
„Mein Name ist Greta Thunberg und ich komme aus Schweden. Wenn Sie dieses Video sehen, sind wir in internationalen Gewässern abgefangen und entführt worden“ – was muss das für ein Adrenalinrausch gewesen sein. Hinter ihr verschluckt das Meer das letzte Licht der Nacht, während der Himmel dunkelblau und ohne Sterne über ihr hängt.
Während sie sich an einem Tau festhält, bittet Greta, in eine Kufiya gehüllt, ihre „Freunde und Genossen“, die schwedische Regierung dazu zu drängen, ihre Freiheit zu erwirken. Dem Post auf Instagram sind die Kontaktdaten des schwedischen Außenministeriums beigefügt.
Auf einem Post sehen wir Greta Thunberg, wie sie ihren schwedischen Pass in die Kamera hält. „Kontaktieren Sie die schwedische Botschaft in Israel JETZT“. Das gleiche übrigens auch für Yasemin Acar mit ihrem deutschen Pass und der Telefonnummer der deutschen Botschaft in Israel. Was muss das für ein Schock gewesen sein, für die Anhänger der „Freedom Flotilla“, die ihre großen Helden über den „Madleen Tracker“ verfolgt haben – die ganze Welt sollte zusehen, um die Sicherheit der Crew zu gewährleisten.
Ja, es gibt einfach wenig, das einem so einen Kick gibt, wie mit Froschhütchen ins Kriegsgebiet zu segeln. Die 12-köpfige Mannschaft wurde bei dem Hormon-High schnell etwas zu übermütig. Wenige Tage nachdem sie in See gestochen hatten, entdeckten sie eine Drohne und setzten – dem sicheren Tode trotzend – einen Hilferuf ab. War dann am Ende doch nur eine Drohne der griechischen Küstenwache, die dann irgendwann wieder abzog. Das Angst-Video der Crew, die ihren Zuschauern ihre letzten Worte mitteilen, erntete trotzdem ihre angepeilten Likes.
Als dann noch die israelische Armee bekannt gab, die Madleen abzufangen, war die Geschichte endlich komplett. Luisa Neubauer – traurig, nicht mit von der Partie zu sein – schlug Alarm, nachdem die israelische Armee bekannt gab, die Madleen abfangen zu wollen. „Das Team rechnet in diesen Stunden mit allem.“ Klar. Als würde eine Regierung, die sich angeblich skrupellos als das Opfer darstellt und gleichzeitig unerkannt einen Genozid abzieht, vor aller Welt Greta Thunberg umbringen. Richtig, das ist eine wirklich sehr realistische Gefahr.Aber auch weltberühmte 22-Jährige, die keinen Tag älter aussehen als 12, haben das Recht, sich mal wie ein ganz normales Mädchen in ihrem Alter zu fühlen, das mit einem Segelschiff über das Mittelmeer in den fantasierten Genozid fährt, um sich mit ein paar Kilo Mehl als Lebensretterin feiern zu lassen und bereit ist, für diese Aufmerksamkeit den Märtyrer-Tod zu sterben.
Die israelische Armee hätte der Besatzung der Madleen freien Lauf lassen können. Hätten sie sie nicht abgefangen, hätten Greta und ihre Abenteuercrew feststellen müssen, dass sich Krieg in Wirklichkeit gar nicht so heldenhaft anfühlt. Dass nicht alles die Fotos und Schlagzeilen wert ist. Und dass sie nicht genug Lebensmittel an Bord hatten, dass man wirklich argumentieren kann, die Israelis hätten sie abgefangen, um ihre Aushungerungsstrategie aufrechtzuerhalten.
So konnte Greta zum Glück ihr Entführungsvideo noch einsetzen. International spricht man darüber, wie erniedrigend und menschenverachtend es war, eine Umweltaktivistin für ihre „Deportation“ in ein Flugzeug zu setzen – bestimmt Absicht von den bösen Israelis – und bei ihrer Heimkehr wurden die Crew-Mitglieder alle wie befreite Gefängnisinsassen gefeiert. Was für ein schönes Happy End für alle Beteiligten. Außer die Israelis, für die dieser Krieg kein Spiel ist, sondern ein Überlebenskampf.