochen.
Oft noch nicht einmal das. Gelegentlich ahnen Subalterne, was ihr Herr und Meister, oder Meisterin, von ihnen verlangt, und handeln im vorauseilenden Gehorsam ganz von allein. Das hat für die Entscheider nicht nur den Vorteil, später einmal, wenn die oft katastrophalen Folgen dieser Entscheidungen – die den Entscheidern vermutlich bewusst waren bzw. die sie ahnen konnten – offensichtlich sind, die Verantwortung auf andere abwälzen zu können, sondern auch noch später, in der Geschichtsschreibung nicht ganz so schlecht wegzukommen.
In Deutschland gelten zurzeit 1.797 Gesetze und 2.866 Rechtsverordnungen. Allein 2014 kamen 83 Gesetze, die an 63 Sitzungstagen beschlossen wurden, hinzu.
Die wichtigste Entscheidung der letzten Jahre war die Grenzöffnung 2015. Keine Entscheidung seit dem Mauerfall hatte einen so großen Einfluss auf Deutschland. Es gab darüber vorher keine Abstimmung im Bundestag. War es eine einsame Entscheidung der damaligen Kanzlerin?
Die Bundeskanzlerin hat später eingeräumt, für die Einreiseentscheidung verantwortlich zu sein. Nach Mitteilung der ‚Süddeutschen Zeitung‘ sagte sie: ‚Es war selbstverständlich, dass wir diese Entscheidung getroffen haben, und ich halte sie auch für richtig, sie hat vielen Menschen geholfen.‘ In einem Interview mit der Zeitung ‚WELT am SONNTAG‘ gab die Bundeskanzlerin an, sie würde ihre ‚… Entscheidungen des Jahres 2015 wieder so treffen‘.
Als direkte Auswirkung dieser Entscheidung reisten zwischen dem 4. und 6. September 2015 mehrere zehntausend Personen aus Ungarn nach Deutschland ein. Dies war der Beginn einer Massenmigration von asylsuchenden Drittstaatsangehörigen nach Deutschland, die bis Mitte 2017 etwa 1,5 Millionen Flüchtlinge ins Land führt.“
Die AfD-Fraktion stellte, um zu klären wer, wann und wie diese Entscheidung getroffen hatte, am 15. Januar 2018 einen kleine Anfrage an die damalige Bundesregierung.
Die AfD wollte wissen, „ob es zutrifft, dass es keine schriftliche Anordnung des Bundesinnenministeriums oder des Bundesinnenministers an die Bundespolizei und/oder die Grenzbehörden gab und gibt, wonach unter Berufung auf § 18 Absatz 4 Nummer 2 AsylG von der Einreiseverweigerung oder Zurückschiebung von Drittstaatsangehörigen abzusehen ist, welche um internationalen Schutz nachsuchen“.
Die Bundesregierung antwortet: „Eine schriftliche Anordnung des Bundesministeriums des Innern an das Bundespolizeipräsidium oder andere mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden gibt es nicht.“
Weitere Frage der AfD: „Wurde von dem oder den ‚Zuständigen‘ im Sinne der Bundestagsdrucksache 18/7510 in anderer Weise als per schriftlicher Anweisung von der Möglichkeit nach besagtem § 18 Absatz 4 Nummer 2 AsylG Gebrauch gemacht und die Anordnung erlassen, von einer Einreiseverweigerung oder Zurückschiebung abzusehen, und, falls ja, in welcher Weise wurde diese Anordnung übermittelt – etwa telefonisch, per E-Mail oder durch persönliche mündliche Anordnung?“
Bundesregierung: „Die Entscheidung wurde im Rahmen der bestehenden Zuständigkeiten innerhalb der Bundesregierung getroffen. Bundesminister Dr. Thomas de Maizière hat am 13. September 2015 den Präsidenten des Bundespolizeipräsidiums über die Entscheidung der Bundesregierung mündlich informiert.“
Die Abgeordnete der AfD, Beatrix von Storch, wollte deshalb von der Bundesregierung wissen: „Wie lautet der genaue Wortlaut der vom Bundesminister Dr. Thomas de Maizière am 13. September 2015 dem Präsidenten des Bundespolizeipräsidiums mündlich mitgeteilten Weisung, dass an der bundesdeutschen Grenze Asylbewerber nicht zurückgewiesen werden sollen, und wie wurde diese dokumentiert?“
Die damalige Bundesregierung erwiderte, unpräzise und offensichtlich lustlos, durch den Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Günter Krings am 5. Juni 2018:
„Der Inhalt der mündlich vom damaligen Bundesminister des Innern dem Präsidenten des Bundespolizeipräsidiums mitgeteilten Entscheidung ist vom Bundespolizeipräsidium im Einsatzbefehl vom 13. September 2015 schriftlich umgesetzt. Insofern wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/7311verwiesen. Im Übrigen wurde diese Mitteilung nicht aufgezeichnet und nicht transkribiert.“
Also nicht schriftlich, nicht aufgezeichnet, nicht transkribiert. Jetzt hat der neue Innenminister Dobrindt von der CSU diese nicht dokumentierte, aber offensichtlich im Bewusstsein des Innenministeriums noch sehr lebendige, mündliche Anweisung zumindest teilweise aufgehoben.
Die Folgen dieser mündlichen Anweisung, wie die von vielen anderen mündlichen Anweisungen in der deutschen Geschichte, waren verheerend. Einige Stichworte sind explodierende Sozialkosten, Wohnungsknappheit, erodierende innere Sicherheit und implodierende Kranken- und Pflegekassen.
Udo Di Fabio sagte in seinem Gutachten im Jahr 2016, dass der Bund „aus verfassungsrechtlichen Gründen“ verpflichtet gewesen wäre, „wirksame Kontrollen der Bundesgrenzen wieder aufzunehmen, wenn das gemeinsame europäische Grenzsicherungs- und Einwanderungssystem vorübergehend oder dauerhaft gestört ist“. „Eine solche unbegrenzte Rechtspflicht, alle Menschen weltweit durch faktische oder rechtliche Einreiseerlaubnis zu schützen, bestünde weder europarechtlich noch völkerrechtlich“, so Di Fabio.
Unterstützung bekam Di Fabio auch durch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages. Die Juristen des Wissenschaftlichen Dienstes antworteten auf eine Anfrage der Linken zu den rechtlichen Grundlagen der Einreiseverweigerung und Einreisegestattung und stellten die Rechtsgrundlagen dar, auf denen die im Herbst 2015 getroffenen Entscheidungen hätten beruhen müssen. Sie resümieren, dass es nach wie vor „unklar“ ist, ob die Ausnahmetatbestände des Asylgesetzes § 18 Absatz 4 Nr. 2 AsylG „als Grundlage für die Einreisegestattungen ab Ende August/Anfang September 2015 herangezogen wurde(n)“. Die Juristen kommen zu der bemerkenswerten Ansicht, dass die Rechtsgrundlage, nach der die Bundesregierung weitreichende Entscheidungen getroffen hat, nicht erkennbar sei.
Auch der frühere Verfassungsrichter Jürgen Papier kritisierte die Grenzöffnung scharf und sagte, die „jetzige Praxis ist nicht zulässig“ und hält Zurückweisungen an Grenzen für geboten. „Es gebe keine europarechtliche Regel, die über dem Paragrafen 18 des deutschen Asylgesetzes stehe. […] Menschen aus sicheren Drittstaaten sei daher die Einreise zu verweigern.“
Weiter sagte er, dass das Recht, einen Asylantrag stellen zu dürfen, „nicht länger zweckentfremdet werden kann als Türöffner und Rechtfertigung einer an sich illegalen Einwanderung“. Die Durchführung der aufwendigen Asylverfahren auch für die vielen Menschen, die offenkundig kein Recht auf Asyl und internationalen Schutz hätten, „war und ist dysfunktional und objektiv Rechtsmissbrauch“.
Über die Gründe der damaligen Bundesregierung, insbesondere der Kanzlerin, die Bundespolizei in dieser so bedeutenden Angelegenheit nur mündlich anzuweisen, kann nur spekuliert werden. Von wem bekam Innenminister Thomas de Maizière seine Anweisung? Sollte er eine bekommen haben, von wem, und bekam er die auch mündlich?
Sollte die Idee der Mündlichkeit die Verschleierung der Verantwortlichkeit gewesen sein, ist das gelungen. Und die Vernebelung für die Geschichtsbücher. Aber wird das in 30 Jahren noch irgendjemand interessieren?